GOTTHARD - Silver

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VÖ: 13.01.2017
Bandinfo: GOTTHARD
Genre: Hard Rock
Label: G-Records
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Lineup  |  Trackliste

Das zehnte Album mit dem passenden Jubiläumstitel „Silver“ gibt es zum 25-Jahre-Jubiläum der Schweizer Hard Rock Institution GOTTHARD. Ob da nun GOTTHARD drin ist, wo GOTTHARD drauf steht? Gibt es Veränderungen nach 25 Jahren? Ist „Silver“ eine Weiterverfolgung des Weges, den sie mit „Firebirth“ oder „Bang!“ eingeschlagen haben oder birgt das neue Album etwas Neues, etwas Anderes? Als Fan fragt man sich umgehend, was nun auf einen zukommt.

Wie auch schon bei den letzten Alben ist man zuerst mal überrascht, wenn nicht sogar im aktuellen Fall überrumpelt, wenn man die 13 Nummern von Vorn bis Hinten durch hört. Wir haben es nämlich weder mit „Need To Believe“ Nr. 2 noch mit „Firebirth“ Nr. 2 zu tun, sondern wir lauschen einem Streifzug durch mehrere Jahrzehnte Band- bzw. Musikgeschichte, mit einem Faible für die Anfänge. Es klingt, als hätte die Band ihre persönlichen Jugenderinnerungen, die Anfangszeit der Band und die letzten Jahre genommen, alles in einen Topf geworfen, gut durchgerührt, ihre härteren Zeiten vor allem als Gewürzsackerl verwendet, welches dann wieder aus dem Sud entfernt wird, sodass ein gut gemachtes, aber doch ein wenig zahnloses Album übrig geblieben ist. Wie üblich haben wir typische GOTTHARD-Gitarren, Bass, Schlagzeug und Vocals, aber im Vergleich zu früher einen viel höheren bzw. deutlicher hörbaren Anteil an Tasteninstrumenten oder symphonischen Einsätzen. Aber der Reihe nach…

Schon mit den ersten beiden Songs „Silver River“ und „Electrified“ bekommen wir eine Stimmung nach dem Motto „Back to the 70s“ geliefert. Rasch zieht man einen Vergleich zu Bands wie WHITESNAKE, die sich ebenfalls die Dualität aus 60er/70er Stil und Moderne auf ihre Fahnen geheftet haben. Es ist natürlich die GOTTHARD Handschrift rauszuhören, aber gleichzeitig klingt es, als würden sie sich ein paar Jahrzehnte früher orientieren, als Keyboardklänge wie die von Jon Lord die Rockalben dominierten, weil genau solche Keyboardeinlagen auch bei diesen beiden Songs zu hören sind. Später kommt dann noch „Everything Inside“ dazu. Die Vocals bzw. Backings Vocals klingen traditionell wie in den frühen Rock-Jahren, die Riffs und Soli zeigen von Fingerspitzengefühl und Können.

„Stay With Me“ ist ein GOTTHARD-typischer Song, mit ihrem speziellen Songwriting und den klassischen Wechseln zwischen soften und rhythmischen Parts, es fehlt mir jedoch ein wenig die Intensität der Hingabe, wie sie früher da war.

„Beautiful“ klingt nett, und ist eine Mischung aus Mainstream Rock, den man sonst auch bei BON JOVI findet, und Melodic Rock. Das ist aber keine Eintagsfliege. Auch „Reason For This“ lässt an die Softrocker denken. Man geht kein Risiko ein, wenn man solche Stücke schreibt. Die Pianoklänge und Backing Vocals machen alles nett und glatt und siedeln die Nummer irgendwo zwischen rockiger Ballade und gemütlichem Rocksong an. Klingt natürlich sehr breitentauglich, ist jedoch im Endeffekt ziemlich unspektakulär.

Eine richtige Ballade, akustisch gespielt und dann mit Strichern akzentuiert, ist das schön gesungene „Not Fooling Anyone“. Einen Kontrapunkt dazu setzt der nächste Song „Miss Me“. Der kommt aus einer ganz anderen Gegend, ein wenig lateinamerikanisch angehaucht. Mit dem umfangreichen Einsatz von Percussion und dem lasziven südländischen Rhythmus finde ich ihn ziemlich untypisch für die Schweizer. Im Endeffekt ist die Mischung aus Ballade, etwas Rumba, etwas Blues und Rock sehr interessant geworden.

Ein Highlight des Albums wird für Einige sicher das an der Klassik (Beethovens Fünfter) orientierte Stück „Tequila Sunrise No.5“ sein: sehr rockig und im Stil der fetzig-knackigen GOTTHARD Nummern, die ich bis jetzt vermisst habe. Auch wenn erneut viel Keyboard im Einsatz ist, ist das hier harmonisch abgestimmt und unterstützt den Song in Richtung Rock. Die Anlehnung an Beethovens Werk fand ich zwar anfangs ein wenig seltsam, aber nach mehrmaligem Hören recht gelungen.

Das langsame Tempo und die gedehnte Singweise bei „Why“ überzeugen mich nicht. Der Song zieht sich ganz schön dahin. Das danach folgende „Only Love Is Real“ bringt zum Glück etwas mehr Abwechslung durch ein paar nette Chorus-Parts und Melodiewechsel, aber irgendwie bleibt es eintönig, obwohl sich die orchestralen Passagen und der große Chor ordentlich Mühe geben.

Rockiger die vorletzte Nummer „My Oh My“, aber der Mega-Ohrwurm kommt auch nicht, dafür dürfen wir uns wieder über die GOTTHARD Gangart der letzten Jahre freuen.

Die ersten Takte des letzten Songs „Blame On Me“ lassen mich unversehens an STATUS QUO denken. Auch die diversen Passagen zwischendurch, mit dem ursprünglichen Rock’n’Roll Rhythmus, zeigen eine weitere Spielwiese der Schweizer. Live kommt der Song sicher, da er mit fetzigen Riffs und glühender Mundharmonika aufgepeppt ist. [Anm. d. Lekt.: Hoffentlich hat sich niemand verbrannt!]

Welchen Eindruck hat nun das neue Album hinterlassen? Ein Feeling nach „quer durch den Gemüsegarten“, weil bei den 13 Songs auf „Silver“ alles Mögliche dabei ist. Es handelt sich um eine gute Produktion und eine Qualitäts-Scheibe, aber kein Aha-Erlebnis und kein Song, der Einen aus den Socken haut. Für mich, der ich ein Fan der knackigeren und fetzigen GOTTHARD-Stücke bin, ein klein wenig eine Enttäuschung, weil eben der überwiegende Teil Melodic Rock oder balladenhaft ruhig ist, und sich „nur“ gemütlich anhören lässt, ohne mich zum Mitwippen/rocken zu veranlassen.



Bewertung: 3.0 / 5.0
Autor: Lady Cat (16.01.2017)

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