20.04.2023, Tilburg,

Roadburn Festival 2023 - Tag 1 & 2 mit DEAFHEAVEN, WOLVES IN THE THRONEROOM, BELL WITCH, JULIE CHRISTMAS, BURST...

Text: Werner Nowak | Fotos: Werner Nowak
Veröffentlicht am 03.05.2023

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Tag 1

Das Roadburn-Festival ist nun wohl endgültig aus der Schublade "Metal-Festival" rausgeplumpst. Aber halt, bevor Du nun aufhörst zu lesen, nimm Dir noch ein wenig Zeit für meinen Report! Denn das Etikett "Underground" passt nach wie vor und auch für Gitarren-Freaks gab es noch reichlich Stoff für mehrtägige abwechslungsreiche Unterhaltung.

Letztes Jahr lautete ja bereits den Untertitel "Redefining Heavyness" und das wurde auch dieses Jahr fortgesetzt. Denn mit "Heavy" ist nun nicht mehr nur zwangsweise "Härte" im eigentlichen Sinn gemeint, denn es gibt hier ja weit mehr Assoziationen wie z.B. "Schwermut" oder andere intensive und extreme Sinneseindrücke.

Für den Verfasser dieser Zeilen ist das aber absolut positiv, denn seine musikalische Bandbreite findet sich hier absolut wieder und auch von seinem Freundeskreis weiß er, dass viele gerne über ihren kruppstahl gehärteten Tellerrand blicken und offen sind für Dark Folk, Post Punk, Synth Wave oder andere undergroundige Klänge.

Und davon gab’s an diesen vier Festival-Tagen genug! Und wer schon am Mittwoch in das niederländische Städtchen Tilburg angereist war, für den gab es wie jedes Jahr einen Warmup-Abend am Mittwoch mit ein paar Bands bei freiem Eintritt.

Aber nun mal zum ersten Tag. Den Auftakt im Terminal machten die Schweizer YRRE, und die brachten gleich mal ein ordentliches Black/Doom/Sludge-Monster auf die Bühne! Ein toller Auftakt für die nach Lärm lechzenden Roadburner!

Es ging zurück in die Next Stage und gleich wieder weg vom Gas mit GRIFT, das Projekt von Erik Gärdefors. Der Schwede präsentierte hier solo und akustisch mit Gitarre seine folkigen Lieder aus dem hohen Norden.

Auf der Mainstage dann wieder Kontrastrprogramm von JOHN CXNNOR aus Dänemark. Das war eines meiner Highlights des Festivals! Der Name ist natürlich an John aus der Terminator-Reihe angelehnt und gleichsam einer unerbittlichen Maschine bahnt sich der brachiale Industrial-Sound seinen Weg in die Gehörgänge. Unterstützt werden die beiden Brüder Ketil und Rasmus G. Sejersen (die auch eine Hälfte der Band LLNN verkörpern) von wechselnden Sängern und einer Sängerin. Auch diese passten optisch und stimmlich optimal zum Auftragswerk namens “All My Future’s Past”, welches extra für das Festival geschaffen wurde.

Musikalisch gibt es an diesem Tag kalt-warn für mich, denn im Nebenraum stand danach mit OSI AND THE JUPITER eine Band auf der Bühne, die ich bis dato auch noch nicht live erleben durfte. Obwohl da Duo aus Ohio stammt, steht die Musik doch sehr stark in der Tradition des Europäischen Neo und Pagan/Nordic Folks.

Ordentlich stromverstärkt ging es im Anschluss weiter, Mit BURST betrat der zweite Act aus Schweden die Bühne.  Obwohl es die Band unter diesem Namen bereit seit 1996 gibt, hatte ich sie bis dato noch nicht auf dem Radar. Solider Post/Progressive Metal war hier das Thema, durchaus unterhaltsam und gut zum Ohren durchpusten.

Die Briten ESBEN AND THE WITCH haben offensichtlich inzwischen eine wirklich treue Fangemeinde, denn es wurde dann wirklich rappelvoll in der Next Stage, mit einer langen Schlange vor dem Eingang! Wohl nicht zuletzt, weil auch das neue Werk “Hold Sacred” komplett performed wurde! Veröffentlich wird das Album am 12.5.2023.

Mehr Platz war dann wieder bei der Hauptbühne für den Auftritt von JULIE CHRISTMAS. Diese hat ihrem Namen dann auch alle Ehre gemacht und geleuchtet wie ein Christbaum, also zumindest ihr Kleid. Das mit Leuchtfäden ausgestattete extravagante Kleidungsstück hinderte sie aber nicht daran, in gewohnter Manier über die Bühne zu toben, zu headbangen und sich die Seele aus dem Leib zu screamen. Die Amerikanerin war zuletzt bei der Koop-Performance mit CULT OF LUNA beim Roadburn und dieses Mal verstärkte der COL-Sänger und Gitarrist Johannes Persson ihre Band. Post Metal wie er sein soll!

WHITE BOY SCREAMS war dann komischerweise gar kein Junge, sondern eine junge Dame. Die ursprünglich von den Philippinen stammende und nun in Los Angeles lebende Künstlerin ist ausgebildete Opernsängerin und verquickt Klassik mit experimenteller Elektronik. Interessant, aber teilweise etwas anstrengend.

Zu den Amis von DEAFHEAVEN habe ich ein etwas gespaltenes Verhältnis. Aber nicht, weil ich den “Hipster Black Metal” nicht trve genug finde, oder den tänzelnden und posenden Frontman unpassend finde. Ich mag die Musik, nur sind mir die Screams live einfach zu nervig. Und das hat sich mit dem letzten Album ja eh einigermaßen erledigt. Das gab’s dann ja auch am nächsten Tag, zuerst stand aber mal das komplette “Sunbather”-Werk auf dem Programm!

In Wien hatte ich THE SOFT MOON leider verpasst, nun konnte ich das aber nachholen! Unterstützt von einem Drummer brachte Luis Vasquez das fünfte und letzte Album “Excister” aus dem Jahr 2022 auf die Bühne. Zu den treibenden Post-Punk Beats tänzelte der Frontman über die Bühne, haute in die Keyboardtasten und schmiss sich mit der Gitarre in Pose.
Ein toller Abschluss des ersten Tages!

 

Tag 2

Zum Wachwerden am Tag Zwo war wohl AD NAUSEAM eine gute Wahl! Bereits um 13 Uhr konnte man sich den Technical Death Metal der Italiener um die Ohren blasen lassen. Geboten wurde das komplette Album “Imperative Imperceptible Impulse” aus dem Jahre 2021.

Ein weiteres Auftragswerk stand mit TROUNCE und dem Stück “The Seven Crowns and Arias of the Empty Room” am Programm. Hinter dem Projekt steckt ein Kollektiv von Musikern aus der Schweiz, die das Label “Hummus Records” betreiben und in Bands wie COILGUNS oder CLOSET DISCO QUEEN stecken. Schwere Gitarren verbanden sich mit Elektronik und Screams und Growls zu einem mäandernden Soundgewitter.

ALISON COTTON & DAWN TERRY war für mich der seltsamste Act des Festivals: Ein Duo mit Violine und Akkordeon macht Ambient-Musik. Da war für mich nach 5 Minuten Schluss, um mich danach mit etwas anderen zäh fließenden Soundstrukturen beschallen zu lassen.

BELL WITCH waren dieses Jahr eine der “Überraschungsbands”, d.h. sie wurden erst im Laufe des Festivals angekündigt und standen im Vorfeld noch nicht auf dem Lineup. Natürlich verbreitet sich die Kunde dann aber rasch, auch dass das neue Album “Future's Shadow Part 1: The Clandestine Gate” präsentiert wird. Aber die Geduld der Roadburners wurde auf die Probe gestellt, erst mit 15 Minuten Verspätung erklang der erste Ton, der ein fast 10-minütiges Intro einläutete! Und wie auch beim Vorgänger “Minor Reaper” musste man sich schon auch auf die nachfolgenden fast 80 Minuten Funeral Doom einlassen!

“I think we are the softest band on this festival” – mit diesen Worten eröffnete Lukas Frank die Show seines Projektes STOREFRONT CHURCH. Auch wenn die Genregrenzen beim Roadburn inzwischen sehr breit gesteckt sind, sind die folgenden Klänge doch sehr untypisch. Wenn LANA DEL REY und CHRIS ISAAK einen Sohn hätten und Thom Yorke (RADIOHEAD) wäre der Onkel, ich denke seine Musik würde klingen wie diese Band. Düstermelancholischer Indie Pop, vorgetragen von Musikern, die sich kurz davor zu ersten mal live getroffen haben und trotzdem klingen und wirken, als würden sie das schon jahrelang machen. Auch ein Highlight für mich!

Ihre eigene Interpretation von Black Metal präsentieren WOLVES IN THE THRONE ROOM erneut am Roadburn. Ganz ohne Höllenfürsten, Pentagram oder Corpsepaint, dafür mit viel Atmosphäre, Mystik und Natur. Dieses Jahr mit einer speziellen Show namens “Shadow Moon Kingdom”, bei der sie ihre Stücke mit neuen Tonaufnahmen und mit einem eigens dafür gedrehten Film visuell unterstützten.

Ebenfalls auf der großen Bühne dürfen sich BRUTUS austoben. Den ersten Kontakt hatte ich letztes Jahr auf dem Wave Gotik Treffen. Da haben sie mich nicht so vom Hocker gerissen, dieses Mal gefielen sie mir aber besser. Das Trio aus Belgien lässt sich im Prog/Post/Math-Rock und Post-Harcore schubladisieren, das besondere ist aber die Sängerin und Schlagzeugerin Stefanie Mannaerts, die mit ihrem Drumkit am rechten Bühnenrand im 90-Gradwinkel zum Publikum sitzt und spielt und singt!

Schon wieder DEAFHEAVEN! Diesmal aber mit dem letzten Album “Infinite Granite”, auf dem sie einen gravierenden Stilwechsel vollzogen haben, weg vom schwarzmetallischen Scream-Metal hin zu Post-Rock mit cleanen Vocals. Finde ich super! Vom Stage-Acting schaut’s aber nicht viel anders aus wie am Vortag, Sänger George Clarke fegt ebenso über die Bühne und schmeißt sich in die verschiedensten Posen.

Und weil’s lustig waren, hab’ ich auch noch ein paar Takte bei DEWOLFF reingehört. Obwohl aus den Niederlanden sind die Protagonisten optisch und musikalisch in den 60/70ern in Amerika angesiedelt, also stand Southern/Psychedelic Rock aus dieser Ära am Programm. Die Band wurde von den Brüdern Luka und Pablo van de Poel gegründet und konnte rasch landesweit Erfolge verbuchen. Das ist auch nicht weiter verwunderlich bei der Performance des Sängers und seiner Live-Band inklusive Background-Sängerinnen und Trompetern. Aber der Tag war lang und es ging dann bald bettwärts…


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