Helheim - raunijaR

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VÖ: 04.12.2015
Bandinfo: HELHEIM
Genre: Black Metal
Label: Dark Essence Records
Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Vier Jahre sind hereingebrochen, seitdem die Norweger HELHEIM mit "Heiðindómr ok mótgangr" eine Perle, ein Meisterstück klischeefreien, heidnischen Black Metals vorgestellt haben. Für Qualität kann man bei dem aus Bergen stammenden Quartett zwar immer bürgen, musikalisch unberechenbar bleiben sie dabei aber dennoch. So auch auf "raunijaR", dessen Titel man wohl von einer in älterem Futhark gehaltenen Inschrift auf einer eisernen Speerspitze ableiten kann, die man laut Quellen auf dem Hof Øvre Stabu in der Region Toten entdeckte und darauf hindeutet, dass die Runen wohl noch vor dem 2. Jahrhundert entstanden sein könnten. HELHEIM bleiben sich in puncto interessanter Historien-Lyrik also selbst treu und nebenbei ist damit auch das Mysterium um das Coverartwork gelüftet. Aber welche Klangüberraschungen halten V'gandr, Hrymr, H'grimnir und Thorbjørn dieses Mal für ihre Hörerschaft bereit?

Einige. Das fängt eigentlich schon beim Intro "Helheim 9" an, welches wohl das letzte seiner Zunft sein wird (in der nordischen Mythologie gibt es insgesamt neun Welten) und zum ersten Mal seit "Yersinia Pestis" für einen bedachteren Einstieg sorgt. Wie die bisherige Tradition bereits gezeigt hat, unterscheidet sich auch "Helheim 9" von all den anderen Teilen, offenbart durch die von Chören, Geige und Maultrommel erschaffene Atmosphäre leichte Querverweise auf WARDRUNA, die Pehr Skjoldhammer (ALFAHANNE) mit seinem Gastbeitrag zu vergolden weiß. Was nach erster Betrachtung wie ein recht ungewöhnlicher Prolog erscheint, erweist sich von Durchgang zu Durchgang als gelungener Vorbote weiterer Experimente.

Davon nahezu gänzlich unberührt bleibt der anknüpfende Titeltrack "raunijaR", der mit seinen feinsinnig-schwarzen Melodien, dem Einsatz des Waldhorns (vermutlich wieder von Trine Mjanger eingespielt) und den klirrend-harschen Gesangslinien der Stilistik des Vorgängers stark ähnelt und das Eis zwischen ihm und dem Hörer schnell brechen kann. Was allerdings nicht heißen soll, dass einem die HELHEIM'sche Experimentierfreude ansonsten Steine in den Weg legt bzw. den Hörfluss negativ beeinträchtigt, denn tatsächlich wird nur das Spektrum mit bisher unbekannten Elementen erweitert, die sich dem Gesamtbild wunderbar fügen. Bestes Beispiel dafür sind "Åsgards Fall III" und "Åsgards Fall IV" , die die "Åsgards Fall"-EP aus dem Jahre 2010 fortsetzen: Während der dritte Teil durch das akustische Präludium, die Chöre sowie das Solo stark an die "Twilight Of The Gods"-Ära von BATHORY erinnert (V'gandr versucht sich erstmalig mit Klargesang) und durch das Mitwirken des norwegischen Singer-Songwriters William Hut bereichert wird, kann der vierte Teil mit einem zunächst ähnlichen Aufbau, später dann aber auch mit Ambient-Einsätzen und einem leidenschaftlichen Solo bestechen.

In diesem Zuge merkt man aber auch, wie schnell die Zeit mit "raunijaR" vergeht und dass es ruhig die ein oder andere Minute länger hätte ausfallen können, was allerdings sowohl Kritik auf allerhöchstem Niveau als auch ein riesengroßes Kompliment zugleich ist. HELHEIM zelebrieren in "Odr" mit dem gelungenen Songaufbau, den mehrstimmigen Gesängen, dem erneuten Waldhorn-Einsatz und dem verabschiedenden Geigenspiel ein würdiges Ende, sodass man nicht abrupt aus dem Prozess gerissen wird, sondern aufgrund der bis hierhin allgegenwärtigen, hörbaren Hingabe hastig nach dem Replay-Button sucht. Auch wenn sich HELHEIM gerne entwickeln und ungerne auf bereits plattgetrampelten Pfaden wandeln, kennen sie trotzdem das Wort Konstante - im Bezug auf die Qualität ihrer eigenen Kunst. Die Band selbst würde die Speerspitze des Artworks natürlich nicht so plakativ deuten, trotz dessen gehören die Osloer aber zweifellos zu selbiger des Viking Black Metals. Und das ist in Anbetracht dessen, dass diese Truppe schon seit 24 Jahren besteht und noch keinen einzigen negativen Ausreißer eingespielt hat, einfach nur überragend.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (10.01.2016)

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