UNRU - Als Tier Ist Der Mensch Nichts

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VÖ: 25.03.2016
Bandinfo: UNRU
Genre: Black Metal
Label: Supreme Chaos Records
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Lineup  |  Trackliste

Oder ist es ganz anders...

Grad erst gestern war es, als ich mir wieder einmal das TERRORIZER Black Metal Special durchgelesen habe. Die Anfänge waren bis auf BATHORY und CELTIC FROST und den wahnsinnigen Südamerikanern noch harmlos, spannend wurde es dann mit der zweiten Welle in Skandinavien, dem Inner Circle in Norwegen (eine Selbsthilfegruppe von manisch-depressiven Jugendlichen, die immerzu hart am Hungertod entlang schrammten und dabei meinten, die wahrhaftig böse Musik zu schreiben) und Les Légions Noires aus der Umgebung von Brest. Anfangs faszinierend in ihrer radikalen Fuck Off Attitüde und den heiseren Neuinterpretationen von BATHORYs "The Return...", später dann verstörend, als man begann, sich selbst und andere umzubringen und alles anzuzünden, was nicht aus Beton war und ganz zum Schluss beinahe lächerlich. Auch und vor allem deshalb, weil man bis heute noch immer jeden Monat eine Vielzahl an Bands und deren Veröffentlichungen sehen muss, die noch immer wie damals klingen, noch immer den gleichen "elitären" Gedanken verbreiten und noch immer musikalisch wertlos sind. Merke, man kann einmal schlechte Musik oder schlechtes Musizieren mit Atmosphäre gut machen, nach 20 Jahren aber geht das nicht mehr.

Und dann drehte sich doch irgendwann etwas im Black Metal. Die Kanadier erfanden ihn für sich neu, die Nordwest-Amerikaner mit ihren Post-Black Metal-Bands machten endlose Atmosphäre draus und die Franzosen haben das orthodoxe Black Metal Produkt genommen und so lange verdreht, bis man etwas völlig Neues präsentiert bekommen hat.

Was soll das alles? Warum die Einleitung?

Weil ich auf genau den letzten Punkt, die französische Vergewaltigung des Black Metal hinsteuern wollte. Dorthin wo ich auch die Bielefelder UNRU platziere. Nach einem Demo und zwei Splits hauen uns die Jungs hier 36:12 Minuten, von einem scheppernden Intro eingeleiteten, extremsten Metal um die Ohren, auf dass es sich nur so gewaschen hat.

Herb am ultraorthodoxen, eben französischen Black Metal lehnend, gibt es hier vier extrem vielschichte Songs, die einerseits dumpf, andererseits aber so gemein klingen, dass man sich nach dem Intro erstmal fragt, wo man hier gelandet ist. Purer Krach oder Kunst, die einfach in Grund und Boden geprügelt worden ist, einem geschändeten Corpus gleich, der noch durch den Häcksler geworfen wird? Der Deibel ruft im Hall, das Schlagzeug prügelt konsequent, die Gitarren erschaffen Gebirge, die sich wiederholen, überlagern und scheinbar aus dem Nichts hin zum Nichts kriechen. Der Bass macht dann auch noch das tiefe Ende zu. Und selbst ein doomiger Song wie die Nummer drei „Hedonee“ bringt keine Erholung. Im Gegenteil…

Das Album erinnert an eine Demoaufnahme, auch an eine Liveaufnahme, zwischen den Songs wird eingezählt, der Sound ist dermaßen primitiv brutal und nach einigen Durchläufen gleichzeitig unglaublich melodisch, atmosphärisch. Ein Spagat der selten gelingt, der aber zeigt, dass man wirklich extreme Musik auch ohne Schminke und Posen in der Weihnachtsbaumschonung machen kann.

Wenn man es denn nur will. Die vier Knaben von UNRU kommen, so sagt das Label, aus der Crust Punk Ecke. Das mag sein, hört man hier aber nicht. Auch das Label purer Black Metal greift zu kurz, weil die 37 Minuten in ihrer Garstigkeit alles andere als pur sind, alles andere als elitäres Anbeten irgendwelcher Kreaturen mit einer Menge Konsonanten im Namen. Das hier ist ein Tritt ins Maul mit Finesse. Das schnöde Skalen-Auf-Und-Ab-Wedeln der Pandas Worldwide Inc. wirkt nachgerade kindlich harmlos und kommerziell gegen das Monster, das UNRU hier evozieren.

Primitiv? Beim ersten Mal auf jeden Fall. Nur langsam entwirrt sich dann mit jedem Durchgang eine Landschaft aus Melodien. Das Album ist dank seiner Attitüde nicht leicht zu hören. Schon gar nicht nebenher. Es ist in der Tat eine Leistung, sich wieder und wieder an das Album heranzuwagen, nur um im Abgestoßenwerden einen neuen, tieferen, einfach anderen Zugang zu finden. 12:41 Minuten waren selten so kurzweilig.

"Als Tier Ist Der Mensch Nichts" ist ganz nahe dran an der Neuorientierung des allzu oft durch das Dorf getriebenen Leichnams. Selbst übelste Demoaufnahmen aus den frühen 90ern klingen wie überproduzierte Stadienalben gegen dieses Stück Härte.

Selten war Black Metal so heavy, so brutal und so fordernd. Hässlichkeit im neuen Kleid.



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Christian Wiederwald (06.04.2016)

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