FATES WARNING - A Pleasant Shade Of Gray [Re-Issue]

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VÖ: 02.10.2015
Bandinfo: FATES WARNING
Genre: Progressive Metal
Label: Metal Blade Records
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Lineup  |  Trackliste

FATES WARNING waren schon seit Anbeginn ihrer Karriere keine Verächter von Longtracks. Spätestens nach dem epischen Zwanzigminüter "The Ivory Gates Of Dreams" vom '88er-Album "No Exit" hatte Jim Matheos Blut geleckt und mehrere Male verlautbart, eine ganze CD mit einem einzigen Track füllen zu wollen. Die Idee wurde für weitere drei Alben erst mal wieder verworfen, der aufkeimende Grunge und die Trendwende im Metal zwang die Band, eine etwas kommerziellere Richtung einzuschlagen. Erst 1997 gelang der lang ersehnte, große Wurf: mit dem 54-minütigen "A Pleasant Shade Of Gray" setzten die Progger aus Connecticut alles auf eine Karte. Und gewannen. Das in zwölf handliche Abschnitte aufgesplittete Monsterwerk ist in seiner einfachen Vehemenz und seiner Zeitlosigkeit bis heute ein Alleinstellungsmerkmal im an Abwechslungen und Berg- und Talfahrten nicht gerade armen Katalog von FATES WARNING.
Das bemerkenswerte an dem liebevoll "APSOG" abgekürzten Longplayer: Er funktioniert sowohl im ganzen als auch in seinen einzelnen zwölf Sektionen, die für sich stehen können, aber nicht müssen - ein kompositorischer Geniestreich, den beispielsweise DREAM THEATER mit "A Change Of Seasons" noch nicht zuwege zu bringen vermochten.

Weiters nicht uninteressant die Tatsache, dass sich "Part III" mit seinem zackigen, damals durchaus am Puls der Zeit stehenden Gitarrenriff konstant bis heute im Live-Set der Amis wiederfindet. Warum man mit dem Release dieser Box nicht noch zwei Jahre bis zum "Runden" warten konnte, entzieht sich meiner Kenntnis. Richtig interessant ist das Package ohnehin nur für denjenigen, der von FATES WARNING noch nicht jeden Schnipsel zuhause hortet. So ist die erste Bonus-CD mit demselben Live-Set bestückt wie die bereits 1998 erschienene offizielle CD "Still Life". Ergänzt durch eine Soundcheck-Version von "We Only Say Goodbye", das SCORPIONS-Cover "In Trance" und durch Vocal- und Instrumental-Demos von den Rehearsals (für die wirklichen Die-Hard-Fans) wird hier das alte FW-Bonus-Spielchen runtergeleiert: Gottlob hat diese Band ja kaum Ausschussware, und so müssen halt wieder mal nölige Demoversionen herhalten. Wer's braucht. Die beigefügte DVD ist aber ein echtes Highlight, denn hier kann man sich eine entstaubte Show aus dem Jahr 1998 reinblasen, die bisher nur schwer und nur auf VHS (für alle unter 20: ach ... seid einfach froh, dass ihr das nicht mehr erleben musstet!) zu kriegen war. Entstaubt wurde hier jedoch nur der Ton, dem das rudimentäre Bildmaterial zu keiner Sekunde gerecht wird, trotzdem oder gerade deswegen: Retro-Bonus!
Im Vergleich zu heute glänzt Ray Alder hier außerdem noch mit einer wirklich einwandfreien Vocal-Performance.

Ein Live-Set aus dem "The Whisky" in L.A. 1999 gibt's noch obendrauf. Auch hier eher prähistorisches Bildmaterial, der Ton ist rau gehalten und vermittelt die Live-Atmosphäre besser. Die Vinylsammler dürfen auch gleich mal den Überweisungs-Button aktivieren, denn das Teil (sprich: die Original-CD) erscheint auch als Doppelvinyl. Und das ist bei der Songstruktur dieses Epos ja sogar sinnvoll und gerechtfertigt, denn es wird ja nichts zerstückelt oder aus dem Zusammenhang gerissen, wenn man die Platte umdrehen muss. Neueinsteiger in die Materie sollten "A Pleasant Shade Of Gray"mit Vorsicht genießen, denn es ist nicht das klassische, typische FATES WARNING-Album, so es dieses überhaupt gibt. Wer den Weg der immer sträflich unterbewerteten Combo seit Anfang an mit verfolgt hat, der wird mir aber hier beipflichten: "Parallels" und "Inside Out" sind tolle Alben, die in keiner Sammlung fehlen dürfen; "APSOG" jedoch hätte vielmehr der direkte Nachfolger von "Perfect Symmetry" sein sollen und ist in mehrerer Hinsicht sein Bruder im Geiste. Aber erst das Erscheinen in einer für den Prog schwierigen Zeit macht dieses Meisterwerk so einzigartig. Spielerisch über jeden Zweifel erhaben (Mark Zonder bringt hier seine wahrscheinlich beste Drum-Performance) hallt der Monolith bis heute nach und wird wahrscheinlich nicht nur von mir in regelmäßigen Abständen mit Tränen in den Augen durchzelebriert.



Ohne Bewertung
Autor: Mike Seidinger (21.10.2015)

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