Architects - All Our Gods Have Abandoned Us

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VÖ: 27.05.2016
Bandinfo: ARCHITECTS
Genre: Hardcore
Label: Epitaph Records
Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Darf ich vorstellen? Die für mich beste Metalcore-Formation unseres Sonnensystems: ARCHITECTS. Nach zwei Jahren und ein paar Zerquetschten erscheinen die Briten durch "All Our Gods Have Abandoned Us" wieder mit einer neuen Scheibe und genau damit prasselt ein dermaßen wütendes und emotionales Gewitter auf den Hörer ein, bei dem man mehr und mehr Zeuge davon wird, wie intensiv die Herren Searle, Sänger Sam Carter sowie Alex Dean (Bass) und Adam Christianson (Gitarre) ihren steigenden Bekanntheitsgrad löblicherweise dazu nutzen, im harten Musiksektor eine Gegenbewegung zu diversen Missständen auf dieser Welt salonfähig zu machen und ihre Hörerschaft aufzurütteln, ihnen eine bedeutsame Botschaft an die Hand zu geben. Ohne Extremismus, Plattitüden-Populismus oder gar Durchhalteparolen.

Was diesbezüglich unmöglich schien, ist auf "All Our Gods Have Abandoned Us" zu meiner Überraschung trotzdem eingetreten: ARCHITECTS klingen noch angepisster als noch vor zwei Jahren auf "Lost Forever // Lost Together" und kopieren das überragende Vorgängerwerk nicht einfach, sondern verleihen ihrem polyrhythmischen Grundgerüst und den äußerst ernsten Themen noch mehr Emotionen und eine noch düstere, apokalyptischere Atmosphäre als man es je für möglich halten hätte können. Dem Quintett wurde wie auch dem Rest der Welt jeglicher Götter Gunst entzogen und frei von jener walzen einen auch schon im Opener "Nihilist" die ungewohnt geradlinigen Riffattacken nieder, welche alleine schon als Indikator dafür zu registrieren sind, dass in der folgenden Dreiviertel-Stunde wieder eine furiose Abrechnung mit der globalen Ignoranz unsereins folgen werden wird.

Aber wo genau nehmen die fünf Briten und vor allem auch Sam Carter als Sprachrohr der Band diese schier endlose Wut, die sie in die abermals insgesamt elf Songs ummodellieren, überhaupt her? Dazu reicht eigentlich schon der Funke Aufmerksamkeit, den man den Texten dringend zuwenden sollte. Abgesehen von ihrer Abneigung gegen Fremdenhass, Engstirnigkeit und Egoismus ("Phantom Fear"; aktueller als einem lieb ist), der bekannten Herzensangelenheit, also dem Kampf gegen den Raubbau an unserer Natur und Umwelt, enorm bissiger Gesellschafts-, Industrialisierungs- und Politkritik  ("Downfall"; "From The Wilderness") schürfen ARCHITECTS beispielsweise in "Gone With The Wind" auch sehr persönliche Themen wie Depressionen auf und sorgen nicht nur in diesem Fall mit tiefemotionalen Leadmelodien, kalten, abstoßenden Keyboard-Sphären und einer diesem Rahmen angemessenen Lyrik für intensive Gänsehautmomente. An diesem Wechselspiel finden die Jungs infolgedessen noch desöfteren ihren Gefallen, wenn zum Beispiel "The Empty Hourglass" die für die Menschheit immer dünner werdende Luft heraufbeschwört oder "Gravity" einem das Gefühl vermittelt, sich ohne jeglichen Hoffnungsschimmer in einem unendlichen schwarzen Ozean verloren zu haben.

Genau diese beeindruckenden Momente sind es übrigens auch, die mich vergessen lassen, dass ARCHITECTS gar nicht so viel an ihrer erfolgreichen Formel novelliert haben, aber das ist gleichzeitig auch der Kniff, der den Briten glückt: "All Of Our Gods Have Abandoned Us" ist so erhaben und weitestgehend perfektioniert, so detailverliebt gegossen und expressiv intoniert, dass die wenigen, aber stets sinnvollen Neuerungen und Korrekturen völlig ausreichen, um ein Jahreshighlight aus dem Boden zu stampfen. Nichts kann die Leidenschaft dieses heftig groovenden "A Match Made In Heaven" bremsen und schon gar nichts den krönenden Abschluss "Memento Mori", welcher in seinen Lyrics und der vielseitigen den Frieden anstrebt, den es womöglich niemals geben wird, was dadurch, dass ARCHITECTS hierfür alle musikalischen Register ziehen und mittels beklemmender Samples, wabernder Synthies und bedrohlicher, wie der Tod langsam schleichender Gitarrenarbeit einen achtminütigen Brocken zum Finale ernennen, ausdrucksstark untermauert wird. Einer, wenn nicht DER beste Song von ARCHITECTS.

An diesem mitreißenden Weg lassen einen ARCHITECTS stets teilhaben, sperren den Hörer nicht aus, sondern stoßen ihn in einen Sog namens "All Our Gods Have Abandoned Us", der von Durchgang zu Durchgang schlüssiger wird. Heißt übersetzt: Ich habe hier vielleicht ein nicht ganz so eingängiges, dafür aber das bisher ganzheitlichste (für manch anderen vermeintlich sogar eintönigste) Album der Briten vorliegen, das in menschlichen Abgründen wühlt und einen glaubwürdigen Eindruck in das Innenleben (verinnerlicht nur mal "Deathwish") des Quintetts preisgibt, den man auf musikalischer Ebene kaum besser arrangieren könnte. Ja, hier und da lassen sich höchstwahrscheinlich wirklich Parallelen zu "Lost Forever // Lost Together" aufspüren und ja, für einige Personen könnte "All Our Gods Have Abandoned Us" wirklich zu eindimensional sein. Trotzdem liegt die Güte dieses Werks in den Details, die man nicht nach einem Durchgang oder das beiläufige Hören einzelner Songs erfassen kann, in seiner verachtend-eisigen Atmosphäre, in den perfekt transportierten Gefühlsregungen und in dem pulverisierenden Härtegrad, wodurch einige andere wiederum - meine Persönlichkeit eingeschlossen - eine der größten Errungenschaften des Metalcore vorfinden werden, welche dessen Charakteristiken eigentlich schon über Meilen hinweg transzendiert.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (31.05.2016)

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