CARACH ANGREN - Dance And Laugh Amongst The Rotten

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VÖ: 16.06.2017
Bandinfo: CARACH ANGREN
Genre: Symphonic Black Metal
Label: Season of Mist
Lineup  |  Trackliste

Im nahenden September 2017 sind es tatsächlich schon sieben volle Jahre, in denen ich dieser Tätigkeit bereits nachgehe und irgendwann beginnt man unweigerlich damit, sich und sein eigenes Wertungssystem permanent auf den Prüfstand zu stellen: Ausgelernt hat man sowieso nie, aber wie kann man über Songs und Alben noch bildlicher referieren, kann man Urteil und Zensur noch präziser ermitteln? Einen ultimativen Lösungsweg gibt es für einen solchen Entwicklungsvorgang nicht, dafür gibt es immer wieder (aber nicht so oft, wie man vielleicht denken mag) Werke, die diesen inneren Denkprozess beispielsweise deshalb anregen, weil man sie eine Zeit lang beiseite geschoben hat und beim nächsten Aufeinandertreffen plötzlich eine etwas andere Sichtweise dafür entwirft. "This Is No Fairytale" von CARACH ANGREN gehört zu diesen Kandidaten und hätte an manchen Tagen definitiv keine 4/5 Punkte mehr erhalten, weil es diese Zeit einfach nicht gut überstanden hat, gleichzeitig aber auch schlicht kein Album für jede Gelegenheit, sondern eben nur ganz bestimmte Situationen ist, wodurch der ersten Formulierung dazu wiederum die Härte der halben Wahrheit innewohnt, weil es beispielsweise übermorgen oder nächste Woche bei passender Stimmung wieder zur Komplettbegeisterung umschwenken könnte. Das wirft einerseits mal wieder die Frage auf, ob Punktewertungen überhaupt einem tieferen Sinn dienen, oder nur der Art von Lesern, die offenbar - warum auch immer - nur ihre eigene Meinung bestätigt sehen wollen, um ein Album genießen oder hassen zu können (warum sonst, wenn nicht deswegen, sollte sich der ein oder andere Mensch zu spöttischen und vor allem nur semi-argumentativen Kommentaren bei seiner Meinung nach ungerechtfertigten Wertungen hinreißen lassen?) - und natürlich den Labels, die diese eigentlich bedeutlungslosen Zahlen legitimerweise auf mittlerweile leicht zu entfernende Sticker pressen, die dann dem potenziellen Käufer in's Gesicht springen und zur monetär verwirklichten Mitnahme anregen sollen.

Und all diese Gedanken nur ganz alleine deshalb, weil das neuerliche Symphonic-Black-Metal-Theaterstück "Dance And Laugh Amongst The Rotten" eben jener Niederländer eine Art Grundsatzdiskussion in mir aufgewühlt hat, die ich als äußerst spannend erachte. Kann man CARACH ANGREN überhaupt noch in dieses enge Korsett einschnüren, oder erforscht und bestellt das Trio unlängst weit entfernte Territorien, die eher einem raffinierten Bühnenstück denn einem "stinknormalen" Sympho-Black-Album gleichen - und muss man dementsprechend die eigenen Ansprüche und Vorstellungen anpassen? Dazu später mehr. Zunächst sei noch angemerkt, dass Ardek und Co. - also fernab jeglicher irreführender Geschmacksdiskussionen - herausragende Künstler sind, die mit immer komplexer ausfallenden Arrangements zunehmends ihr eigenes Genre definieren und damit natürlich auch schwerer greifbar werden, sodass man unbedingt viel Zeit und Geduld sein Eigen nenne sollte, bevor man sich zur Urteilsbildung begibt. Oberflächlich mag es zwar so scheinen, als würden die Limburger einfach nur diverse Black-Metal-Elemente mit Orchestrierungen zusammenwerfen, aber gerade auf lange Sicht geben sich fast schon verschwenderisch viele Details zu erkennen, wodurch manchmal sogar die leider oftmals zu Unrecht für ihre musikalische Wandlung diffamierten DIMMU BORGIR alt aussehen. Interessanterweise ist "Dance And Laugh Amongst The Rotten" dabei im direkten Vergleich zu seinem Vorgänger den entgegengesetzten Weg gegangen, hat mich zunächst eiskalt abblitzen lassen, lässt mittlerweile aber definitiv seinen eigenwilligen Charme spielen und wirken.

In einem Aspekt sind sich beide Werke aber definitiv gleich: sie sind nicht auf das Singlebusiness zugeschnitten. Auch bei "Dance And Laugh Amongst The Rotten" werden einzelne Fäden miteinander verflochten, die ein dicht verwobenes Bühnenwerk ergeben, das man mit etwas Fantasie auch als Horrormusical verwirklichen könnte. Gerade deshalb ist der theatralisch-anschwellende Einstieg mit "Opening" und "Charlie" gut gewählt, weil er trotz seiner zahlreichen Stimmungen bzw. Tempowechsel zwischen Hetzjagd und in falscher Sicherheit gewogener Rast durchaus eingängig ist. Denselben Eindruck vermittelt anfangs auch "Blood Queen", das zum Mittelteil hin aber symphonisch unterlegtes Schauspiel (KING DIAMOND Fans werden ihre helle Freude haben) betreibt und erst zum Ende hin wieder das komplette Instrumentalinventar von der Kette lässt - eine wegweisende Passage. Ab hier wird der fünfte Streich von CARACH ANGREN nämlich von Minute zu Minute verzweigter und dadurch fordernder. Dabei steht ein Mädchen im Mittelpunkt, das exzessiven Gebrauch von seinem Ouijabrett (auch Hexenbrett genannt) gemacht hat und den Hörer nun in einige äußerst beunruhigende Kapitel eintauchen lässt. Die musikalische Umsetzung dazu gelingt blendend: "Charles Francis Coghlan" und "Song For The Dead" sind für die beklemmende Atmosphäre zuständig, "In De Naam Van De Duivel" prescht als fast schon klassisches Black-Metal-Stück mit schaurigem Horror-Keyboard bissig auf das Auditorium zu und ein bewirbt sich mit eingestreuten Publikumsinteraktionsmöglichkeiten gleichermaßen für Theater- und Konzertbühne.

Will man das in andere Worte fassen, kann man CARACH ANGREN auch einfach attestieren, dass sie ihren Stil über die letzten zwei Alben aufgebaut und ihn mit "Dance And Laugh Amongst The Rotten" deutlich verbessert und veredelt haben. Angefangen bei der erstklassigen Breitband-Produktion, für die u.A. Peter Tägtgren (Mixing) und Jonas Kjellgren (Mastering) zuständig sind, über den doch wieder etwas höheren Härte- und Aggressivitätsgrad bis hin zu der irrwitzig detaillierten Orchestrierung des Ausnahmekomponisten Clemens "Ardek" Wijers, dessen Dienste für EX DEO ("The Immortal Wars"), PAIN ("Coming Home") und LINDEMANN ("Skills In Pills") sicherlich nicht die letzten Projekte waren. Passenderweise prasselt da besonders in "Three Times Thunder Strikes" ein klangliches Gewitter auf einen herab, sodass man sich für die Zukunft nur wünschen kann, dass sich auch CARACH ANGREN, bei all ihrer ohnehin schon vorhandenen Livequalität, irgendwann zusammen mit einem großen Orchester auf die Bühne wagen, um die Vielschichtigkeit solchen Materials vollständig transportieren zu können. 

Um einen Abschluss zu finden: Auch "Dance And Laugh Amongst The Rotten" wird sich zu den Alben gesellen, die viele Menschen (natürlich auch ich) nur in gewissen Situationen hören können werden. Das ist aber, wie oben bereits angedeutet, kein Indikator dafür, ob ein Album gut oder schlecht ist, sondern "nur" ein weiterer Beleg dafür, warum Musik bzw. diverse Stilgattungen keine Nebensächlichkeit, sondern eine der schönsten und zeitaufwändigsten Beschäftigungen auf diesem Planeten ist, die man nicht nur als Konsum betrachten sollte und schlussendlich einfacher mit Worten als mit Zahlen beschreiben kann. Zahlen sind in diesem Fall vergänglich oder zumindest situativ wandelbar, Worte hingegen nicht. Und das wird wohl auch für "Dance And Laugh Amongst The Rotten" bzw. das zukünftige Schaffen von CARACH ANGREN gelten. Sicher sagen kann ich nur, dass die drei Herren hier ihren Opus Magnum kreiert haben, der zwar nur schwerlich einzuordnen (nennt es Horrortheater-Metal; andererseits muss man auch nicht immer alles zwanghaft kategorisieren) ist und als waschechter Grower angegangen werden sollte, zu den passenden Zeitpunkten aber immer wieder für Gänsehaut sorgen wird. 



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (12.06.2017)

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