Nocte Obducta - Mogontiacum (Nachdem die Nacht herabgesunken ...)

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VÖ: 08.07.2016
Bandinfo: NOCTE OBDUCTA
Genre: Avantgarde Metal
Label: MDD
Lineup  |  Trackliste

Auf die Gefahr hin, dass ich mich durch die folgende Rezension nun ein wenig unbeliebt mache, greife ich direkt mal vor: Ich liebe NOCTE OBDUCTA. Ja, neben EIS und LUNAR AURORA sind die Mainzer höchstwahrscheinlich eine meiner drei favorisierten deutschen Black-Metal-Bands überhaupt, was nicht zuletzt am herausragenden "Nektar"-Doppel und dem alles überragenden "Lethe - Gottverreckte Finsternis" liegt, die immer noch kein bisschen an ihrem eigenwilligen Charme eingebüßt haben und wohl in jede gutsortierte Schwarzmetall-Sammlung gehören - wenn man denn die Chance hatte, die unlängst rar gewordenen Exemplare einzusacken. Sprechen wir vom Hier und Jetzt, sind die Jungs mit den beiden letzten Veröffentlichungen seit der Re-Union musikalisch aber irgendwie schal, größtenteils sogar verzichtbar geworden. Und auch wenn man "Mogontiacum (Nachdem die Nacht herabgesunken...)" mit Hinweisen auf einen Back-To-The-Roots-Stempel angekündigt hat, kann das Sextett seine Formkurve leider auch heuer nicht wirklich nach oben schrauben.

Das liegt für mich, wie schon auf "Umbriel (Das Schweigen zwischen den Sternen)", gar nicht so sehr an der musikalischen Ausrichtung, sondern vielmehr daran, dass NOCTE OBDUCTA ihren längeren Stücken nicht mehr das Leben einhauchen können, das beispielsweise "Und Pan spielt die Flöte (Desîhras Tagebuch - Kapitel II)" oder auch "Honig der Finsternis / Phiala Vini Blasphemiae" innewohnte und bereits dem neunminütigen, instrumentalen Prolog "Am Ende des Sommers", der trotz einiger guter Melodien nur mühsam die Uhr runterspielen kann, völlig abgeht. Für den Einstieg eines Albums kann das pures Gift sein, aber immerhin macht das psychedelisch-rockige "Glückliche Kinder" da schon einiges besser und zeigt vor allem auch im ruhigeren Mittelpart, was die Gruppe einst stark machte.

Eine weitere starke Seite von NOCTE OBDUCTA, das nahtlose Verknüpfen von unterschiedlichsten Stilen, kommt im seichten "Ein Ouzo auf den Nordwind", dem fast schon crust-punkigen "Löschkommando Walpurgisnacht" und in "Die Pfähler", das Reminiszenzen der "Schwarzmetall (Ein Primitives Zwischenspiel)" enthält, zum Tragen, wobei letztere beiden Stücke auch ein weiteres Indiz dafür sind, dass man insgesamt wieder metallischer komponiert hat. Das kann allerdings auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass man auf dem nunmehr zehnten Album der Diskografie auch einiges an Füllmaterial ("Lethe, Stein und See - Teil I & II"; "Am Waldrand") untergebracht hat, das einerseits mit finsterem Klavierspiel sowie post-metallischem Ruhepol und andererseits mit schwarzmetallischem Gerumpel den Verlauf fortspinnen soll, dabei aber nur semi-erfolgreich ist.

Diese Schwankungen fasst dann auch der relativ zentral platzierte 19-Minüter "Desîhra Mogontiacum" beispielhaft zusammen, bei dem der gewohnt wirre Stilmix aus Psychedelic Rock, Avantgarde, Black Metal  und Post Metal nur teilweise gedeiht und, wie schon oben erwähnt, einfach keinen richtigen Spannungsbogen aufbauen kann, der über die volle Spielzeit hinweg mitreißen kann. Die Versatzstücke aus "Nektar"-Zeiten sind hier zwar besonders positiv hervorzuheben, können den ambivalenten Gesamteindruck des Albums aber ebenso wenig wie das beendende "Im Dunst am ewigen Grab der Sonne" korrigieren.

So bleibt "Mogontiacum (Nachdem die Nacht herabgesunken...)" meiner Einschätzung nach eines der, wenn nicht das NOCTE-OBDUCTA-Album, das es mir bei der Bewertung (die Rezension sollte eigentlich schon viel früher fertig werden) bisher am schwersten gemacht hat. Ich beschäftige mich mittlerweile wahnsinnig viel mit Musik und so hatte auch dieses Werk unzählige Chancen, aber manchmal gilt es auch bei allem Bei Band-XY-muss-doch-Qualität-abgeliefert-haben-Gehabe einfach mal zu akzeptieren, dass es für einen persönlich auch anspruchsvollere Alben gibt, deren Growerpotenzial nicht zwingend zum Erfolg führen muss. "Mogontiacum (Nachdem die Nacht herabgesunken...)" ist also alles andere als ein schlechtes Album und wird zu 1000% seine zurecht begeisterte Abnehmerschaft finden, bleibt mir persönlich aber trotz der vielen interessanten Experimente und unabhängig von den musikalischen Abzweigungen oftmals zu langatmig-gestreckt und kann mich daher einfach nur mäßig überzeugen. Des einen Freud ist eben des anderen Leid. Kann passieren.



Bewertung: 2.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (22.07.2016)

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