17.02.2012, Arena

FULL OF HATE TOUR feat. CANNIBAL CORPSE, BEHEMOTH

Veröffentlicht am 21.02.2012

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Was für uns eigentlich als journalistischer Großkampftag mit Video-Interviews und anderen Späßchen angelegt war, endete ziemlich bald mit einem mittleren Desaster. Nachdem wir bereits um 16 Uhr in der Wiener Arena aufschlugen, wurde uns erst einmal gesagt, dass noch keine einzige Band da ist und die Hälfte vom Tourtross irgendwo in Italien mit dem Bus liegen geblieben ist. Also erst mal nix mit den geplanten Smalltalks, sondern Bier an der Tankstelle, und abwarten was passiert. Als um 17:00 der erste Bus mit CANNIBAL CORPSE, MISERY INDEX und BEHEMOTH eintrifft, wird der geplante Beginn des Reigens erst mal auf 20:30 verlegt - na wenigstens sind die Headliner da, und ein kleiner Silberstreif am Horizont deutet doch noch auf zumindest ein Interview mit den Kannibalen hin.

Da jedoch nachvollziehbarerweise Backstage alles andere als entspannt abläuft und die Verantwortlichen in einer Hau-Ruck-Aktion wenigstens die drei anwesenden Bands auftreten lassen wollen, werden unsere geplanten Tätigkeiten für heute auf Biertrinken und Warten reduziert. Mit zunehmender Dauer des Abends wird dann auch der Enthusiasmus, den wir in solchen Dingen durchaus haben, auf eine gröbere Belastungsprobe gestellt. Die Leute sind alle schon recht ungeduldig, was verständlich ist - denn erstens sind viele Fans heute wegen LEGION OF THE DAMNED gekommen und auch wegen SUICIDAL ANGELS, die aber beide durch ihre Abwesenheit glänzen. Und zweitens werden die Eintrittspreise gerade einmal um 5 Euro gesenkt, und das obwohl das halbe Package nicht auftritt. Das sollte einigen dann doch zu denken geben.

[MIKE SEIDINGER]

Das unfassbare Organisationschaos außen vor gelassen, starten zumindest die amerikanischen Death/Grinder MISERY INDEX halbwegs pünktlich und können die teilweise zurecht angesäuerten Fans mit einer kräftigen Dosis musikalischer Brutalität etwas besänftigen. Der Fokus liegt dabei natürlich auf dem 2010er Output „Heirs To Thievery“, möglicherweise das bisherige Masterpiece von Bandboss Jason Netherton, der auch an diesem Abend eher uneitel im Hintergrund agiert und seiner gitarrespielenden Frontglatze Mark Kloeppel den nötigen Raum zum Grunzen und Growlen gibt. Der Sound könnte zwar besser sein, angesichts des notdürftig und spontan zusammengezimmerten Soundchecks muss man hier Milde walten lassen. Fetzige Nummern wie „The Carrion Call“, „The Spectator“ oder das „Retaliate“-Glanzstück „Partisans Of Grief“ funktionieren auch so perfekt. Zudem drücken MISERY INDEX aufgrund der nervtötenden Vorkommnisse an diesem Abend wohl absichtlich derbe auf die Tube, will man den Fans für das viele Geld doch zumindest noch das Bestmögliche in die Arena liefern. Rasant, technisch und lyrisch gewohnt politisch holzen sich die Marylander souverän durch ihr Set und tun genau das, was sie eigentlich seit mittlerweile elf Jahren machen – sie enttäuschen niemals und niemanden. Mit dem knallenden „Traitors“ wird die kurzweilige Aggressionsvorführung beendet, der einzige Wermutstropfen ist das völlige Fehlen vom an und für sich großartigen „Discordia“-Material – ansonsten eine weitere Glanzvorstellung der derzeit vielleicht frischesten Death Metal Combo.

[ROBERT FRÖWEIN]

BEHEMOTH geben dann wie gewohnt auch hübsch Gas, man merkt Nergal kaum mehr etwas von seiner gottseidank überstandenen Krankheit an, und die Audience dankt es mit kräftigem, wenn auch nicht ganz so euphorischem Zuspruch. Für die Polen scheint trotz der geänderten Situation heute Abend "Business As Usual" zu herrschen, denn die Setlist birgt keine großartigen Überraschungen, und auch insgesamt war die Band schon mal agiler. Natürlich beeindruckt ein Trommel-Viech wie Inferno immer wieder durch seine Wucht und Präzision, und sowieso hauen BEHEMOTH auch an schlechten Tagen den Putz von den Wänden. Die miese Laune einiger Leute über den Ausfall der anderen Bands bekommen aber auch Nergal & Co. indirekt zu spüren, denn obwohl eigentlich ausverkauft, versuchen einige Fans enttäuscht, ihre Tickets wieder los zu werden. Egal, BEHEMOTH haben diesen schon verloren geglaubten Abend wenigstens noch zu retten versucht - und großteils ist ihnen das auch ganz gut gelungen.

[MIKE SEIDINGER]

Nach dem satanischen Gebolze der Polen wird es Zeit für den Headliner des Abends: CANNIBAL CORPSE. Mittlerweile sind auch die Genicke und Gliedmaßen in der rappelvollen Arena eintrainiert, was auch notwendig ist, denn schon bei den Auftaktsongs „Evisceration Plague“ und „The Time To Kill Is Now“ röhrt der halslose Elch George „Corpsegrinder“ Fisher unvergleichbar derb und lässt dabei den berühmten Schädel-Propeller fliegen. Rund um ihn herum durchgehend Musiker der absoluten Extraklasse – Bassist Alex Webster, das Gitarrendoppel O’Brien/Barrett oder Kesseltreiber Mazurkiewicz – allesamt Musiker der obersten Liga. Die Mischung macht’s außerdem und in dieser opulenten Death Metal-Lehrstunde liefert die vielleicht beste, mit Sicherheit aber kommerziell erfolgreichste Death-Band aller Zeiten einen bunten Querschnitt ihrer bisherigen Karriere. Da gibt’s bei Liedern wie „Make Them Suffer“, „Born In A Casket“, „I Will Kill You“ oder „Priests Of Sodom” wirklich Musik für alle Generationen CORPSE-Fans. Und das ohne große Spompernadeln, denn wenn CORPSE auf der Bühne holzen, braucht man keine optische Spielereien – hier reagieren lange Haare, technische Fingerfertigkeiten und massive Soundwände. Dementsprechend massiv auch die Moshpits und Headbang-Einlagen vor der Bühne, wo bei Jahrhundertklassikern wie „Fucked With A Knife“ oder „Unleashing The Bloodthirsty“ ein regelrechtes Inferno ausbricht. Abgeschlossen wird der bunte Reigen mit dem beiden All-Time-Evergreens „Hammer Smashed Face“ und „Stripped, Raped And Strangled“, wo das ausgepowerte Publikum noch einmal die letzten Funken Kraft zusammenkratzt, um CANNIBAL CORPSE nach dieser akustischen Machtdemonstration gebührend zu verabschieden. Trotz der zahlreichen Pleiten und Pannen ein würdiger Abschluss, mit drei groß aufspielenden Bands, die den verhunzten Abend doch noch halbwegs retten konnten. Better Luck Next Time…

[ROBERT FRÖWEIN]


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