29.07.2022, Planet.tt, Bank Austria Halle, Gasometer, Wien

GOJIRA + ALIEN WEAPONRY + EMPLOYED TO SERVE

Veröffentlicht am 04.08.2022

PROLOG

Auf die erste Headliner Club Show von GOJIRA in Wien hat die Metal-Welt schon seit Ewigkeiten gewartet. Nach dem Support-Gig von IN FLAMES im Jahre 2008 kehrte die französische Metalband der Stunde wieder in den Wiener Gasometer zurück. Der ursprünglich ausverkaufen Show in der großen Halle der Arena Wien weinten zwar einige nach, da dort der Sound besser ist, aber viele waren auch froh, durch die größere Location auch noch an Karten gekommen zu sein. So voll habe ich die Gasometer-Halle selten erlebt, die Arena wäre aus allen Mauerfugen geplatzt. Nur ein Open Air wie bei MASTODON vor ein paar Wochen wäre bei den aktuellen Temperaturen sicher die noch bessere Option gewesen, denn die Gasometer-Halle wandelte sich im Laufe des Abends in eine Großraum Sauna.

Ich habe GORIJA bisher nur auf Festivals erlebt. 2012 am NOVAROCK noch als Geheimtipp, am ROCK IN VIENNA 2015 und 2016 (zum Bericht) und 2017 (zum Bericht) am NOVAROCK – dort dann aber bereits als etablierten Act. Das beste GORJIA Konzert war für mich der Headliner Festival Gig am BRUTAL ASSAULT 2018.

ANGESTELLT UM ZU DIENEN

Vor dem imposanten Auftritt der Franzosen hieß es aber noch ein wenig durchhalten in der Hitze des Gefechts. Denn die Halle war schon zum Opener EMPLOYED TO SERVE gut gefüllt, sodass man sich erst mal einen guten Platz mit guter Sicht (leichter möglich) und gutem Sound (schwieriger möglich) zu sichern versuchte. Die englische Metalband mit Hardcore-Einflüssen beeindruckte mit brachialem Sound, der Gesang von Frontfrau Justine Jones war Geschmacksache. Wem es gefiel, der wurde mit einem engagierten aber kurzen Set von ca. 30 Minuten gut versorgt, bei dem das aktuelle Album „Conquering“ den Schwerpunkt der präsentierten Songs ausmachte.

FREMDE WAFFEN AUS NEUSEELAND

Viele Konzertbesucher warteten aber auf eine der aktuell exotischsten Metalbands der Erde. Die Rede ist von ALIEN WEAPONRY, die weitangereist kamen – zwar nicht aus fernen Galaxien, aber zumindest aus Neuseeland – und die mit dem häufig eingesetzten Māori Gesang zu ihrem groovigen Thrash-Metal deutlich aus der Masse der Metalbands hervorstechen. ALIEN WEAPONRY wurde 2010 von den damals acht- und zehn-jährigen Brüdern Henry und Lewis de Jong gegründet, nachdem sie sich den Film „District 9“ angesehen hatten. Ihr Ziel, vor dem 20. Geburtstag des jüngeren Bruders in Wacken zu spielen, hatten sie 2018 erreicht.

Zu dritt groovten ALIEN WEAPONRY in bester PRONG- oder BLACK INHALE-Manier ordentlich drauf los. Bei den maorischen Gesängen konnte man sich die aus Filmen bekannten rituellen Tänze der Māori vor geschlossenen Augen gut dazu vorstellen. Am besten beim finalen und wohl bekanntesten Song „Kai Tangata“, bei dem die rhythmisch abgehackten Riffs die Kriegsrufe der Tänzer widerspiegeln sollen und der hymnische Refrain im Ohr hängen bleibt. Die Songs der bis jetzt veröffentlichten Album „Tu“ (2018) und „Tangaroa“ (2021) stießen auf viel Begeisterung im Publikum und an diesem Abend hat die Band auch sicher viele neue Fans gewonnen.

War in den 90er Jahren SEPULTURA mit „Roots“ ein Metal-Album mit einzigartigem fremdländischen Kultureinfluss gelungen, sind nun ALIEN WEAPONRY das Aushängeschild einer neuen Bewegung, die sich mit kulturellen, historischen und aktuellen Themen auseinandersetzt.

DER FRANZÖSISCHE GODZILLA

In einer eigenen Liga spielen aber schon seit einiger Zeit GOJIRA, die das Zeug haben, in Zukunft die großen Metal-Festivals zu headlinen, wenn es Größen wie METALLICA nicht mehr können. Auch beim Publikum im Gasometer zeigte sich ein großer Konsens zwischen Jung und Alt und zwischen Alt-Fans und Mainstream, auch viele weibliche Fans wurden gesichtet. Die Promotion-Maschinerie lief seit dem Geniestreich „Magma“ dem Anschein nach richtig gut. Mit dem aktuellen Album „Fortitude“ legten GOJIRA noch einmal nach, sodass wohl nun keiner mehr das Können der Band anzweifeln kann.

Für den Umbau verdeckte eine weiße Leinwand die Bühne und der Countdown der letzten Warteminuten steigerte die Spannung bis zum erlösenden Auftritt der Band. Mit dem eingängigen „Born For One Thing“ vom aktuellen Album wurde gestartet, welches gleich alle Stärken der Bands präsentiert: Messerscharfe Riffs, Nackenbrecher-Rhythmen und aggressive aber stets eingängige Vocals. Danach wurde mit „Backbone“ vom brachialen 2005er Werk „From Mars To Sirius“ nachgelegt. Das Eröffnungs-Trio vervollständigte „Stranded“ vom „Magma“-Opus, das mit gesanglichen IN FLAMES Referenzen das Publikum komplett ausrasten ließ.

Beim älteren Signature Track „Flying Whales“ ließ man am BRUTAL ASSAULT wirklich aufblasbare Wale in der Menge schwimmen. In Wien blieben die Showeffekte trotz eines beindruckenden Lichtarrangements und des Öfteren eingesetzten großen Rauchsäulen eher zurückhaltend. Auf die bei Shows dieser Größenordnung schon fast obligatorischen Papierschnitzel wurde jedoch nicht verzichtet (Nach dem schwarzen Papierschnitzelregen bei BEHEMOTH wunderten mich die weiße Variante bei GOJIRA auch nicht mehr).

Bei „The Cell“ gab wiederholt Schlagzeuger Mario Duplantier die polyrhythmische Basis, auf der sein älterer Bruder Joe Duplantier mit seinem Gitarristen Kumpel, Christian Andreu, den Song aufbaute. Das Schlagzeug hat bei GOJIRA eine enorme Bedeutung im Songwriting, wie es Lars Ulrich in den 80ern auch hatte (Er müsste halt einfach mehr üben!).

Richtig Old-School wurde die Setlist mit dem Medley „Love / Remembrance“, Songs von den ersten beiden Alben „Terra Incognita“ und „The Link“ ergänzt, bevor es hymnisch mit Chören bei „Hold On“ weiterging. „Silvera“ war sicher ein großer Höhepunkt, ein genialer Song mit eingängiger Gitarrenmelodie, auf die im Refrain aufgebaut wird, und mit dem faszinierenden Gitarrentapping-Part, der für offene Münder sorgte. Auch „Another World“ war ein Ohrwurmtrack, der dem Publikum zusätzlich einheizte.

„L’Enfant Sauvage“ erinnerte mich an meine erste Begegnung mit der Band, die einen einzigartigen Sound kreiert haben. Für die Publikumsinteraktion diente danach der eher simple, weil archaische Song „The Chant“, was naturgemäß mit Publikumschören wie auch bei GRAND MAGUS „Hammer Of The North“ sehr gut funktionierte.

Mit „The Gift Of Guilt“ erfüllte mir die Band bei meiner Liebe zu Tappingparts einen noch nie live gehörten Songwunsch. Vielen im Publikum dürfte es ähnlich ergangen sein, denn die Setlist blieb wenige Songwünsche schuldig. Bei aller Achtung für IN FLAMES und MACHINE HEAD, aktuell machen GOJIRA die besseren Alben und müssen live nicht nur auf die alten Kracher setzen. Erstaunlich, wie gut die neuen Songs schon bei den Fans angekommen sind. Somit wurde die Zugabe nicht mit alten Klassikern, sondern mit den extrem starken neuen Songs „New Found“ und „Amazonia“ abgeschlossen.

EPILOG

Die Band trifft den aktuellen Zeitgeist und trägt wichtige Botschaften in ihren Songs, stets authentisch und ohne plakativ zu wirken. Die sympathischen Duplantier-Brüder zeigten an diesem Abend mit ihren Mitstreitern Christian Andreu an der zweiten Gitarre und Jean-Michel Labadie am Bass eine Glanzvorführung an Engagement auf der Bühne, die die Messlatte hoch legt.


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