MORFIN - Inoculation

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VÖ: 21.02.2014
Bandinfo: MORFIN
Genre: Death Metal
Label: FDA Rekotz
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Lineup  |  Trackliste

„Building a future so human beings can die“, so röchelt quietsch-fidel Jesus Romero, es würde aber auch nur minder auffallen, würde er unisono im Chor mit „end it now, it’s the only way“ einstimmen: Während derer es zahlreiche Partien gibt, die sich DEATH in riesengroßen, bluttriefenden, Spinnweben umfangenen Lettern auf die Banner gepappt haben – OBSCURA, um eine zu nennen, DEATHBRINGER aus dem fernen Belarus, um andere zu nennen – so widmen sich die Jungspunde MORFIN, allesamt bisher musikalisch nicht nennenswert in Erwähnung getreten, im Gegensatz zur Kollegenschaft zwar auch den Herren rund um Schuldiner, jedoch – und hierfür danke ich mit Pommesgabel – der Frühphase rund um „Leprosy“ und „Spiritual Healing“.

Es war 1983, ein Jahr nachdem ich den Untiefen meiner Mutter entkroch („Then I hasty gasp for breath – I'm reborn!“), als DEATH STRIKE, MORBID ANGEL und MANTAS – angefeuert von SLAYER, PENTAGRAM und NASTY SAVAGE – an der Südspitze Amerikas danach trachteten, die Extreme an eine neue Spitze zu treiben. POSSESSED, angeblich die ersten, die die Begriffe „Death“ und „Metal“ vereinten, waren mehr „Leder“ und „Nieten“ als VENOM je zuvor, RIGOR MORTIS schossen in Dallas zwar nicht auf Kennedy, fesselten dafür aber den damals noch jugendlichen Phil Anselmo, der Corbitts Nebenprojekt WARBEAST später auch für Housecore unter Vertrag nahm. 1984 kamen schließlich GENOCIDE, mittlerweile unter REPULSION in aller Munde wie das Salz auf der Wunde, ebenso auch NECROPHAGIA – für welche Anselmo zwischen 1998 und 2003 als Anton Crowley am Werken war – und MACABRE.

Das war „Thrash Metal“ par excellence – kavernös wie nie zuvor, zwar noch ohne Blast-Beats (die erst später mit dem vom Punk beeinflussten Grindcore Einzug erhalten sollten), nichtsdestotrotz aber brachiale Entladungen, die vor allem die thematischen Spektren „Tod“ und „Horror“ bis an den Exzess feilboten. Nachdem Kam Lee MANTAS – die zu DEATH reifen sollten – verließ, hatte er einen Anspruch, und einen Anspruch allein: „I wanted it to sound more evil, more demonic and more like a savage animal. I think it’s embedded in the human psyche that a low growl means evil, animalistic and best-like. We humans all inherently know when an animal, such as a pitbull growls low and begins to get deeper in its barks, that it means business.”

And business, it fuckin' is.

Während DEATH – vor allem ab ihrer Mittelphase ab „Human“ – zum Weltruhm aufstiegen, allein schon, weil der „Name die Musik macht“, so waren auch MASSACRE, Nachfolgebeschäftigung von Kam Lee, mit vor allem „From Beyond“ (1991), prägend für den „typisch floridanischen Sound“ – ein Sound, der beispielsweise auch von den frühen PESTILENCE (unter anderem auch dank der unverwechselbaren Stimmlage von Martin van Drunen) kopiert wurde. Was heute gut und gerne unter dem Banner „Death Metal“ schifft, hat mit der damaligen Epoche in etwa so viel zu tun wie Hello Kitty mit KISS (sie teilen sich Scheißpapier und Schneuztücher) und GREEN DAY mit IGGY POP und Konsoren – damals, in der glorreichen alten Zeit war Death Metal noch kein Stück Scheiße, das man gern zum Kuscheln zwischen die Laken nahm, sondern eine brachiale Anarchie, die gegen jedwede Norm donnerte.

„Lucifer laughs, his needs are fulfilled; The flames are now burning hot, bodies are burning, the people are killed. Torture the reason we fought: DEATH METAL!!! Kill them pigs!”, heißt es bei POSSESSED, und wahrlich: Des Teufels Schergen reiben sich die Hände, die Kakophonie klingt, als stünde die Apokalypse vor der Tür – „know that your life is at it’s end“ – und das Geschrei der Siechenden schwebte in der Luft: „Know that your life is at its end, rendered helpless so scream out fright, Death Metal came in the wind“.

Alles danach war Schweigen. HELLHAMMER, die pre-CELTIC FROST, waren „Death Fiends“, und noch viel mehr waren es die Titanen, die „death“ in allen Zügen genossen, DEATH selbst im Namen und (noch unter MANTAS) auf „Death By Metal“, POSSESSED beim soeben zitierten Stück von „Seven Churches“, DEATH STRIKE mit „Fuckin‘ Death“, MORBID ANGEL hießen ursprünglich zuerst ICE, dann DEATH WATCH und pre-REPULSION schossen mit „Violent Death“ überhaupt den Vogel ab. Tod, Tod überall – wurscht, wer ihn entdeckt hat, Nekrophilie ist unterm Strich einfach nur – zumindest akustisch – geil. Natürlich war das damals, fernab von YouTube, Soundcloud, Facebook und all dem Scheiß, niemanden bewusst – prägend aber nicht minder.

„If BLACK SABBATH were the musical equivalent of „Hammer Horror”, VENOM the equivalent of „The Exorcist”, dann waren die Urväter des amerikanischen Todmetalls „Faces Of Death”, „Cannibal Holocaust”, „Evil Dead”, das „Texas Chainsaw Massacre” und „Dawn Of The Dead” – schlichtweg alles, wo „banned”, „gore”, „evil”, „mondo” oder „extreme” draufstand. Da mögen die Herren der Ultra-Frickel-Brutal-Grind-, Slam-Murder-Bitch-Shit- und natürlich auch Fuckin-Anal-Disaster-Vomit-, sowie Math-Extreme-Alien-Death-Sphere sich ein Scheibchen abschneiden, denn egal wie tief gegrunzt, wie schnell gebrettert, wie technisch gefrickelt wird, wie tief der Bass wummert, wie absonderlich die Texte auch sind (Jungs, wir in der Stormbringer-Redaktion haben schon alles gevögelt. Und mit „alles“ meine ich von belebt bis unbelebt, von stinkend bis gut riechend, von menschlich bis tierisch tatsächlich alles. Auch deine Mutter.) – neben den alten Schweden hat es so wirklich nur die Frühzeit des Südstaates drauf. Beispiele gefällig? Namen fielen bereits zur Genüge, und während die schwedischen Blackies Kirchen verbrennen und Leichenteile verscherbeln mussten, um wahrlich „bös“ zu wirken, so waren es die genannten – spaßeshalber, nicht destruktiv – von Grund auf. Man nenne mir ein „neoklassisches“ Werk, das die Eier von „Altars Of Madness“, „Leprosy“ oder „The Bleeding“ besitzt, und ich ziehe meinen Hut.

Langer Rede, kurzer Sinn: Morphin ist ein Opiat, das schon der große Sherlock Holmes genoss, MORFIN ein kalifornisches Quartett mit südamerikanischen Migrationshintergrund, das anstatt der Bibel im Regal wohl die Kettensäge liegen hat, statt „From Dusk Till Dawn“ auf Party macht, lieber den „Dawn Of The Dead“ propagiert – und Hitler war gestern, heute sorgt der „Cannibal“ für den Holocaust. Auf „Inoculation“ trifft all dies zu, was zuvor geschrieben – jenes Album hätte zu Anbeginn der einzig wahren Zeitrechnung passieren können, ja: müssen, und sie hätten wie auch Schuldiner und Co „the gates of hell“ geöffnet. Elvis lebt und hackelt an der Tanke? Who the fuck cares: Chuck lebt (sogar verjüngt) und krächzt bei MORFIN!

Heute, ja, heute, da mag das Produkt altbacken klingen. „Das ist Death Metal? Maximal Kindergarten.“ Fürbass, ich sage euch: Nicht nur, weil hierauf mit „Leprosy“ das ewiglich währende Suffix gezogen wird, auch über das „Evil Within“, über den „Dark Creator“ und den „Identity Killer“ bis hin zur „Brain Control“ ist den Kaliforniern gelungen, zu einer Zeitreise in die späten Achtziger und frühen Neunziger zu laden, die absolut keinen Abklatsch der alten Heroen darstellen, sondern vielmehr den Geist aufleben lassen, der damals, vor zig Jahren, noch auf Tapes quer durch die Weltgeschichte kursierte.

„We early death metallers, we picked up where the “heavy metal bands” dropped their balls, we picked up the axes and war hammers and swords and we went to war”, erinnert sich Kam Lee, und weiter: „We forged forth with hate, anger, evil black hearts full of blood, guts and gore”. Und genau dies, dies ist MORFIN – kein anbiedernder Jungspund, der sich mit alten Glanztaten schmückt, sondern wahrlich „born dead“, aus einem „open casket“ kriechend, „possessed“ von vorn bis hint und „left to die“.

„Dead.“, proklamierte Horatio Caine fachgerecht und schob sich seine Sonnenbrille zu Recht und hatte damit in der ihm zustehenden Sendezeit wieder einmal einen Fall gelöst, auch wenn es in diesem Falle grammatikalisch korrekt eigentlich „DEATH.“ heißen hätte müssen. „There is no hope, why don't you ... pull the plug?!“



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Stefan Baumgartner (13.02.2014)

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