THE CHRONICLES PROJECT - When Darkness Falls

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VÖ: 11.12.2015
Bandinfo: THE CHRONICLES PROJECT
Genre: Progressive Power Metal
Label: Power Prog
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Lineup  |  Trackliste

Gibt es heute KAMELOT-, AVANTASIA- oder SYMPHONY X-Fans unter den Lesern? Leute, die sich für Opera-Metal, lange, symphonische Werke und bombastische Highlights interessieren? Ja? Passt. Hier ist frisches Futter für euch. THE CHRONICLES PROJECT, ein Metal-Großprojekt mit deutschem Background, bringt „When Darkness Falls“ auf den Markt. Ein 16 Stück langes musikalisches Epos, dessen Entstehungsprozess mehrere Jahre dauerte, und in dem eine Fantasy-Geschichte aus einer anderen Welt erzählt wird.

Der Aufbau des Albums erinnert sehr stark an eine Oper. Es gibt einen Erzähler, der durch die Story führt, auf gewisse Weise mehrere Akte mit unterschiedlichen Handlungsschwerpunkten, mysteriöse Wesen, einem Helden, eine Tragödie, eine Tote, instrumental und gesangstechnisch ausgelebte Höhen und Tiefen, viel Emotion, viel Können, und und und… anders ausgedrückt: „When Darkness Falls“ ist großes Ohrenkino und versucht die Geschichte der unsterblichen Seelenfänger Twilight, Nightfall und Sirelius zu erzählen, die auf die Erde kamen, um die Seelen der Verschiedenen einzusammeln, und sie dem schlafenden Gott Isaari zu bringen. Doch ein uralter Pakt und der Mord an einer Sterblichen, Mary, gefährden nicht nur ihre Mission, sondern auch das Gleichgewicht der Kräfte und somit die Existenz der Menschheit.

Das Erfolgsrezept für die meisten Alben mit dieser Stilrichtung ist die musikalische Vielfalt, das ausgefeilte Songwriting und ein herausragender Sänger bzw. eine herausragende Sängerin hinter jedem Song. THE CHRONICLES PROJECT erfüllen jeden dieser Punkte und treffen eindeutig den Geschmack der Genre-Fans. Für jeden anderen Metaller ist das Album aufgrund seiner Länge und der vielschichtigen Story keine leichte Kost, aber perfekt für den geneigten Hörer, der sich mit Freude auf hochwertiges Material mit vielseitigem Einfluss und mit mehr als einer Stunde Länge stürzen mag.

Ein interessantes Detail noch zur Entstehungsgeschichte: Mastermind Malte Rathke hatte im Sommer 2011 die Idee für dieses Projekt, konnte jedoch vorerst keine Musiker für seinen Traum finden. Daraufhin startete er eine Zusammenarbeit über YouTube und lud Musiker aus der ganzen Welt dazu ein. Es dauerte nicht lange und dann war ein Team zusammen, das die Geschichte lebte und im Studio umsetzte.

Vor dem ersten Song führt uns ein Erzähler in die Geschichte und Mythen der Seele ein: Er erzählt uns von der Legende, die besagt, dass unsere Seelen Splitter der Ancients und wir somit Teil einer uralten Rasse sind, die einst das Universum kontrollierte. Nun sind einige Ancient auf der Suche nach der Antwort für „die eine“ Frage. Auf ihren Reisen finden sie diese auch, aber leider findet jeder eine andere Antwort, eine andere Wahrheit. Wer hat Recht? Was ist die einzige, echte Wahrheit? Streit entsteht unter ihnen, Krieg wird um die einzige Wahrheit geführt und sie werden fast ausgelöscht.

Wie führt das zu uns? Die Legende kann uns das nicht erzählen. Vielleicht sind unsere Seelen Fragmente dieser Urwesen. Kleine Teilchen, die überall im Universum verstreut sind. In der Legende gibt es jedoch auch die Prophezeiung, dass der Schläfer „The Sleeper“ bald erwachen wird. Und dass er kommen wird, um wieder zu besitzen, was vor Urzeiten ihm gehörte: unsere Seelen.

Erster Akt

Nach dieser Einleitung starten wir mit dem ersten Akt – wenn wir beim Opern-Vergleich bleiben wollen – und stürzen uns hinein in die Fortsetzung der Geschichte mit keyboardlastigem Song-Material, mit symphonischen Klängen und wuchtiger Doublebass („Forever“). Nach diesem ersten, bombastischen Aufleben schwenken wir über zu mehr Düsternis und Tiefe beim Song „Void Of The Damned“. Die intensiven und hingebungsvollen Vocals machen einen schönen Spannungsbogen zu „The Last Embrace“, das vom Erzähler eingeleitet wird und sich danach zu einem wirklich stark an klassische Werke erinnernden Song entwickelt. Das liegt aber nicht an den Bässen und Riffs, sondern am Aufbau der Lyrics und des mal wie ein Duett und dann wieder nach Sänger mit Chor klingenden Stückes. Die Thematik ist ähnlich wie bei Opern: Flehen, Vergebung, Leid, Tragik. Das zieht immer, vor allem, wenn die glühenden Gitarren-Soli mit orchestralen Klängen wunderschön untermalt werden. Das Stück findet einen ersten Höhepunkt im Tod einer Person. „Mary, do you believe in God?“ - und dann fällt ein Schuss.

Das nach diesem ersten Knall (im wahrsten Sinn des Wortes) folgende „A Dangerous Journey“ ist ein vielschichtiges Duett mit großer musikalischer Bandbreite, von akustischem Piano und Flöten über Orchester bis zu beinhartem Metal. „Into Infinity“ geht zuerst in dieser Richtung weiter, Klavier, Streicher und Gesang verleiten zum Gedankenschwebenlassen und träumen. Vom Text her geht es aber darum, dass Marys Tod nicht akzeptiert wird. Nach einer guten Minute des Leidens, dreht sich die Stimmung bzw. wird das Thema aggressiver und Tod und Leben bzw. die Unendlichkeit werden hinterfragt. „The Confession“ stellt einen harten Schnitt dar und leitet über zum zweiten Akt. Das Wesen des Ancient stellt sich als Alternative für den Menschgott dar und ist natürlich dahinter gekommen, dass nicht alles so läuft, wie geplant bzw. wie es den ersten Anschein hat.

Zweiter Akt

Wuchtige Klänge und viel Keyboard läuten „When Darkness Falls“ ein. Hat nun wirklich jemand gelogen? Und wer? Gab es eine Tote? Oder nicht? Und was wird nun geschehen? „Believe“ gibt darauf mystisch Antworten, sowohl in den Lyrics, als auch in der musikalischen Umsetzung. Es geht um Glauben und Vertrauen. Kann man damit wirklich die Menschen retten? Soll man dieser Stimme wirklich glauben? Ist es das Böse, das dahinter steckt? Ist es ein anderer Gott? Sagt er die Wahrheit, oder lügt er?

An dieser Stelle muss ich einwerfen, dass diese Art der Theatralik und Tragödie nicht nur für die Oper ein passender Quell für Ideen ist, auch im Metal zieht das Thema und bedeutet eine Bereichung für die manchmal sehr einseitigen Lyric-Grundlagen. Geschichten wie diese faszinieren wohl nicht nur mich, sondern zahlreiche Hörer – also machen wir weiter.

Richtig klassischer Progressive Metal steht am Anfang von „My Revolution“. Gut und Böse singen zusammen oder besser singen gegeneinander an. Jeder legt seine Seite dar. Es lügen nämlich viele und es gibt nicht nur Gut und Böse, sondern viele Grauzonen. Die dunkle Seite (Ancient) macht ihre Idee schmackhaft und fordert auf, der Revolution beizutreten. Musikalisch und gesangstechnisch geht es daher auf und ab, mal fordernd und laut und hart, dann überlegend, ruhig und zurückhaltend. Wiederum sehr gut gemacht und interessant anzuhören.

Die dunkle Stimme vom schlafenden Gott und sein Sprechgesang zu „Release Me“ lösen Gänsehaut aus. Man fragt sich, wer wird gewinnen? Wird er wirklich frei kommen? Welche Seite wird siegen? Die Neugierde beim Hörer steigt.

Dritter Akt

„The Dark Symphony“ erzählt in ruhigen Tönen und mit schönem Gesang von der dunklen Sinfonie. Viel Piano und Chor zeigen eine Seite von THE CRHONICLES PROJECT, die wahrscheinlich auch einem echten Klassik-Fan gefallen könnte. Bei der Energie und dem Speed, die von den Gitarren, Bass und Schlagzeug bei „Promised Lands“ rüberkommen, wird der Klassik-Fan jedoch umgehend in die Flucht geschlagen. Inhaltlich geht es um den Kampf, der geführt wird, um das „Promised Land“ wieder zurückzugewinnen.

Kurz vor dem Ende hören wir ein weiteres Duett. Es ist der ruhige und getragene Song „Until You’re Mine“. Eine wunderbare Harmonie von Vocals und orchestraler Begleitung wird hier gefunden. Der Übergang zum nächsten Stück „Conclusion: Still Alive“ geschieht beinahe unmerklich. Nur aufgrund des geänderten Inhaltes kommt man drauf, dass man nun einen neuen Part bzw. auf gewisse Weise das Ende hört. Der Ausklang mit „Chronicles Of A Strange Mind“ ist ein Nachtrag, wo es vor allem darum geht, hinter den Vorhang zu blicken und sich Gedanken um die Dinge zu machen, die man nicht sieht und die doch irgendwie da und nicht zu verleugnen sind.

Was habe ich davon mitgenommen? Ein Album, das man nicht nur anhören kann, sondern Inhalte aufweist, über die man nachdenken sollte.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Lady Cat (27.12.2015)

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