22.04.2023, Tilburg,

Roadburn Festival 2023 - Tag 3 & 4 mit WAYFARER, IMPERIAL TRIUMPHANT, ZOLA JESUS, CAVE IN, CHAT PILE...

Text: Werner Nowak | Fotos: Werner Nowak
Veröffentlicht am 08.05.2023

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Tag 3

Auch der dritte Tag bot ein sehr abwechslungsreiches Programm. Zum Start gab’s gleich von PUPIL SLICER ordentlich auf die Lauscher. Für Fans von Grind/Math-Core sicher interessant, mein cup of tea war’s jetzt nicht so.

Artist in Residence waren dieses Jahr SANGRE DE MUERDAGO, die somit drei Auftritte am Festival bestreiten durften. Ich konnte noch dem letzten beiwohnen. Das erste Mal hatte ich sie bereits im Vorprogramm von HEILUNG in Wien gesehen. Mir ist der galizische Folk auf Konzertlänge dann aber doch etwas zu ruhig und getragen.

DUMA & DEAFKIDS boten auch ein Auftragswerk dar, die Kooperation der Musiker aus Afrika und Brasilien war ein Downtempo-Moloch mit Ritual/Ambient/Industrial Einflüssen. Die düstere und bedrohliche Musik wurde noch durch die spärliche Lichtsetzung unterstützt.

SOWULO aus den Niederlanden spielen Pagan Folk in einer Mischung aus HEILUNG und VARDRUNA. So gab es neben einer Lure mit Drachenkopf, Hörner, Leier und Trommeln auch Harfe und Violinen im Instrumentarium. Und wie auch bei den genannten Bands wird hier der Geist der nordischen Kultur beschworen. Projektgründer Faber Horbach teilt sich die Gesangsparts mit einer Sängerin, atmosphärische, meditative Songs wechseln sich ab mit treibenden, rituellen Tracks. Für Fans des Genres eine absolute Empfehlung!

Die Amerikaner CHAT PILE sind wohl der neue “hot shit”, die Mainstage war zum Bersten gefüllt. Mir hat die Band bis dato nichts gesagt, das Debutalbum “God’s Country” erschien auch erst vor nicht mal einem Jahr und den Secret Gig am Vortag hatte ich ausgelassen. Daher war ich schon gespannt, was hier nun abgehen würde. Sänger Raygun Busch sah aus, wie direkt einem Wohnwagen in einem Trailerpark eines kleinen, verarmten amerikanischen Kaffs entstiegen: barfuß, nur mit einer Jogginghose bekleidet (die er dann später auch noch kniehoch umgekrempelt hat), 80er-Porno-Schnauzer und leichte Bierwampe. Und so “stiefelte” er dann während der Show von einer Seite der Bühne zur anderen, dabei rezitierte er in Henry-Rollins-Manier die Lyrics zu einem Teppich aus Noise Rock / Sludge-Sounds, den die Bandkollegen ausbreiteten. Ich muss gestehen, mich konnte die Band nicht so wirklich abholen.

Es ist toll, dass es am Roadburn auch Platz für die leiseren Töne gibt. Das war zum Beispiel der Fall bei KATHRYN JOSEPH. Die Solokünstlerin aus Schottland präsentierte ihr neues Album “For You Who Are the Wronged”. Es sind düstere und fragil wirkende Songs, die aber teilweise mit Fortdauer an Intensität gewinnen, die Stimme nur von einem Elektropiano begleitet. Absolute Empfehlung!

DAVID EUGENE EDWARDS ist natürlich absoluter Kult. Der musikalische Wanderprediger hat sich schon mit 16 HORSEPOWER und WOVEN HAND einen Namen gemacht, nun ist er seit einiger Zeit ohne Mitmusiker unterwegs. Am Roadburn hat er sich auf der Bühne der Mainstage auf einem Sessel zwischen Monitorboxentürmen verschanzt, vorsorglich auch noch mit Hut und Sonnenbrille ausgestattet. Das Set bot dann eine Mischung aus Songs seiner beiden Bands, Covers von BOB DYLAN und RASPUTINA sowie einem Traditional begleitet von Mandoline oder Akustikgitarre.

“Interstellar Mixtape” haben CAVE IN ihre Show betitelt. Die Amerikaner spielten in ihrem Set Eigenkompositionen und fast zur Hälfte Cover-Versionen von THE CURE, BAD BRAINS oder FLEETWOOD MAC, denen sie ihren Post-Hardcore / Prog-Rock Stempel aufgedrückt haben.

NIKA ist das Soloprojekt von ZOLA JESUS und was die Dame hier auf der Bühne, meist in Kauerstellung, dargeboten hat, war knapp dran an Körperverletzung! In brachialer Lautstärke wurden hier noisige Elektroniksounds zusammengeschraubt. Das ist die passende Munition für eine Schallwaffe!

Mit BOY HARSHER war dann auch noch Tanzmusik angesagt am Roadburn! Das Duo aus L.A. hat zu späterer Stunde mit seinem düsteren Synth Wave noch zahlreiche Besucher in die große Halle gelockt und die wurden mit einer energiegeladenen Performance von Sängerin Jae Matthews belohnt. So kam auch recht schnell ordentlich Bewegung ins Publikum und die Stimmung fand dann beim Undergroundhit “Pain” ihren Höhepunkt. Da gab’s wohl einige Besucher, die noch gerne weiter Party gemacht hätten! Aber die mussten sich eine Alternative suchen, denn Zugaben gab es leider keine. Trotzdem ein schönes Ende für den vorletzten Tag!


Tag 4

Zum Auftakt des letzten Tages gab es eine weitere Auftrags-Performance, diesmal von ELIZABETH COLOR WHEEL & ETHAN LEE. Letzterer spielt auch bei PRIMITIVE MAN und war bereits in der Vergangenheit zu Gast am Roadburn. Hier wurden auch keine Gefangenen gemacht, so gab es ruhige Passagen, die dann aber wieder in heftige Scream- und Riffattacken gipfelten.

Am Weg zur Mainstage habe ich auch noch bei THE SONIC DAWN vorbeigeschaut. Schon von der Optik war klar, die Dänen spielen 70s-Rock, Psychedelic Rock, um genau zu sein. Für Genre-Liebhaber sicher ganz ok, meins war es nicht so ganz. Aber es war eh nicht viel Zeit, denn nebenan ging es gleich weiter mit der nächsten Band.

Der letzte Tag war für mich sehr BM-lastig und den unheiligen Reigen eröffnete IMPERIAL TRIUMPHANT aus New York. Hier trifft Black Metal auf Jazz! Wie gewohnt in Kutten und goldenen Masken gehen die drei Musiker zu Werke und schicken ihren wuchtigen Sound durch die Halle. Unterstützt wird die Performance von großartigen Visuals mit animierten Darstellungen von Objekten und Gebäuden im Art Deco und Dieselpunk-Stil. Auch die Maskenmotive werden darin immer wieder aufgegriffen.

Danach war wieder ein kurzer Spaziergang zur nächsten Band angesagt: OSSAERT ist ein Ein-Mann-Black Metal Projekt aus den Liederlanden. Der ominöse Bandleader “P.” wird live aber von einer kompletten Band unterstützt. Einem Hohepriester gleich zelebriert der Sänger in Kutte, Corpsepaint und Stachelarmstulpen die unheilige Metal-Messe.

Schwarzmetallisch ging es in der kleinen “Hall of Fame” weiter! WITTE WIEVEN hatten keine lange Anreise, kommen sie doch direkt aus Tilburg. Der Name bedeutet so viel wie “Weise Frauen” und so macht es auch durchaus Sinn, dass für die Vocals (und eine Gitarre) eine Frau verantwortlich zeichnet. Anzusiedeln sind sie im Atmospheric Black Metal und das neue Album “Dwaallicht” wurde kurz vor Festivalstart veröffentlicht.

In eine ähnliche Schublade kann man die Amerikanern WAYFARER packen, hier gibt es aber noch Einflüsse aus der amerikanischen Folk Musik. Und es werden hier nicht die klassischen Black Metal Themen in den Lyrics verarbeitet, man nimmt sich hier den Wilden Westen vor! Leider konnte ich mir die zweite Hälfte mit der Präsentation des neuen Materials nicht mehr anhören, da ich zurück zur Mainstage musste.

Hier stand nämlich die Show von ZOLA JESUS am Programm. Verstörte NIKA am Vortag noch etwas, durfte man sich hier auf bekannte Songs freuen. Getrübt leider etwas von Soundproblemen, konnte die Sängerin selbst aber durch eine intensive Performance beeindrucken, vor allem auch bei den solo am E-Piano vorgetragenen Stücken.

Der letzte Act auf der Hauptbühne war OISEAUX TEMPETE. Das Projekt ist ein fluktuierendes Kollektiv aus Frankreich. Musikalisch treffen hier verschiedenste Genres aufeinander. Post-Rock, Ambient, Drone oder Stoner. Entsprechend viele Musiker fanden sich dann auch auf der Bühne ein.

DUMA waren dann für mich der krönende Abschluss. Ich hatte schon lange keine so intensive und brachiale Show gesehen. Die rohe Kraft, die die beiden Kenianer mittels Industrial-Sounds und Growls produzierten, hat sich direkt ins Publikum übertragen und für reichlich Bewegung gesorgt! Während an der Elektronik schraubte, fegte Martin Khanja (aka Lord Spike Heart) über die Bühne, schrie und schüttelte seine Dreadlocks. Das war ein würdiger Ausklang des Roadburn 2023!

Fazit: Es war wieder eine großartige Mischung an Künstlern und Bands und ich habe wieder einige neue interessante Acts entdecken können. Die Atmosphäre und die Organisation war wie üblich toll und es gab dieses Jahr wieder ein paar neue Foodtrucks mit reichlich Angebot, auch für vegan/vegetarische Verpflegung.

Wer neben (Underground)Metal auch gerne ein oder auch zwei Ohren bei anderen Genres riskiert, dem kann ich das Roadburn nach wie vor nur wärmstens empfehlen!

Der Vorverkauf für die nächste Ausgabe von 18. – 21.4.2024 hat bereits begonnen!
https://roadburn.com/tickets/

Mehr Fotos gibt’s wieder auf meiner Seite stills.eraserhead.at


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