Enslaved - In Times

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VÖ: 06.03.2015
Bandinfo: ENSLAVED
Genre: Extreme Metal
Label: Nuclear Blast GmbH
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Auch wenn es viele Die-Hard-Fans noch heute nicht hören wollen, es ist die unumstößliche Wahrheit. ENSLAVED sind längst im Metal-Mainstream angekommen. Seit ihrem hervorragenden Werk „Isa“, also seit mittlerweile mehr als zehn Jahren, schweben Grutle, Ivar und Co. gleichsam auf einer kreativen wie auch kommerziellen Erfolgswelle. Von den letzten fünf Alben gewannen vier den norwegischen Grammy für das „Album des Jahres“, ein weiteres wurde nominiert. Während gerade das Black-Metal-Vorreiterland Norwegen und seine bekannten Ableger seit Jahren stagnieren, haben sich ENSLAVED seit jeher nie davor gefürchtet, stets neue Pfade zu betreten. Das gipfelte in mehr („Axioma Ethia Odini“, 2010) oder weniger („Ruun“, 2006) starken Ergebnissen – niemals aber wurde der aufgeschlossene Schwarzwurzler von seinen Heroen völlig vor den Kopf gestoßen.

„In Times“ ist das mittlerweile 13. Studioalbum der Bergener, die sich längst eine völlig eigene musikalische Schiene geschaffen haben und dort mehr oder weniger konkurrenzlos für sich hin zocken können. Das ist auch Mastermind, Gitarrist und Songschreiber Ivar Bjørnson bewusst. „Das Album verbindet unsere ,schwarzmetallischere’ Vergangenheit mit unseren Einflüssen aus Prog Rock, unserem gegenwärtigen Zustand absoluter künstlerischer Freiheit und der Freude, in dieser Band zu sein, falls das irgendeinen Sinn ergibt.“ Das ergibt absolut Sinn, lieber Ivar, denn die Kurzanalyse ist pointiert und korrekt. War vor allem das letzte Werk „RIITIIR“ manchem noch zu verkopft und offensichtlich progressiv geraten, haben ENSLAVED auf „In Times“ wieder in die Spur gefunden und die Black-Metal-Blastspuren in höherem Ausmaß wieder für sich entdeckt.

Die lediglich sechs Songs beginnen allesamt mit einem atmosphärischen Unterbau, der sich meist relativ schnell zu einem spannenden Soundgefüge verwandelt. So ist der Opener „Thurisaz Dreaming“ ein erstes großes Highlight, das vor allem durch das wütende Hyperblast-Gekloppe samt diabolischem Grutle-Gekeife zu Beginn an selige Old-School-Zeiten erinnert. So viel kompromisslosen Hass hatten ENSLAVED auf dem gesamten Album-Vorgänger nicht projiziert. Einem flinken Hasen gleich ständige Haken schlagend, konzentriert sich die Nummer fortan auf Herbrand Larsen’s atmosphärischen Klargesang, führt den 90er-Jahre-Norwegen-Black-Metal-Unterbau im instrumentalen Sinn aber stetig fort. Erst auf „Building With Fire“ mahnen ENSLAVED an ihre jüngere Vergangenheit und lassen den schwarz angestrichenen Prog Metal wuchern.

Neben dem gewohnt peppigen Wechsel-Gesang zwischen Gut (Larsen) und Böse (Kjellson) trägt zudem auch die glasklare, aber dennoch im Rahmen gebliebene Produktion zur Hörfreude bei. Diese in den eigenen Händen zu lassen war eine gute Idee. Durchhänger gibt es auch auf „In Times“ keine zu verzeichnen, wenn man im Mittelfeld bei den Songs „One Thousand Years Of Rain“ und „Nauthir Bleeding“ auch ein bisschen aus der hochqualitativen Spur fällt. Natürlich ist das Raunzen auf allerhöchstem Niveau, doch bei einem derart opulenten Backkatalog darf etwas kleinkariert darauf hingewiesen werden. Am Ende feuern die Norweger aber ohnehin noch einmal zwei Bombast-Epen für die Ewigkeit ab. Der Titeltrack schlängelt sich mehr als zehn Minuten lang durch sämtliche Winkel der Gehörgänge, beginnt als psychedelisches Klangcollagen-Monster, vergeht sich im weiteren Verlauf an knackigen Riff-Stakkati, nur um vor einer visuell fantasierten Black-Metal-Akustik-Bergkulisse noch einmal kurz Tempo aus der Spur zu nehmen. Das schwindlige Geschreibsel soll euch eigentlich nur eines sagen: bitte anhören und staunen!

Das abschließende „Daylight“ spiegelt schon als Songtitel einen späten Hoffnungsschimmer wieder und fungiert als perfekter Abschluss der schönen Instrumental-Reise. Neben aufwühlenden Soundkaskaden bleibt auch Ice Dale, den man zuletzt öfters bei AUDREY HORNE über die Bühne hoppeln sah, genug Zeit, um mit ausufernden Gitarrensoli an die seligen 70er-Jahre zu gemahnen. „In Times“ ist erstmals nach langer Zeit keine komplette Neuerfindung des eigenen Soundkosmos, aber eine hervorragende Verknüpfung verschiedenster Phasen aus der Vergangenheit. Ein Direktvergleich mit anderen ENSLAVED-Alben würde dem künstlerischen Anspruch der Band nicht gerecht werden. Dass die Jungs im Vergleich zu „RIITIIR“ insgesamt 15 Minuten Spielzeit eingespart haben, tut dem Gesamtprodukt genauso gut wie die partielle Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln. Kein Wunder, dass Ivar heuer das renommierte Roadburn-Festival kuratiert und die nächste Grammy-Nominierung steht wohl auch schon ante portas…



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Robert Fröwein (27.02.2015)

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