CREVASSE - me and you

CREVASSE (schreibt sich eigentlich CreVassE) gibt es jetzt auch schon wieder seit 2004. Ungeachtet unzähliger Auftritte und einem ihnen vorauseilenden guten Ruf haben wir es bei "me and you" mit dem ersten Album der Wiener zu tun. Die beiden Mehrinstrumentalisten Tommy Crow und Asif, unterstützt von Joe Hoffmann am Langholz und Rhythmusgitarrist René, machen dann aber alles andere als halbe Sachen und, so hoffe ich zumindest, werden mit dem bereits im März 2017 erschienenen Glanzstück eine herbe Schneise in die aufgeschlossene Musikliebhaberlandschaft schlagen.

"...open-minded music for open-minded people!!!" - so steht es im Info geschrieben. Eigentlich, meine ich, handelt es sich hier ganz einfach um wirklich schöne Musik. Gefühlvoll, elegisch, eindringlich, melodisch. Und musikalisch auf höchstem Niveau. Eine schöne Mischung aus rockigen Balladen und bluesigen Soli, so findet man sich manchmal in den nicht ganz so harten und technischen FATES WARNING, QUEENSRYCHE oder DREAM THEATER wieder. Obacht, hier rede ich von der Grundstimmung, CREVASSE geht es nicht um das schnöde Zurschaustellen von musikalischen Fähigkeiten, sondern um eindringliche Songs. Songs, die manchmal ein düsteres Fundament haben, immer wieder aber auch eine positive Botschaft transportieren. 

Das Album mäandert von poppig-lässiger Biegsamkeit hin zu bluesiger Eleganz und von dorthin weiter zu epischem Rock. Alles mit wunderbarem Gesang, der mit einem schönen Wiener Akzent ausgestattet, tatsächlich an einen Geoff Tate oder einen Zachary Stevens in deren gefühlvollen Momenten erinnert.

CREVASSE schaffen es, melodische Poprockperlen mit Progversatzstücken zu vermengen, und zwar so, dass für jeden etwas dabei ist. Man kann die Songs herrlich nebenher hören oder sich an den unzähligen Details erfreuen, an der Präzision des Vortrags. Die beiden Mutterschiffe "me" und "you" sind das beste Beispiel dafür. Knackig, eingänig im Fundament, geht es während der instrumentalen Teile dergestalt ab, dass hier wohl einige Musiker entnervt mit dem Kopf schütteln werden.

Dieser Hybrid aus Rock, Pop (ganz wenig), Blues (modernerer, härterer Prägung, fernab des Deltas), AOR und diesen sich in den Neocortex fräsenden balladesken Soundlandschaften, dieser Hybrid eben ist mir so noch nicht, oder schon lange nicht mehr untergekommen. Ich mag es, wie die Herrschaften es immer wieder schaffen, aus einer introspektiven, kontemplativen Stimmung heraus zu kommen, als tauche mann aus dem Wasser auf und sieht sich mit einem warmen, Leben spendenden Sonnenschein konfrontiert. Dafür sollte ich das Tanzelsdorfer Windgebäck in Rosa bekommen, aber das Album hat etwas dermaßen Erbauliches und Erhebendes im Songwriting; Hier merkt man, dass Herzblut in die Kompositionen geflossen ist. Ich nenne das jetzt einfach einmal kathartisches Songwriting. Denn das ist es. Viel zu selten gibt es Liederschreiber, die es schaffen, emotional so sehr zu berühren, wie der Wiener Vierer.

Schön auch die Instrumentalstücke, in denen noch ein bisschen mehr aufgezeigt wird. Das ist genau der Sologitarrensound, den ich liebe. Die SCORPIONS-Verneigung "Journey" (klingt in den rockigen Teilen ein wenig nach der Jahrtausendnummer "We´ll Burn The Sky") oder der Opener sind nicht bloßes Zeitschinden, sondern veritable Songs, die einfach genau so passen und funktionieren.

CREVASSE sind eine wunderbare Band mit einem ebenso wunderbaren Debütalbum. Die fünf Punkte mag ich nicht ganz aus dem Talon hervorholen, weil "Breakout" etwas zu sehr nach Blues von der Stange klingt und das wienerische "Dann is wieda sche" zwar ein schönes Singer/Songwriter-Stück ist, aber halt gar nicht auf das Album passt.

Der Rest ist schier fantastisch und jeder Freund einfach schöner, verspielter und leidenschaftlicher Musik sollte sich "me and you" zumindest einmal anhören.

#großartig