PSYGNOSIS - Neptune

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VÖ: 28.04.2017
Bandinfo: PSYGNOSIS
Genre: Progressive Metal
Label: Eigenproduktion
Lineup  |  Trackliste

Dass Metal und Cello eine gute Kombination sind, das wissen wir spätestens seitdem APOCALYPTICA ihre unvergessenen Interpretationen von METALLICA-Klassikern in den Äther und die Herzen der Metalheads fiedelten. Während sich aber bei den Finnen, die schon längst dazu übergegangen sind auf eigenes Material anstatt Cover zu setzen, zuletzt zunehmend eine gewisse Stagnation erkennen ließ, hat man in Frankreich einen neuen Ansatz gefunden, harte Gitarrenklänge mit wimmernd-melancholischem Cello zu verquicken. Bereits zum dritten Mal kommen nämlich die aus dem Umkreis von Lyon stammenden PSYGNOSIS nun mit einer Langrille um die Ecke. Im Falle des vorliegenden „Neptune“ hat man sich sogar an ein Konzeptalbum getraut, das den Hörer an den äußersten Rand unseres Sonnensystems entführt, zum Eisriesen Neptun, der in 4,5 Milliarden Kilometer Entfernung seine Bahnen um unsere Sonne zieht. Gleichzeitig ist das Album aber auch dem gleichnamigen Gott des Wassers gewidmet, ohne welches das Leben in der uns bekannten Form nicht möglich wäre. Wahrhaft große Themen, die es nun auch adäquat umzusetzen gilt.

Dass speziell die Franzosen einen ungewöhnlichen, oftmals auch etwas kauzigen Zugang zu schwermetallischen Klängen haben, das zeigt sich auch in diesem Output. Denn anstatt auf fluffiges, eingängiges Gefiedel, setzen PSYGNOSIS auf komplexe Strukturen von epochalem Ausmaß, in denen sich das Cello, mal sanft, mal wütend, zur Herrschaft über die kernigen Gitarrenklänge aufschwingt. Sachte, wabernde Synthie-Einschläge bringen, sehr sparsam eingesetzt, einen dezenten Industrial-Touch in die ansonsten von Todesmetall geprägten Klänge und runden das Gesamtpaket aus kräftigem Schwermetall, der schamlos mit dem der Klassik entlehnten Instrument kopuliert, ab, während gleichzeitig die Tür zu Soundtrack-artigen musikalischen Welten weit aufgestoßen wird.

Wem das jetzt zu hoch ist, der bekommt bereits mit dem Opener „Phase 7“ einen ordentlichen Brocken im zweistelligen Minutenbereich zu schlucken, der die Marschrichtung des Albums klar vorgibt. Epische, ausladende Songs, die den Hörer mit großen Spannungsbögen auf eine Reise in ferne Welten schicken. Dabei präsentieren sich PSYGNOSIS ganz und gar nicht generisch, vielmehr losgelöst von allzu engen strukturellen Zwängen, sodass die Musik fließen kann – dabei pendeln die Franzosen mitunter, ohne aufgesetzt oder bemüht progressiv zu klingen, zwischen bleischwerer Melancholie und wütender Blastbeat-Raserei, zu Hören beispielsweise in „Psygnosis Is Shit“.

„Storm“ beginnt mit sanften, beruhigenden Klavierklängen, bevor das Cello einsetzt und sich sachte Spannung aufzubauen beginnt. Und dann eine plötzliche, harsche Gitarreneruption, durchbrochen von einer kurzen Verschnaufpause, dann fliegen auch schon Bogen und Finger geradezu über die Saiten. Der Titeltrack „To Neptune“ schließlich, erreicht geradezu epochale Ausmaße. Dabei bleibt er über weite Strecken reduziert und beruhigt, schafft es dabei aber, zu keiner Zeit langweilig oder künstlich in die Länge gestreckt zu klingen. PSYGNOSIS spielen gekonnt mit Tempi und Akzentuierungen, wodurch „Neptune“ in seiner Gesamtheit eine beeindruckende Atmosphäre zu kreieren imstande ist – man wähnt sich förmlich in einem Raumschiff mitten in der Finsternis und Leere des Universums, das durch seine schiere, unendlich scheinende Weite geradezu bedrückend und beklemmend wirkt und die endlose Reise zum äußersten Planeten unseres Sonnensystems zur Ewigkeit ausdehnt. „Śūnyatā“ bringt die Trademarks von PSYGNOSIS, die Verbindung aus sanften, geradezu zerbrechlich wirkenden Passagen und rasender Blastbeat-Wut, in seinen mehr als zehn Minuten zur Vollendung. Die einzigen Vocals des Albums, in Form einer von düsterer Stimme gesprochenen Passage am Ende des Titels, bilden einen schönen Kontrast zum Rest des ausschließlich instrumental gehaltenen Albums.

PSYGNOSIS brauchen kein Gebrülle und Gekeife um auf sich aufmerksam zu machen, die Franzosen schaffen es mit lockerer Lässigkeit, den Hörer alleine mittels instrumentalem Können absolut zu fesseln. Das einzige kleine Manko, das der Höchstpunktezahl im Wege steht, sind das zwar klug eingesetzte, aber dennoch relativ flache und seelenlose Drum-programming, das zwar für einen leichten Industrial-Unterton sorgt, aber insgesamt in den komplexen Konstrukten von „Neptune“ untergeht, da es, verglichen zum Rest der Instrumentierung, einfach zu wenig Akzente setzt. Doch das sind nur marginale Kritikpunkte eines Musiknerds – der Freund anspruchsvoller Klänge wird sich zu PSYGNOSIS einfach nur zurücklehnen und genießen. Mehr als eine Stunde traumhaft schön gewobener Klänge wartet auf alljene, die anspruchsvolle Kost fernab des Mainstreams zu schätzen wissen.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Anthalerero (28.06.2017)

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