BLUTENGEL - Leitbild

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VÖ: 17.02.2017
Bandinfo: BLUTENGEL
Genre: Electro Gothic
Label: Out of Line
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Lineup  |  Trackliste

Nach circa 15 Jahren im Business kann man BLUTENGEL mit gutem Gewissen als eine der bekanntesten Szenebands in ihrem Genre bezeichnen. Das neue Album „Leitbild“ bestätigt das nur weiter: Die dunklen Club-Sounds, die kühle Atmosphäre und die harte Nachdenklichkeit erzeugen erneut Emotionen zwischen Gänsehaut-Feeling und mitreißendem Erlebnis, wobei das frühere Vampir-Denken und -Kopfkino jedoch gänzlich verschwunden ist und auch der Pop-Sound nicht mehr den Schwerpunkt hat, den er schon mal hatte.

„Leitbild“ ist in gewissem Sinne eine Evolution, die eine gereifte Band zeigt, die sich sowohl von ihrer ursprünglichen, direkten Seite präsentiert, aber auch neue Aspekte anklingen lässt, und für mein Ermessen, vor allem in eine nachdenklichere, fast möchte ich sagen "erwachsenere" Richtung strebt. Dazu gefallen mir die Worte in ihrer englischsprachigen Presseaussendung recht gut, die ich hiermit zitieren möchte: „Leitbild is the essence of Blutengel, condensed into an album.“

Diese Worte wecken in einem dann gleich die "Lust auf mehr". Und das "mehr" kann sich diesmal sehen lassen. Es wird für den Fan nämlich ganz schön herausfordernd, wofür er sich denn nun entscheiden soll, wenn er das Album erstehen will, da es nämlich mehrere Varianten von "Leitbild" gibt:

Da hätten wir mal die reguläre Album-CD, ohne Schnick-Schnack, nur mit einem Booklet.
Als Nummer zwei gibt es eine limitierte Doppel-LP mit großformatigem Klappcover. Dieser Version liegt die Album-CD in einem Pappschuber bei. Wer es ganz nobel will, kann neben der schwarzen Vinyl-Ausgabe auch zur antik-silberfarbenen Version greifen, die es aber nur im Labelshop gibt.
Dann hätten wir Variante Nr. 3: eine Deluxe-Doppel-CD; hier wird eine Bonus-Scheibe mit fünf weiteren, neuen Songs mitgeliefert, sowie diverse Remixe älterer Songs.
Und dann das Highlight: das limitierte Fan-Set, in dem man neben der Deluxe-Doppel-CD auch noch eine Shape-Maxi-CD, ein Hörbuch über Chris Pohl und ein zusätzliches Foto-Booklet erhält, in dem alle „Leitbild“ Songtexte beinhaltet sind.

Fast möchte ich – wie zu Robert Lembkes Zeiten – nun sagen: „Welches Schweinderl hätten Sie gerne?“
(Und ja, ich kann mir vorstellen, dass die Jungen hier nun große Augen bekommen – „Wovon redet sie jetzt?“ – Tja, ihr könntet es ja googeln...)

Auf jeden Fall kann ich euch ein wenig die reguläre CD mit ihren 16 Songs beschreiben und die Bonus CD, weil ich habe beide vorliegen.

Wie üblich gibt es deutschsprachige Lieder und englischsprachige, wobei die englischen leicht in der Überzahl sind. Der Opener ist schon mal das erste Lied mit englischen Lyrics, obwohl er zu über 50% ein Instrumentalstück ist, da Chris und Ulrike erst nach der Hälfte im Duett zu singen beginnen. Recht bombastisch angehaucht und mit dem Chor und den orchestralen Tönen findet man sich irgendwo zwischen Kirche, Oper und Dancefloor wieder.

„Lebe Deinen Traum“ ist ein Song, der zum Nachdenken anregt, und der mit seinen langsameren Rhythmen den reifen Touch vermittelt, den dieses Album bei vielen Songs zeigt. Detto bei „Waste My Time“, das sich auch darum dreht, dass das Leben zu kurz ist, um den Fokus darauf zu legen, es anderen Recht zu machen. Man muss sein eigenes Leben leben und nicht die Zeit, die man hat, vergeuden.

Der Titeltrack „Leitbild“ zeigt eine starke Industrial-Electro-Kombination, und spielt erneut mit der Thematik, das eigene Leben und den eigenen Glauben zu leben, also das eigene Leitbild zu erzeugen. Die Messages, die BLUTENGEL mit diesem Album rüber lassen, sind sehr konkret und wecken auf bzw. gehen davon aus, dass auch die Fans reifer geworden sind und sich in anderen Lebenssituationen befinden. Das im typischen Electro-Pop-Goth-BLUTENGEL-Stil geschriebene „Unser Weg“ nimmt einen sowohl beim Rhythmus als auch bei den Lyrics mit, die wie jene der Vorgänger-Songs einen klaren Standpunkt festlegen. Zu dieser Beschreibung und vor allem zu den Songs, die mit Glauben im weitesten Sinn zu tun haben, passen auch noch „Gott : Glaube“, „Alle Wunden“ und das düstere „Der Himmel brennt“.

„Black“ bringt trotz des flotten Rhythmus eine düstere Message, die bei „Scars“ fortgesetzt wird, diesmal aber mit entsprechend dunkel-düsteren Melodien. Nahtlos reihen sich hier „Immortal“, „The Days Of Justice“ oder „Complete“ an, einerseits, weil trotz Höhen und Tiefen und Electro-Beats doch düster-dunkel, anderseits weil Englisch.

Sphärisch-schwebende, nachdenkliche, sanfte Töne umgeben das traurige „Wasting The Years“. Der emotionsgeladene Song wird von einer akustischen Gitarre begleitet, die Umsetzung des recht traurigen Textes durch das Songwriting ist sehr gut gemacht, der Orgelausklang dann fast schon nach „Zu Grabe tragen“ klingend. „The Way You Feel“ mixt zu Beginn und zwischendurch auch sphärischen Sound mit Beats, bleibt aber trotz der Club-Klänge auf der ruhigen Seite, vor allem aufgrund der längeren Sprech- bzw. gelegentlich auch nur Laut-Sequenzen, die abrupte Wechsel erzeugen.

Neben all dieser Düsternis oder dem Nachdenken über den tieferen Sinn des Lebens gibt es auch so etwas wie einen Love-Song: „Say Something“ zeugt zumindest bei den Lyrics ein bisschen von solchen Inhalten. 

Nach diesen 16 Songs ein Fazit ziehen? Schwierig. Das Album ist anders als die Werke in den Anfängen und zur Hochblüte der Band, aber es hat was – vor allem für diejenigen, die sich ebenfalls mit Fragen des Lebens rumschlagen und Bestätigung suchen, dass es seine Berechtigung hat, nicht immer das zu tun, was die Umwelt von einem verlangt, sondern dass man seinen eigenen Weg gehen muss. Die Umsetzung der Message, die sich durchs ganze Album zieht, ist schon BLUTENGEL-typisch, aber gemächlicher als früher.

 

Die Bonus-CD

Unter den zehn Songs der Bonus-CD findet man eine breites Arrangement. Es sind ein paar neue Songs dabei, ein paar überarbeitete Stücke aus früheren Zeiten und alternative Bearbeitungen von Songs dieses neuen Albums. Die Protagonisten sind nicht nur BLUTENGEL selbst, sondern auch die Nebenprojekte, wie z.B. PSEUDOKRUPP oder OST+FRONT.

Generell wird der Stil, den man bei der regulären Album-CD eingeschlagen hat, auch bei den neuen Songs auf der Bonus-CD beibehalten. "Eternal Souls" ist ruhig, langsam und nachdenklich, "I Surround You" düster, mit sich steigernden Beats und ziemlich viel Bearbeitung, auch bei den Vocals. "One Last Time" wird nur von Ulrike gesungen und könnte mit seiner fließenden, ruhigen, schönen, zarten Art und den eher symphonischen Klängen auch in anderen Genres seinen Platz finden.

Mit "Killing Memories" dann wieder Beats sowie Höhen und Tiefen, die eines Chris würdig sind, aber auch nur wenige Pop-Klänge und mehr Nachdenklichkeit und dezente Zurückhaltung beim Songwriting. Erst "The Plague" knüpft wieder am Pop-Electro-Gothic-Beat an.

Die Überarbeitungen von Songs wie "Eternal Souls", "Leitbild" oder "Waste My Time" hüllt diese in ein neues Kleid und bietet die Möglichkeit, die gleichen Stücke aufgrund der unterschiedlichen Rhythmen und Stile je nach Bedarf bei Stimmungsschwankungen anzuhören. Und der Blick über den Tellerrand zu anderen Genres oder der Nicht-Einsatz von Electro-Beats wird sicher auch dem ein oder anderen Gothic-Fan zusagen: die symphonische Version von "Der Himmel brennt" und die akustische Version von "Wasting The Years" sind nämlich garantiert nicht von schlechten Eltern.



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Lady Cat (18.02.2017)

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