LES DISCRETS - Prédateurs

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VÖ: 21.04.2017
Bandinfo: LES DISCRETS
Genre: Post-Rock
Label: Prophecy Productions
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Lineup  |  Trackliste

Auf dem neuen Album seines Solo-Projektes LES DISCRETS schlägt der französische Künstler Fursy Teyssier interessante und mutige neue Wege ein. „Prédateurs“ heißt die jüngste Veröffentlichung, was zu Deutsch „Räuber“ bedeutet – als Adjektiv verwendet aber auch „schmarotzerisch“ bzw. „Schmarotzer“ in zusammengesetzten Substantiven. Wenn ich das richtig verstehe, dann weist dieser Bedeutungsumfang auf die Rolle hin, die dem Menschen heutzutage doch besonders zukommt: die eines räuberischen Schmarotzers. In diesen Kontext ist wohl auch das Zitat zu stellen, welches im namensgebenden Intro das Album einleitet.

Alles in allem ist dies natürlich eine recht düstere, schwere Thematik, die sich auch in der Musik widerspiegelt, welche mittlerweile kaum noch etwas gemein hat mit dem natur-romantischen Post-Black und Post-Metal des Debut-Albums „Septembre Et Ses Dernières Pensées“, welches mich damals wie heute immer wieder begeistern und mitreißen kann. Auch vom Vorgängeralbum „Ariettes Oubliées“, mit dem ich bis auf ein paar Ausnahmen nicht so völlig warm geworden bin, ist auf „Prédateurs“ kaum noch etwas übrig geblieben. Selbst beim Begriff Post-Rock bzw. -Metal bin ich mir nicht ganz sicher, ob dieser hier überhaupt noch zutrifft, denn es gibt z. B. keine verzerrten Gitarren mehr. Am ehesten ist es recht experimenteller, düsterer Rock/Shoegaze, welcher gelegentliche Trip-Hop- und Industrial-Anleihen hat. Das ist es auch, was ich eingangs als „mutig“ beschrieb. Denn Fursy Teyssier weicht hier bewusst sehr stark von dem Rezept ab, das ihm in der Vergangenheit eine große Menge Fans eingebracht hat. Allerdings kann diese Entwicklung nicht gerade überraschen, wenn man gelegentlich die Facebook-Seite von LES DISCRETS besucht und die vorab veröffentlichten Auskopplungen angehört hat.

Was mich bei all den Änderungen im Soundbild fasziniert, ist, dass Fursy es dennoch geschafft hat, dass das Album ganz unverkennbar nach LES DISCRETS klingt und somit keineswegs eine völlige Abkehr vom bisherigen Schaffen darstellt. Das liegt einerseits natürlich am charakteristischen Gesang und andererseits an den Passagen, in denen die Gitarre etwas dominanter auftritt – ganz besonders aber ist es diese unverkennbare Atmosphäre, welche zwar düster, nachdenklich, melancholisch, aber doch nicht destruktiv ist.

Interessanterweise fällt durch diese stilistischen Änderungen kaum auf, dass Schlagzeuger Winterhalter nur noch teilweise mitbeteiligt war – soweit ich weiß –, denn die vielen eher ruhigen Lieder kommen häufig mit Percussion oder aber elektronischen Beats aus, die durch eine gewisse Verzerrung gelegentlich etwas nach Industrial klingen. An manchen Stellen musste ich auch mehrfach an einige Songs von THE RAVEONETTES denken, welche ja auch mit Verzerrung auf Schlagwerk und viel Hall experimentieren und zudem auch mit Mann und Frau im Duett singen, wie es auch auf dieser Scheibe stellenweise der Fall ist. Denn natürlich ist Fursys Lebensgefährtin Audrey Hadorn auch wieder mit an Bord und hat Gesang und Texte beigesteuert. Hinsichtlich der Texte ist zu bemerken, dass ein Lied doch tatsächlich auf Englisch gesungen wird, was aber kaum auffällt, wenn man nicht genau drauf achtet.

Wenngleich die wirklich eingängigen Melodien fehlen, die vor allem auf dem ersten Album den Zugang erleichterten, und auch sonst alles recht reduziert und minimalistischer wirkt, so ist das Album doch keineswegs langweilig. Das liegt daran, dass Fursy Teyssier sehr gut weiß, wie er mit einfachen Mitteln und gutem Songwriting auch ein solches Unterfangen zu meistern hat. Und das ist es auch, was einen Künstler wirklich auszuzeichnen vermag! Als Beispiele hierfür kann ich vor allem „Le Reproche“, „Les Jours d’Or“ und „Rue Octavio Mey“ anführen.

Es hat bei mir eine Weile gedauert, bis ich mit dem Album halbwegs warm geworden bin, da es doch Musik ist, die ich sonst nicht unbedingt höre und für die mir zudem meist die richtige Stimmung, das richtige Setting fehlt. Denn das wäre gewiss eine Stimmung ähnlich der, wie sie Fursy während der häufigen Zugfahrten hatte, die ihn laut eigener Aussage zu dieser Musik unter anderem inspiriert haben. Auf dieses Setting warte ich noch, um das Album dann nochmals laufen zu lassen, aber letztendlich fällt dieses Review doch deutlich positiver aus, als ich es nach dem ersten Hören vor fast zwei Monaten erwartet habe!



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Felix Thalheim (28.05.2017)

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