THE LURKING FEAR - Out Of The Voiceless Grave

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VÖ: 11.08.2017
Bandinfo: THE LURKING FEAR
Genre: Death Metal
Label: Century Media Records
Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Liest man den Namen THE LURKING FEAR, wird man zunächst erstmal nicht darauf kommen, dass es sich hier um eine relativ frische schwedische Death-Metal-Supergroup handelt, sondern in erster Linie um eine düstere, Lovecraft'sche Kurzgeschichte aus dem November 1922. Diese allerdings ist namensgebend für eine ganz besondere Zusammenkunft aus Musikern, die am 11. August "Out Of The Voiceless Grave" erwachen und - retro to the bone - ihren eigenen Wurzeln Tribut zollen: Tomas Lindberg (AT THE GATES / DISFEAR), Jonas Stålhammar (GOD MACABRE / BOMBS OF HADES), Fredrik Wallenberg (SKITSYSTEM), Andreas Axelson (TORMENTED / DISFEAR) und Adrian Erlandsson (AT THE GATES / THE HAUNTED). Und wie das Wort Tribut es bereits andeutet, sollte man seine Erwartungen vor dem ersten Durchlauf dementsprechend anpassen.

Von sog. Supergroups wird nämlich zumeist Herausragendes bzw. - vielmehr - herausragend Innovatives erwartet, obwohl man in den allermeisten Fällen einfach von Spaßprojekten sprechen kann, die mit der neuen Allianz, wie BLOODBATH beispielsweise immer wieder imposant vormachen, das ausloten wollen, was in ihrem Hauptbetätigungsfeld eher keinen Platz findet oder finden würde. THE LURKING FEAR kann man genau in diese Schublade einsortieren, weswegen ein präzises Urteil mitnichten möglich ist und jeder Hörer und vor allem Genrefan für sich selbst herausfinden muss, ob er von dieser Sorte Bands noch eine weitere in seinem ohnehin schon prall gefüllten Oldschool-Death-CD-Reliquiar registrieren will.

Was sich mehr oder minder definitiv sagen lässt, ist dass "Out Of The Voiceless Grave" von Anfang an ein hörbar leidenschaftliches und - in Anbetracht der Beteiligten wenig verwunderlich - einwandfrei komponiertes, düsteres Eisen ist, das seinen Einflüssen durchaus gerecht werden kann. Ich muss zwar zugestehen, dass mir beispielsweise ein "Grand Morbid Funeral" im Vergleich noch eine Nuance mehr zusagt, weil es eine schmutzigere, abstoßendere Atmosphäre rauskehrt, aber nichtsdestotrotz kann man THE LURKING FEAR ein unstreitbares Geschick und Musikverständnis attestieren, das es ihnen erst möglich machte, diese wertige Ehrerbietung einzutrümmern. Hinzu kommt auch, dass man beispielsweise (aber nicht nur) bei den Lyrics merkt, dass Herr Lindberg einmal mehr etliche Stunden mit diversen Schmökern liiert war, um seinen eigenen Qualitätsstandard einhalten zu können und dem Album einen passenden Rahmen zu verleihen, den seine nicht minder legendären Kollegen vorzüglich ausnutzen. So erweckt beispielsweise das mit Streichern unterlegte, Horror-eske Titeltrack-Intro bereits ein beklemmendes Gefühl und auch im späteren Verlauf ("The Infernal Dread", "Upon Black Winds") wird man noch weitere sphärische Elemente vorfinden, die die ansonsten stets kantigen Rumpelattacken intensivieren und dem Debüt Charakter verleihen.

Dabei sollte man bei aller Lobhudelei um all die namhaften Musiker und ihre Referenzen aber trotzdem nicht aus den Augen verlieren, was "Out Of The Voiceless Grave" eigentlich sein will: eine Verneigung vor der eigenen Jugend und all den großen Namen, die diese geprägt haben, sprich: Geknüppel allererster Güte. Warum ich das nochmal explizit erwähne? Weil es immer Spezialisten geben wird, die sich trotzdem gerne irgendwelche ausschweifenden Wünsche herbeifantasieren, bei Nichterfüllung dieser wütend auf den Boden einwirken (oder in sozialen Netzwerken haten) und anschließend von einer seelenlosen Kopie schwadronieren. Egal ob AUTOPSY, ENTOMBED, MORBID ANGEL, POSSESSED oder auch diverse schwedische Schwarzmetall-Ikonen - THE LURKING FEAR sind einerseits ganz eindeutig davon inspiriert, sich auf der anderen Seite aber auch durchaus bewusst darüber und fügen deshalb entschärfend hinzu: "We are a death metal band. Not your average new wave of old-school death metal band. We play death metal from the heart with pure emotional impact and a focused artistic vision. This is the music we live and breathe. Always have, always will". Und das kann man so sehen; wäre dem nicht so, würden Stücke à la "Vortex Spawn", "With Death Engraved In Their Bones" und "Tongued With Foul Flames" jedenfalls längst nicht so impulsiv sägen, ein "Upon Black Winds" oder auch "The Cold Jaws Of Death" nicht mit so feinsinnig integrierten Black-Metal-Tremolos überzeugen und ein "Winged Death" wohl auch nicht so vehement auf einen einstampfen. THE LURKING FEAR sind von hoher fachlicher Kompetenz und bringen dabei auch glaubwürdig rüber, dass sie all diese genialen Acts und ihre Stile inhaliert haben. 

"Out Of The Voiceless Grave" kann man sich also in sein Regal stellen, wenn man sich als unersättlichen Oldschool-Death-Fan einschätzt, aber, wenn wir mal ehrlich sind: genau für diese Gattung Mensch wurde dieses Album auch entworfen; und zwar genau von dieser Gattung Mensch. Schon alleine deshalb fiele es mir schwer, THE LURKING FEAR als Imitat zu bezeichnen, schließlich sind alle hier auftretenden Künstler jahrzehntelange Vollblutmusiker und teils auch Mitbegründer diverser Genres, denen es auch mal gestattet sein muss, mit einem qualitativ sehr wertigen, mühevoll ausgearbeiteten Album wie "Out Of The Voiceless Grave" auch mal denjenigen zu huldigen zu können, die sie erst dazu gebracht haben, selbst zu musizieren, nur um dann einige Jahre später schlussendlich ebenfalls einen solch großen Einfluss ausgeübt zu haben. Und wenn man dazu noch bedenkt, dass sich beispielsweise ENTOMBED mittlerweile lieber viel mehr im Küchengerätschaftsmerchandising profilieren und sich nebenbei auch noch, genau wie MORBID ANGEL, viel lieber um Namensrechte prügeln, sind THE LURKING FEAR aktuell die weitaus stressfreiere, musikbezogenere Alternative, von der es in Zukunft, sofern denn bei all den straffen Zeitplänen überhaupt noch die Eventualität besteht, gerne mehr geben darf. Die Entscheidung liegt gänzlich bei euch.



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Pascal Staub (08.08.2017)

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