Whitechapel - Mark Of The Blade

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VÖ: 24.06.2016
Bandinfo: WHITECHAPEL
Genre: Death Metal
Label: Metal Blade Records
Lineup  |  Trackliste

Beginnen wir mit einigen aufrichtigen Worten meinerseits: Ich habe mich geirrt, also Schande über mein Haupt. Als 2014 "Our Endless War" von WHITECHAPEL erschien, war ich ziemlich enttäuscht und zückte nach einigen Durchgängen eine Wertung, die ich heute vermutlich um einen ganzen Punkt anheben würde, da sich das Album über einen ausgedehnten Zeitraum hinweg doch noch zu einem gutklassigen Deathcore-Ableger entwickeln konnte. Da mir es im Musikbereich aber extrem selten passiert, dass ich im Nachhinein revidieren muss, bitte ich hiermit um Gnade, denn das kann den Besten passieren - und natürlich mir. Immerhin hat mich diese Gegebenheit für das neue "Mark Of The Blade" geprägt und so erhielt es trotz der anfänglichen Schnarchresonanz viele Chancen, die es letztenendes auch nutzen konnte.

Abgesehen von der Wertung bleiben die "Kritikpunkte" von vor zwei Jahren aber dennoch bestehen - wenn auch nur in stark abgeschwächter Form. Den mit "Our Endless War" eingeschlagenen Weg setzen Phil Bozeman und das prägende Gitarren-Dreigespann nämlich erbarmungslos fort, treten die Tür für die damals schon vorhandenen SLIPKNOT- bzw. dezente Nu-Metal-Einflüsse (besonders auffällig in "A Killing Industry") ernaut auf und üben sich nebenbei auch in deutlich vereinfachteren Strukturen, was nicht jedem WHITECHAPEL-Fan gefallen muss und wird - definitiv. Davon bleibt schon der Prolog "The Void" nicht unverschont, wandelt stet im Midtempo-Bereich und lässt nur selten die typischen Tempoverschärfungen aufblitzen, die die Band vor allem auf ihrem Selftitled-Album und "A New Era Of Corruption" vollendet und von der ansonsten eher lauen Deathcore-Szene abgehoben haben. Dafür merkt man hier und im Namensgeber "Mark Of The Blade" sofort, dass man stattdessen auf prägnante, aber dennoch kompromisslose Refrains setzt, zu denen ein Phil Bozeman mit seinem nichtsdestotrotz brutalen Organ imstande ist - ein absolutes Alleinstellungsmerkmal.

In "Bring Me Home" und insbesondere auch "Decennium" treibt er das auf die Spitze und versucht sich an etwas, dessen Ankündigung im Vorfeld des Releases schon hohe Wellen zu schlagen vermochte: Klargesang. Als ich das Ergebnis zum ersten Mal hörte, war ich mir ziemlich rasch sicher, dass das genau das ist, was WHITECHAPEL gebraucht haben, um nicht zur Selbstkopie zu mutieren, denn genau diese Experimentierfreude des Frontmannes animiert auch die restlichen Mitglieder, aus dem festgezurrten Muster auszubrechen und etwas Neuartiges auf die Beine zu stellen, das trotzdem unverkennbar nach WHITECHAPEL klingt. Während erstgenanntes Stück nämlich auf höchst atmosphärische, bedacht-melodische Gitarrenleads und gelegentliche Ausbrüche setzt, nimmt der Abschlusstrack mit eingestreuten Akustikgitarren, eingängigen Hooks und knüppelharten Headbang-Passagen gar epische Ausmaße an, die Abwechslung in das Soundgemenge der Knoxville-Truppe spülen.

Zusammen mit Groovewalzen wie "Elitist Ones" und "Tremors", dem sehr MESHUGGAH-ähnlichen "Tormented" und dem vertrackt-schnellen "Venomous" führt das dazu, dass wir hier das bislang variantenreichste Album von WHITECHAPEL vorliegen haben, bei dem zwar nicht alles sitzt (auf das zu lang geratene Instrumental "Brootherhood" könnte man beispielsweise gut verzichten), im Umkehrschluss aber eine gelungene Entwicklung zu registrieren ist. Die Zuwendung zu simpleren Schemata und die erhöhte Konzentration auf signifikante Refrains werden wohl nicht jedermanns Geschmack sein, sind meiner Ansicht nach aber trotz der desöfteren zu vermissenden Uptempoanfälle genau das Maß an Fortschritt, das das Sextett gebraucht hat, um weiterhin einzigartig, vor allem aber auch relevant zu bleiben. Während sich andere Bands darauf konzentrieren, mit ihren Gitarren in immer tiefere Tonlagen und immer beliebigerere Gefilde vorzudringen, haben WHITECHAPEL an ihrem Stil gefeilt und neue Einflüsse zugelassen. Damit ist "Mark Of The Blade" nicht nur ein Stückchen besser als sein Vorgänger, sondern auch ein verheißungsvoller Beginn des brutalen Sommers, der uns mit den wiedervereinten DESPISED ICON und den ebenfalls experimentierenden CARNIFEX bevorsteht. Reviews dazu folgen bald.



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Pascal Staub (23.06.2016)

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