24.09.2023, Mergener Hof, Trier

VADER + VOMITORY + WARSIDE + SKAPHOS

Veröffentlicht am 28.09.2023

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Immer wieder sonntags...

...kommt die Steuererklärung! Von der Tiefenentspannung zur explosiven Rage in nur zwölf Sekunden – im Staate Deutschland kein Problem! Ich wage sogar zu postulieren, dass das Ausfüllen einer solchen Kundtuung ohne den beherzten Wutanfall gar nicht erst möglich ist. Insofern erscheint es mir als eine Art innerer Fluchtreflex und zugleich ein Akt der Eigenmanipulation, dass ich besagte Stunden der Selbstgeißelung just auf den Tag des VADER-Konzerts in Trier verschoben habe – wohlwissend, dass am Ende des Abends die Ressourcentanks wieder reichlich gefüllt sein werden. Auf dem Weg dorthin unternehme ich aufgrund einer Straßensperrung zunächst eine unfreiwillige Erkundungstour durch die umliegende Weinregion, die dem Einsatz eines ehrenamtlichen Stauführers mit dem Spurhaltevermögen eines volltrunkenen Blowjob-Empfängers zu Dank zusätzlich in die Länge gezogen wird. Interessanterweise, möglicherweise sogar durch teuflische Fügung, stehe ich am Ende dieser Verkehrsodyssee tatsächlich pünktlich im Mergener Hof auf der Matte...

SKAPHOS

Dort in den unheiligen Keller hinabgestiegen, verraten die auf der Bühne gespannten Fischernetze bereits den Opener – the fishnet strikes back, wenn man so will! Die französischen Schwarzmetaller von SKAPHOS waren bereits beim bestuhlten Abstands-Konzert VADERs mit von der Partie und sind mir u.a. aufgrund ihres maritimen Gesamtkonzepts in Erinnerung geblieben. Nachdem die junge Truppe eigenhändig ihr Set montiert (hier ist The Fisherman wohl selbst sein bester Friend), wird die kuschelige Bühne – pünktlich wie eine Gruppe Spiegelkarpfen zur Brotfütterung im Hochsommer – von unten bis oben mit feierlichem Nebel geflutet. Der Ort des Geschehens mag nicht viel Raum für Showeinlagen bieten, doch kompensiert das detailreiche Bühnenbild dieses scheinbare Manko mühelos. Der spirituell anmutende musikalische Abstieg in den Marianengraben fesselt mit seinen eindringlichen Klangwellen zwischen Black und Doom Metal und kann die ein oder andere Pommesgabel aus dem Meer (Teich...Tümpel...wir besuchen hier eine Clubshow!) der unaufgewärmt Mittauchenden fischen. Wie schon beim ersten Konzert verschlägt es mich auch dieses Mal auf einen kurzen Schwatz zum Merch-Stand, wobei ich mir die zweite Platte der Franzosen unter den Nagel reiße und dabei erfahre, dass neue Musik bereits in der Mache ist. Passion before fashion – und wenn man die Fischernetze am Oberkörper als Modetrend akzeptiert, geht bei SKAPHOS sogar beides.

WARSIDE

Mit den ebenfalls aus Frankreich stammenden WARSIDE (ich liebe die Sprache – charmanter kann ein Soundcheck nicht klingen) siedeln wir thematisch in den Genre-Dunstkreis des Abends über. Die 2018 gegründete Kapelle aus Lyon vollbringt das Kunststück, mit ihrem überwiegend technisch angehauchten Death Metal für ausgelassene Stimmung zu sorgen (finde ich ehrlich gesagt gar nicht mal so einfach...) und der Grund liegt auf der Hand: die Burschen sind einfach so gnadenlos gut gelaunt und aufgedreht, dass die meisten FEUERSCHWANZ-Konzerte dagegen wie ein katholischer Gottesdienst [Anm. d. Verf.: ihhh, bäääh, ein Kindheitstrauma...] wirken. Die Band, die das alte Sprichwort "wahre Liebe gibt's nur unter Männern" offenbar vollends verinnerlicht hat, zeigt sich durch und durch auf Kuschelkurs – sei es mit den Besuchern der ersten Reihe oder ihren Mitmuckern auf der Bühne...Kabelsalat zwischen den Beinen von Sänger Thomas Allam inklusive. Es ist eine wahre Freude, dem ausgeflippten und minutiös gezockten Spektakel zuzusehen. Und dass die vier glorreichen Fünf heute ohne Basser unterwegs sind, scheint in diesem fröhlichen Miteinander niemanden zu interessieren. Zur Not darf der Tieftonbeauftragte dann auch mal vom Band mäandern – Gründe hierfür wird es gegeben haben und außerdem hält noch mehr gute Laune eh keiner aus, Daumen hoch!

VOMITORY

Die Größe der Venues mag sich aus der durchschnittlichen Besucherzahl ableiten, doch ist es für mich immer wieder ein Stück weit eine Ehre, eine Band vom Kaliber VOMITORYs in diesem intimen Rahmen – um nicht zu sagen in unmittelbarer Befruchtungsreichweite – live und in Farbe zu erleben. Trotz der guten Stimmung bei SKAPHOS und WARSIDE sind die Elche aus Elchistan die erste Band, der er gelingt, ihrem Auditorium fortwährende Paarungsschreie zu entlocken. Ironischerweise sind VOMITORY auch zugleich die erste Kapelle, die sich über das zu stille Publikum mokiert. Die Show der Schweden selbst liefert genau das, was man von ihr erwartet: mustergültigen Schweden-Death frei Haus, direkt in die Kauleiste. Die uniform in schwarzen Shirts auftretenden Nordmänner prügeln ihre Setlist tadellos, akkurat, aber auch äußerst routiniert runter – ein Quäntchen mehr Feuer hätte ich mir hierbei schon gewünscht. Die vor der Bühne Röhrenden stört's jedoch nicht und obendrein ist der Gig bei gutem Sound so derbe laut, dass ich fürchte, mein Fahrerpils wie bei einer Grubenfahrt auf -2 Kilometer unkontrolliert hinauszuschäumen. Dabei bin ich in puncto VOMITORY gar nicht mal so textsicher.

VADER

Während der einzig längeren Umbaupause des Abends erklingen reihenweise zeitlose Klassiker wie "Highway To Hell", "Smoke On The Water" und "Paranoid", weswegen man sich ein wenig als Zeitreisender fühlt. Es fängt allmählich an, vor den inneren Nüstern "alt" zu riechen...was in gewisser Weist auch stimmt, denn immerhin zelebrieren VADER hier nicht weniger als ihr vierzigstes Jubiläum. Vierzig fucking Jahre – was für eine stolze Bilanz! Und trotzdem weiß ein jeder hier im Raum, dass die Polen auch heute noch immer und überall gnadenlos abliefern. Die Show bricht los und ich denke mir: "Oida, fangen diese Irren wirklich mit 'Decapitated Saints' an?!" – der Einstieg schlägt ein wie eine Bombe, wonach die eigentliche Jubiläumszeitreise von "The Ultimate Incantation" bis in die Gegenwart beginnt. Stück für Stück prügeln sich VADER durch ihre Alben, wobei sie als Überraschung sogar ihren ehemaligen Gitarristen Mauser hervorzaubern und ihn für den betreffenden Zeitabschnitt mittrümmern lassen. Die Falten werden tiefer, die Haare dünner und die körperliche Robustheit fragiler – doch all das scheint an VADER spurlos abzuperlen. Die Band und auch ihr exzessiv freudestrahlend klampfender Gast Mauser zeigen sich in derselben bestechenden Bestform, in der man sie seit jeher kennt. Spiders linke Schulter scheint getaped zu sein, doch auch das scheint dem Highspeed-Gitarristen nicht die Spur auszumachen. Die Polen sind einfach nicht kleinzukriegen, geben für stolze 90 Minuten alles und versetzen sämtliche Nackenmuskeln, Gelenke und Gräten in Wallung...und da ich weiß, dass ein VADER-Konzert für mich nie ohne Besuch an der Merch-Bude endet, habe ich das obligatorische Tourshirt schon vorsorglich vor der Show einkassiert.

Kaputt, aber glücklich!

Das Zweigespann aus VOMITORY und VADER mag als veritabler Köder funktionieren, doch der Sieg nach Punkten geht in diesem Fall eindeutig an die unschlagbaren Polen um Kommandanten Peter. Nach dem Totalabriss des Jubiläums-Headliners geht es fröhlichen Fußes zurück zu meiner geliebten Renault F-14, die ich mit Blick auf die wagemutige Fauna unserer Landschaft auf die Autobahnroute manövriere. In der Absicht, mein Gefährt dort auf unteren Überschall zu prügeln, gerate ich in eine Zollkontrolle. Den Zollbeamten grüße ich mit einem freundlichen "Nabend!", worauf dieser nur trocken und zielgerichtet "Heavy Metal?!" fragt. Nach einem kurzen Moment des Verarbeitens quittiere ich mit einem laut lachenden"...ja, genau!" und darf meine Reise fortsetzen. Hätte mein fahrbarer Untersatz eine eingebaute Kaffeemaschine (wie Terence Hill's Bus in "Zwei wie Pech und Schwefel"), hätte ich ihm glatt einen Becher angeboten. Apropos Kaffee...morgen schrillt der Wecker wieder unbarmherzg, aber eines steht fest: am Morgen danach werde ich standesgemäß kaputt sein – kaputt, aber glücklich!


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