DARKESTRAH - Turan

Artikel-Bild
VÖ: 29.04.2016
Bandinfo: DARKESTRAH
Genre: Black Metal
Label: Osmose Productions
Lineup  |  Trackliste

Rezensionen sind in vielerlei Hinsicht wirklich eine schöne Angelegenheit und wenn wir dieses Thema an dieser Stelle schon aufrollen, möchte ich direkt mal mit dem Mythos aufräumen, man mache das rein aus der Gier nach Promomaterial (von größeren Acts) weit vor dem eigentlichen Release eines Albums. Sicherlich ist das einer der vielfältigen Beweggründe, diesen Job zu machen, aber in meinen nunmehr sechs Jahren, in denen ich nun "im Game bin", kristallisierten sich mehr und mehr andere Vorzüge heraus, die man von außen vielleicht nicht so abschätzen kann. Um ein aktuelles Beispiel rauszupicken, werfe ich einfach mal den Namen DARKESTRAH in den Raum und richte die Frage an die Leserschaft, wer denn die Herrschaften aus Kirgisistan (die mittlerweile in Deutschland leben) schon so kennt?

Seht ihr, das ist der Punkt: Man kann sich wahrlos an einem immensen Pool an weitestgehend unbeschriebenen Künstlern laben, mit denen man auf normalem Wege vielleicht gar nicht in Berührung kommen würde, in ihre Geschichte eintauchen und sich wie im Falle der zentralasiatischen Schwarzmetaller auch noch weiterbilden, weil sie u.A. ihre in unseren Breitengraden nahezu gänzlich unbekannte Folklore thematisieren und auch instrumental ausleben. Das wiederum führt gleichzeitig auch zu einem einzigartigen wie auch neuartigen Sounderlebnis, das frei von jeglicher Stümperei ist, dadurch nicht auf den Exotenbonus pochen muss und von dem man in Westeuropa größtenteils nur träumen kann.

Seit 1999 gibt es die Formation, die auf dem neuen Album "Turan" im Vergleich zum Vorgänger "Manas" einen Besetzungwechsel und zwei -erweiterungen verzeichnet und auf ihrem mittlerweile sechsten Output in eine Mythologie einsteigt, die erfrischenderweise nichts mit Wikingern, Sachsen und sonstigen uns bekannten Stereotypen zu tun hat, sondern schamanistisch, orientalisch und ritualistisch anmutet. Das schlägt sich gleichzeitig auch im Soundbild nieder, das grundsätzlich auf Black Metal alter Schule aufbaut und durch verschiedenste Klangeinflüsse expandiert wird. Zunächst stapft man in "One With The Grey Spirit" durch den Schnee, registriert allerlei bedrohliches Federgetier in der Ferne und lässt den kalten Wind in's Gesicht blasen, ehe fremdartige Percussion und Sprechgesänge die Atmosphäre verdichten. Gerade in diesem Bereich habe ich wirklich schon gefühlte hunderttausend schlechtere Intros gehört und "zu allem Überfluss" knüpfen DARKESTRAH infolgedessen auch noch an diesem stimmigen Prolog an, indem die Schlagzeug- und Gitarrenarbeit nicht urplötzlich über einen hinwegfegt, sondern sich ruhig aufbaut und auch im weiteren Verlauf eher auf traditionelles, harmonisches DRUDKH-Riffing mit Keyboard- und Streicherunterstützung als auf deplatziertes Geböller setzt. Wenn man sich in diesem Zusammenhang auch mit den Frühwerken der Band auseinandersetzt, merkt man rasch, wie sehr sich die Hauptsongwriter Resurgemus und Asbath über die Jahre weiterentwickelt und ihre songschreiberischen Fähigkeiten ausgebaut haben. Da wundert es nicht, dass von der Spielzeit her ähnlich gelagerte Stücke wie "Conversations Of The Seer" oder das beschließende "The Hidden Light" größtenteils ohne zähe Passagen fliessen und einen gleichzeitig mit sphärischen Gänsehautmomenten für sich vereinnahmen können.

Im Gegenzug etwas schade ist es allerdings, dass es DARKESTRAH in den ruppigeren Abschnitten eines "Erlik-Khan" oder auch "Gleaming Madness" ein bisschen an Inspiration fehlt, man sich dadurch nach den jeweils gelungenen Intros mitsamt kirgisischer Folkuntermalung zuweilen auf verlorenem Posten befindet und die ansonsten tadellose Immersion nicht ganz aufrecht erhalten kann. Dafür verliert sich das Trio aber auch nicht allzu häufig in solchen Situationen, weswegen "Turan" seine erhabene Aura weitestgehend mühelos stemmen kann und mit "Bird Of Prey" kurz vor dem Ende noch die ein oder andere Erinnerung von sich einbrennen kann.

Was lässt sich also für ein Urteil fällen? Ein richtig gutes. DARKESTRAH sind mal wieder eines der besten Beispiele dafür, wie sehr sich eine Band verbessern kann, wenn sie ernsthaft versucht, an den eigenen Möglichkeiten zu feilen. Auf diese Weise haben sich die drei Herren über die Jahre nicht nur vernünftigere Produktionsmöglichkeiten angeeignet, sondern eben auch an ihrem Songwriting gearbeitet und mit "Turan" ihr bis dato vermutlich bestes Album veröffentlicht, bei dem auch der Sängerwechsel durch und durch geglückt ist und man sich einen Mann hinter das Mikro geholt hat, der die zum Teil großartigen, häufig aber mindestens guten Soundlandschaften nicht ruiniert. Schafft man es in Zukunft noch, die ein oder andere Kleinigkeit auszumerzen, könnten es DARKESTRAH im episch-atmosphärischen Black-Metal-Gefilde sehr weit bringen (an Eigenständigkeit, Einstellung und Talent mangelt es nicht), aber auch so ist "Turan" durchaus empfehlenswert für Fans dieser Spielart, vor allem aber auch für all jene, die keinen Reiz mehr in der ständigen Segelei mit irgendwelchen Drachenboten, tumben Saufgelagen in Walhalla oder belangloser Baumschmuserei sehen.

Kleine Randnotiz zum Schluss: Warum packt das Label eigentlich die Presseinfos zum Vorgänger "Manas" in's Promopaketchen, mag mir das jemand verklickern, bitte? Naja, Schwamm drüber :P



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (30.05.2016)

WERBUNG: Hard
ANZEIGE
ANZEIGE