DISHARMONIC ORCHESTRA - Fear Of Angst

Artikel-Bild
VÖ: 16.12.2016
Bandinfo: DISHARMONIC ORCHESTRA
Genre: Progressive Death Metal
Label: Eigenproduktion
Hören & Kaufen: Amazon | Webshop
Lineup  |  Trackliste

„Fear Of Angst“ wird von der Metal-Welt seit geraumer Zeit sabbernden Maules erwartet, dementsprechend hoch sind hier natürlich auch die Erwartungshaltungen. Das war der immer schon eigenwilligen Band aus Klagenfurt aber im Prinzip wurscht,  denn sich selber Druck machen geht in solch einer Situation erstens gar nicht und zweitens eh nur in die Hose. Dass DISHARMONIC ORCHESTRA (oder besser: deren Fans) den lang ersehnten „Ahead“-Nachfolger mit einer Kickstart-Kampagne binnen kurzer Zeit finanziert haben, mag unter einigen Followern Verwirrung oder auch Diskussionen ausgelöst haben, war aber insgesamt ein sehr schlauer Schachzug: nur so konnte man sich die größtmögliche Unabhängigkeit in Sachen Kunst, Promotion und Copyrights sichern. Der Big Spender wird dafür mit opulenten Vinyl/CD-Packages  belohnt, und seine Geduld mit dem etwas verzögerten Erscheinen Mitte Dezember endlich nicht mehr allzu sehr strapaziert.

Und bereits nach den ersten Takten des Openers „Fear Of Angst“ weiß man dann: alles ist gut, kein Grund zur Panik, alles easy cheesy - D.O. haben sich nirgends angebiedert, keine 180-Grad-Wende vollzogen und ziehen ihr Ding auch im Jahre 2016 stoisch-kärntnerisch durch. Man fühlt  sich ob der groovenden Harmonien, die so typisch für die Band sind, sogar fast in „Pleasuredome“-Zeiten zurückgebeamt. Patricks brutales, aber niemals zu derbes Organ kommt  beim etwas vertrackten „Flushing The Primary“ deutlich zum Tragen, der durchaus melodische Song mit den markanten Basslines von „Neuzugang“ Hoimar Wotawa im Hintergrund balanciert zwischen Genie und Wahnsinn, die unverkennbaren, stets progressiven Taktungen von Martin Messner tun ihr übriges. Wer sich aber jetzt zurücklehnt und denkt, er könne sich gemütlich einen Kaffee hineinzwitschern, irrt. „Innamorato“ beschleunigt vom Stand weg auf Hundert in weniger als zwei Sekunden auf ein Doublebass/Stakkatoriff-Wettrennen, das nicht nur einmal an die Kollegen von PUNGENT STENCH erinnert und deutlich macht, dass man auch Mitte Vierzig noch locker in der oberen Härteliga mitspielen kann.

Weiter geht’s im Hoppelgalopp: „Aura“ lässt keine Verschnaufpause zu, im Gegenteil. Hier werden die musikalischen Daumenschrauben sogar noch angezogen und auch das Tempo kokettiert fast mit Punk- und Grindcore-Vibes bei diesem wahrscheinlich härtesten, aber mit unter drei Minuten auch kürzesten Track der Platte. „Protone Radius“ geht dann deutlich vom Gas, zeigt deutlich den einfachen, aber effektiven Schmäh der Band, kompliziert klingende Songs zu schreiben, die gleichzeitig sofort im Ohr bleiben. Spannend vor allem die VOIVOD-Querverweise, die sich hier im Mittelteil – vielleicht auch unbewusst? – entfalten. Der Groove ist wieder da und bleibt auch beim live schon des Öfteren strapazierten „The Venus Between Us“, dessen Text übrigens ein Paradebeispiel typisch Klopf’scher Humortradition ist. Auch hier fühlt man sich ein wenig an „Pleasuredome“ erinnert - oder es ist einfach so, dass D.O. ihren Wiedererkennungswert bereits in den Neunzigern definieren konnten. Martin beweist hier übrigens wieder mal seine Ausnahmestellung unter den Metal-Drummern: der Mann spielt dir alles, Funk, Grind, Death, Jazz - Nicht von dieser Welt.

„The Rascal In Me“ ist dann der längste Track der Scheibe und geht irgendwie im Vibe des Vorgängers weiter: man braucht nicht unbedingt High Speed oder 17 Gitarrenspuren übereinander, um brutal progressiv und fett aggressiv zu klingen, nein. Es reicht ein intelligent arrangierter Song wie dieser hier, der noch dazu mit einem IRON MAIDEN-Gedächtnisriff im Mittelteil glänzt und für mich trotz der vielen Höhepunkte hier der beste Track ist. Knapp vor Schluss zieht „Flambition“ noch mal Tempo-mäßig außen vorbei, jedoch nicht ohne die typisch groovigen Einschnitte auf halbem Tempo – DISHARMONIC ORCHESTRA in Höchstform, der Body wippt, der Head bangt zu den meist ungeraden Rhythmen wie selbstverständlich, und man murmelt nach kurzer Zeit bereits diese mysteriös dröhnenden „Oh Oh Oh Oh“-Gesänge mit. Bevor es dann wieder „Down To Earth“ geht, flackert noch mal kurz der disharmonische Genius auf: der größtenteils im Downtempo vorgetragene Rauskicker ist trotz einfachen Aufbaus bei weitem kein Nullachtfuffzehn-Song, verwöhnt uns nochmal mit den so typischen Gitarren/Bass-Harmoniespielchen und beendet die Platte so unvermittelt wie sie begonnen hat. Man setzt uns behutsam dort ab, wo Grillen zirpen und ein Greifvogel schreit. Oh schau mal, eine Repeat-Taste!

Mit knapp 40 Minuten Spielzeit ist „Fear Of Angst“ ein wenig kurz, werden viele sagen. Aber immerhin schaffen es DISHARMONIC ORCHESTRA fast lückenlos, an das vierzehn Jahre alte „Ahead“ anzuknüpfen und sogar noch frischer und unverbrauchter zu klingen als im ersten Teil ihrer Karriere. Somit war die lange Pause wohl notwendig, damit diese geniale Combo den Test der Zeit zu bestehen vermag und ihre Batterien wieder auffüllen kann. Enttäuscht wird hier letztendlich wohl niemand. „Fear Of Angst“ (mit gelungenem Artwork des Chilenen Alvaro Tapia Hidalgo) vereint solides Metal-Handwerk, geniales Songwriting und dieses urtypische, unkonventionelle D.O.-Flair nach der Devise „weniger ist mehr“, und kommt noch dazu ohne Füllmaterial aus. Ob das Teil nun eher Fortsetzung oder Wiederauferstehung ist, sei dabei auch herzlich egal - Hauptsache die Jungs sind diesmal gekommen, um zu bleiben.

 

Lest dazu auch unser Interview mit der Band! 

 



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Mike Seidinger (14.12.2016)

WERBUNG: Hard
ANZEIGE
ANZEIGE