DODECAHEDRON - kwintessens

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VÖ: 17.03.2017
Bandinfo: DODECAHEDRON
Genre: Black Metal
Label: Season of Mist
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Lineup  |  Trackliste

Anfangs möchte man meinen, dass das, was Season Of Mist mit ihrem Sublabel Underground Activists hier ans Tageslicht zerren, eigentlich nur aus Frankreich kommen kann. Musikalischer, künstlerischer Wahnsinn mit einer solchen Hartnäckigkeit kommt üblicherweise nur aus Bourbonenland. Wie jeder einigermaßen firme Black Metal - Freund allerdings weiß, stammen DODECAHEDRON aber aus dem Land der Politiker mit sehr eigenartigen Frisuren, den niederen Landen, weltoffen von Österreichern auch Holland genannt.

Ein Eingangsabsatz der eher für Geschichtenerzähler taugt, aber meine Horden an Lesern (...) sind das wohl schon gewohnt. DODECAHEDRON firmierten von 2006 bis 2011 als ORDER OF THE SOURCE BELOW und bringen mit "kwintessens" ihr zweites Album für das französische Label heraus. Da hätten wir also die Querverbindung zum französischen Musikunwesen. 

Wer das erste, selbstbetitelte Album der Tilburger kennt weiß was hier los ist. Und das ist es wieder, los nämlich. Jazziger Black Metal, vergeistigt, zerebral und, jetzt kommt's, erstaunlich hörbar. Klar, beim ersten Rundgang kann es sein, dass sich ein paar Knoten im Neocortex bilden, aber mit jeder weiteren Umrundung wird aus dem Konvolut an brachialem Black Metal, flirrenden Dissonanzen und scheinbar wirrem Songwriting mehr. Ein Mehr an Verstehen beim geneigten Hörer bildet sich heraus und führt zu einer Abhängigkeit. Das ist in ihrer Gesamtheit etwas Neuartiges. Nicht absolut neu, DEATHSPELL OMEGA oder BLUT AUS NORD haben schon Generationen an Extremmetalfans in den musikalischen Freitod getrieben, aber DODECAHEDRON gehen noch einen Schritt weiter und vereinigen alle schrägen Töne, alles scheinbar schief liegende, zu entweder brachialen oder atmosphärischen Songs. Oder, im Idealfall, beides.

Man verstehe mich nicht falsch, "kwintessens" ist musikalischster Black/Avantgarde Metal, aber mit Gespür und Bedacht erschaffen. Ein fantastisch klares, immer brutales, aber nicht zum härter-als-alle-anderen werdenden Selbstzweck verkommendes Klanbgild springt mich/dich sofort an und lässt dich/mich nicht mehr los.

Das Album ist mit atmosphärischem Beginn, "Prelude", und ebensolchen Zwischenspielen, "Interlude" und "Finale", die alle ein Lovecraft-Feeling hoch infinitive ausstrahlen, unterteilt, während es bei den eigentlichen Songs dann derb wird. Man kann von Riffgebirgen sprechen, von verschleppten flirrenden Dissonanzen, von massiven Jazzeinflüssen, immer aber ist es ein höchst musikalischer, tief schwarzer Auswurf absoluter Bösartigkeit. Ein Tritt in's Gesicht, ein Stich mit dem Teppichmesser in die Langerhansschen Inseln und ein Griff mit Freddy-Krüger-Händen in die tiefsten Abgründe der Seele.

"kwintessens" vereinigt alles, was der moderne Black Metal zu bieten hat, und das auf allerhöchstem Niveau. So bösartig war Black Metal seit "The Return..." nicht mehr, so experimentell seit "Ordo Ad Chao" nicht mehr und so musikalisch wohl überhaupt noch nie. 

DODECAHEDRON schaffen mit "kwintessens" ein lupenreines Meisterwerk. 42 Minuten extrem anstrengender, fordernder, aber höchstgradig lohnender und belohnender Black Metal, der ganz locker die neue Benchmark im Genre darstellt. Ich wusste vom Vorgänger "Dodecahedron", was auf mich zukommt, aber das aktuelle Album der Niederländer ist noch eine ganze Ecke intensiver. 

Mehr geht im experimentellen Extremmetal derzeit wohl nicht. Alles unter Höchstwertung wäre lächerlich. 

 

 



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Christian Wiederwald (12.03.2017)

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