VARG - Götterdämmerung - EP

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VÖ: 14.04.2017
Bandinfo: VARG
Genre: Pagan Metal
Label: Napalm Records
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Lineup  |  Trackliste

Eigentlich erwartet jeder einen Verriss, weil eben VARG und weil der Kollege Alex M. (leider nicht mehr bei uns) zwei der schönsten musikjournalistischen Zerstörungen aller Zeiten über Veröffentlichungen eben dieser Band verfasst hat (dieser und jener). Das mach ich dann doch nicht, weil diese beiden Kritiken einfach nicht zu überbieten sind und weil bei VARG ohnedies jeder einen solchen erwartet. Einen Verriss nämlich. Da man hier aber zu offensichtlich mit einem solchen liebäugelt, weil verkaufsfördernd wegen "WIR gegen DIE", versuchen wir es einmal anders.

Es gibt meiner Ansicht nach hier vier Parteien (nein, nicht politische), die wären wie folgt: VARG, die Coburger Wiki-Metaller. Napalm Records. Die Hörer und eben wir, die im Elfenturm des Palais du Stormbringer residierende Schreiber-Hautevolee.

Napalm Records können wir hier aus der Gleichung streichen. Für das Eisenerzer Label geht es im konkreten Fall wohl um die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen und weil sich alles, wo Wolf draufsteht, verkauft wie ein 20-er Träger 0,5l Glasmantelgeschosse der Marke Reininghaus im Rahmen der Bieraktion beim Einzelhändler eures Vertrauens, erfüllt jede Veröffentlichung der rot-schwarzen Purchen wohl ihren Zweck.

Die Hörer, weiße Mittelschichtsheiden aus den von messerzückenden Horden verwüsteten Hoods von Baden-Baden und Döbling dürften frohlocken über diese neue EP. Bald werden die Foren dieser Welt wieder voll sein von Asen und Wanen namens Kevin, Luca Angelo und Herbert. Und weil alle gegen ihre Wölfe sind, wird auch ganz fleißig in vorgenannten Foren das vom täglichen Kampf in der Privatschule Johann Sebastian Bach in Wien-Ober St. Veit gepeinigte Fäustchen geschüttelt. Im übertragenen Sinn nämlich.

Diese beiden Komponenten hätten wir also abgehandelt. Kommen noch DIE. Also wir, die Journaille, Gossenjournalismus der übelsten Sorte. Täglich wringe ich meiner Seele den notwendigen Selbsthass ab, um Meisterwerke wie die vorliegende EP "Götterdämmerung" zu verkennen. Elitäres Geschwurbel der Lohnschreiber (Chef, wann wird das 13. endlich ausbezahlt?) [Anm. d. Lekt.: Gibts nicht, das fließt alles in die ständig nötigen Renovierungsarbeiten... oder die Kellerausstattung.], selbst an der eh schon vom Anfang an zum Scheitern verurteilten Musikerkarriere verreckt, attackiert man alles, was Polycarbonat in die Läden Europas wirft. Ich geißle mich selbst täglich in der Art der 1348er-Flagellanten und weine, weil ich doch nicht anders kann. 

Woher dieser Hass?

Welcher Hass?

Schön, ich gebe zu, dass selbst wir hier bei Stormbringer schon auf die listige Geschichte hereingefallen sind, man erinnere sich nur an das sensationell unreflektierte Frei:wild-Live Review ("Warum eigentlich dieser Zwiespalt? Interessiert das überhaupt noch jemanden?" - Ja, Frau Kollegin, solange das Interview im Rock Hard 305 unkommentiert bleibt, interessiert das noch jemanden). Aber mit einem gebe ich dir Recht. Muss man auf jede kalkulierte Provokation hereinfallen?

Deshalb bin ich auch kein Hater. Ersparen wir uns hier einen etymologischen Ausflug zu diesem Wort und erklären ganz einfach, dass Hass ein ursprünglich stark konnotierter Ausdruck war, welcher zu einer Worthülse für die oben genannten Mittelstandskiddies verkommen ist.

Nein, VARG, ich hasse euch nicht. Dafür ist euer Produkt zu belanglos. Aber der Kosmos, den ihr um euer Wolfsgehabe gebaut habt, den finde ich diskutierenswert. 

Und zwar mit einer einzigen Frage: Meint ihr das wirklich ernst?

Factchecking (heute ist Neologismusworkshop in den Stormbringer-Towers):

  • 1. Musik: Generischer Melodic Death Metal ohne irgendeinen Wiedererkennungswert. Wöchentlich kommen dutzende Veröffentlichungen bei uns an, die mit mehr Herzblut, Können und Verve gebastelt werden. Vier Songs in genau 16 Minuten. Sogar die Laufzeit brav durchgerechnet. Und brav ein oooaaaahaaaahaaaa in den Refrain gebastelt, damit Jacqueline und der Thorsten im Dosenbierfetzen beim Konzert auch noch mittoben können. Supä, ne?
  • 2. Gesang: Bemüht generisch. Wiedererkennungswert nah am kleinen weißen Schwammerl in der Champignonzucht. Omi röchelt ordentlicher, wenn die Hustenzeit an ihr andockt.
  • 3. Produktion: klinisch rein, damit tut man auch dem Oberstufenrealgymnasiasten nicht weh, der meint, vor Islands Westfjorden gegen mythologische Wesen zu kämpfen, im Endeffekt aber doch nur im eitergelben Tretboot vor Caorles Küste kreuzt. Natürlich in der VARG-Wolfszeit-Badehose. Umsatzsteuer wird extra ausgewiesen.
  • 4. Die Texte: das meint ihr nicht ernst! Davon muss ich fast ausgehen. Das liegt auf dem Niveau von im Daueröl schwimmenden Hobby-Paganisten: Ich bin Feuer - Herr der Flamme - Ich fresse Eisen und Stahl. Ich bin Krieger - Stolz und unbesiegbar - Dorn im Auge der Götter ("Götterdämmerung) - echt? Wir werden niemals ruhen - Wir finden und vernichten sie - Die dreckigen Mäuler der Hel - Sollen ersticken an dem was sie speien... ("Hel") - Hel hat genau ein Maul, fyi. Der Höhepunkt ist aber der "Song" "Beißreflex", aber mein Keyboard verweigert den Dienst, wenn ich versuche den Text auch nur ansatzweise zu tippen.

Ihr meint das nicht ernst, VARG. Und wir regen uns auch nicht auf, haten euch nicht wegen eurer 08/15 WIR gegen DIE-Rhetorik, aber, und jetzt kommts, auch wir dürfen ab und an etwas sagen. Das Spielfeld wird schon lange nicht mehr Bands wie VARG, FREI:WILD oder den schlimmsten von allen, den ONKELZ überlassen. Ich kann dem ganzen Kehricht nur meine kargen Wörter entgegenschleudern, aber das werdet ihr mir nicht verbieten.

Ihr meint das nicht ernst, und ich bin mir ganz sicher, dass dem so ist. Niemand kann solche unglaublich schlechten Texte schreiben, ohne dabei vor Lachen niederzubrechen. So tief und hart kann der Coburger Winter gar nicht sein, dass das Konstrukt VARG nicht mehr und mehr zu einem offensichtlichen wird. 

Denn was ihr ernst meint, ist damit massig Geld zu verdienen. Ihr braucht nur eine völlig belanglose, uninspirierte, talentfreie EP veröffentlichen, eine "Wolfszeit" genannte Tour veranstalten und soviel Merch produzieren, auf dass ganz Bangladesh dreischichtig arbeiten muss, und die Geldpresse rennt.

Was ich Bands wie VARG nicht mehr vorwerfe, ist das Spielen mit gruppendynamisch bedenklichen Vorgehensweisen oder den Versuch des Anbandelns mit Bands ganz weit rechts außen. Das ist der Sockel auf dem wir hier ohnedies aufbauen müssen. Was ich solchen "Musikern" aber vorwerfe, ist die gnadenlose Belanglosigkeit, gepaart mit den lächerlichsten Texten seit Erfindung der Buchpresse und die Chuzpe, das noch als Kunst, oder wenigstens als Musik zu verkaufen.

Napalm Records und VARG zusammen funktioniert monetär sicher fantastisch. Aber es gibt viel zu viel gute Musik da draußen, da brauch ich diesen Auswurf der Musikindustrie wirklich nicht. Genau das ist es, industriell gefertigte Musik für ganz böse kleine Kinder. Cookie-Cutter-Musik. 

Waren die Vorgängeralben von VARG noch ärgerlich, schlecht oder Alex M.-Verrisswürdig ist das nur mehr, tja, nichts.

Ich weigere mich, einem solchen Fließbandprodukt der Peinlichkeiten eine Wertung zu geben. 

Nur muss ich mich beinahe übergeben, wenn ich denke, wie viele tausend Mal sich dieser Müll verkaufen wird.

Ich muss mich jetzt duschen... [Anm. d. Lekt.: Ist erlaubt, Herr Kollege! Ausnahmsweise.]



Ohne Bewertung
Autor: Christian Wiederwald (10.04.2017)

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