SIG:AR:TYR - Northen

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VÖ: 15.04.2016
Bandinfo: SIG:AR:TYR
Genre: Pagan Metal
Label: Hammerheart Records
Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Lange Wartezeiten für ein neues Album sind wirklich kein Problem, solange man nicht Fan von WINTERSUN ist, die mittlerweile schon ein eigenes Studio mitsamt Sauna benötigen, um angeblich das bestmöglichste Erlebnis erzielen zu können. Während die eine Fraktion gebannt auf "Timese Timocracy" von Ultraperfektionist Jari Mäenpää wartet, steckt die andere Seite lieber Hoffnungen in Projekte, die zwar mindestens genauso viel Anspruch an ihre eigene Kunst haben, für die Realisierung dieser aber längst nicht so dreist fordernd werden müssen und sich sämtliche Wasserstandsmeldungen über defekte Computer etc. einfach sparen. Das hat den Vorteil, dass die eigenen Fans nicht permanent wartend auf heißen Kohlen sitzen und sich einen baldigen Release herbeiwünschen müssen, sondern schlicht geduldig warten können. Gut, bei SIG:AR:TYR hatte man schon kleinere Zweifel, ob das kanadische Ein-Mann-Projekt überhaupt noch existiert, aber wenn dann nach sechs Jahren ein Album à la "Northen" unerwartet hereinbricht, ist man ob der gezeigten Qualität einfach umso glücklicher.

Tatsache, seit "Godsaga" sind, obwohl es einem aufgrund der Zeitlosigkeit dieses Werks nicht so erscheinen mag, wirklich schon sechs lange Jährchen vergangen. Und das, obwohl sich Daemonskald im Jahre 2012 sogar drei Mitstreiter gefischt hat, die ihm bei der Umsetzung seiner Ideen tatkräftig unterstützen sollten. Das ist Stand jetzt aber auch völlig nebensächlich, denn nun ist "Northen" ja da und entführt einen einmal mehr von Vinland nach Skandinavien, wo SIG:AR:TYR seine klanglichen Wurzeln u.A. beheimatet. Präziser formuliert handelt es sich um eine über einstündige Odysee durch das zehnte Jahrhundert und der damit verbundenen Wikingereinfälle in Kanada, die musikalisch so umgesetzt wurde, dass man das Wort "episch" eigentlich neu definieren müsste, um den neun Kompositionen gerecht werden zu können.

Dabei merkt man vor allem deutlich, dass SIG:AR:TYR der Wandel vom Alleinunterhalter-Projekt zur Teamarbeit in vielerlei Belangen richtig gut tat und noch breitflächigere Arrangements ermöglicht. Selbst einem Quorthon erging es so und im einleitendenen Achtminüter "Helluland", der ähnlich auch auf "Twilight Of The Gods" von BATHORY hätte stehen können, merkt man das auch bereits an deutlich ausgefeilteren Rhythmen und den ausgedehnten Leadpassagen, die einem einen Schauer nach dem anderen über den Rücken jagen. Die Leidenschaft für skandinavische Legenden wie IMMORTAL ("Crownless") können die Kanadier dabei ebenso wenig verstecken wie die Liebe zu akustischen Gänsehautmomenten und weitschweifigen Soli ("Runarmal"; "Skraeling"), die sicherlich zum besten gehören, was man in dieser Sparte bekommen kann.

Wie ein Hybrid aus AGALLOCH und FALKENBACH hingegen klingt "Krossanes", das mit seiner flott-galoppierenden Gangart ein wenig aus dem Kontext heraussticht, gleichzeitig aber auch davon zeugt, dass SIG:AR:TYR viele erlesene Elemente zu einer harmonierenden und eigenständigen Melange binden können, die ihre herausragendsten Momente im Titeltrack und vor allem dem abschließenden "Last Ship Sails" offenbart, das mit wehmütig-erhabenen Leadmelodien, üppigem Akustikgitarreneinsatz und einer überragenden Solo-Pointe das Potenzial entfaltet, das für mich bei diesem Projekt zwar stets vorhanden schien, bis zu "Northen" aber nie so wirklich vollständig ausgebreitet werden konnte. Insofern hat die Entwicklung zu einer vollwertigen Band also hörbar zur Verbesserung des Songwritings beigetragen.

Ein großes Manko bleibt für mich aber bis auf weiteres der zuweilen schwachbrüstige harsche Gesang von Daemonskald, der für mich einfach nicht die vollständige Verwirklichung dieses Sounds impliziert bzw. der Epik der neun Tondichtungen einfach nur selten gerecht werden kann. Trotz dessen ist "Northen" eine beeindruckende Viking-Metal-Werkschau, die ihr Ziel sowieso über die eingeflossene Passion und die detailverliebt ausgearbeiteten Arrangements erreicht und jedem Liebhaber dieser Stilrichtung wohlig in die Gehörgänge fliessen wird. SIG:AR:TYR sind also auch heuer wieder eine echte Genre-Größe, die man obgleich kleinerer Schwächen nicht missen kann/darf/will und unbedingt - sofern nicht bereits geschehen - in die heimische Sammlung aufnehmen sollte.



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Pascal Staub (15.04.2016)

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