3. - 5. Juni 2022, Amphitheater Gelsenkirchen, Gelsenkirchen

ROCK HARD FESTIVAL 2022

Veröffentlicht am 12.06.2022

TAG 1

Endlich! Nach über zwei Jahren Livemusik-Abstinenz ging es zum Rock Hard Festival im Amphitheater Gelsenkirchen. Welch' Wohltat, können sich die Ohren mal wieder vom Alltagslärm erholen, da war das angekündigte Billing zunächst völlig nebensächlich, Hauptsache raus, Musik.

NECK CEMETERY gehört zu den weniger bekannten Bands des Festivals. Im Vorfeld im Internet nachgesehen (aber nicht in die Musik reingehört), konnte man lesen, dass der Frontman Rock Hard Redakteur Jens Peters ist. Zudem spielt Yorck Segatz von SODOM Gitarre. Okay, wird sicher nicht so prickelnd, typischer Fall von „Vetternwirtschaft“. Oder doch nicht? NECK CEMETERY entpuppten sich als angenehme Überraschung. Die Band ist tight, der Sound ist gut, Peters ein solider Shouter, die Songs machen Bock. So machte das Erwachen aus dem zweijährigem Konzert-Winterschlaf Spaß. Vorgestellt wurde auch die neue, an dem Tag veröffentlichte, Single „Behind The Mask“, präsentiert mit aufgesetzter Jason Voorhees Maske. Man ist aber keine einfältige Spaß-Combo. Man äußerte sich auch zur aktuellen Situation in der Ukraine und bezog Stellung gegen Nationalismus und Populismus und spielte „The Fall Of A Realm“ vom 2020 erschienenem Debüt „Born In A Coffin“. Überzeugt von der Show, bereichert besagtes Album nun die eigene Sammlung. In der Autogrammstunde auf die Bedenken angesprochen, dass NECK CEMETERY nur wegen der Rock Hard Connection gebucht wurde, erwiderte Peters, dass man sich anfangs sogar dagegen gewehrt habe, „Bucht uns nur wenn ihr uns wirklich gut findet“. Gute Wahl für den Festival-Opener.

SORCERER hingegen dürften so manchen ein Begriff sein. Seit Ihrer Reunion 2010 haben die Schweden drei sehr gelungene Alben veröffentlicht. Leider hatte die Fluggesellschaft ihre Gitarren verschlampt, doch unter anderem durch Hilfe von HEATHEN, konnte der Gig dennoch stattfinden. Neben „The Hammer Of Witches“, „Abandoned By The Gods“, „Lamenting Of The Innocent“ und „Siren“, wurde mit „Unbearable Sorrow“ (vom 2017er Album „The Crowning Of The Fire King“) ein Song geboten, den die Band zuvor noch nie live gespielt hatte. Feiner Doom Metal. Zu diesem Zeitpunkt ist es vor der Bühne und auf der mittleren Tribüne schon gut gefüllt.

Auch wenn NIFELHEIM mich persönlich nicht ansprachen, so konnte man doch merken, wie gut sie bei einem großen Teil des Publikums ankamen. „NIFELHEIM! NIFELHEIM! NIFELHEIM!“ Rufe waren immer wieder zu hören und auch nach ihrer Performance konnte man Fans enthusiastisch über die Performance reden hören. Musikalisch ist die Band nicht schlecht. Das Black Metal Leder, Makeup, Nieten, Nieten und noch mehr Nieten Image ist so klischeehaft, dass es schon fast (gewollt) albern wirkt. Laut Programmheft hat die Band Kultstatus. In einem ihrer Interviews haben sie eine Platte von STRYPER angepinkelt und dann angezündet. Dafür gibt es zumindest einen Sympathiepunkt.

Zu den großen Überraschungen zählte für mich AXXIS. Es ist (oder war) für mich eine der Bands, von der hat man einige Alben, mag einige Songs, aber so richtig Fan ist man nicht. Nach dieser Livedarbietung habe ich sie für mich neu entdeckt. AXXIS ist eine Hammer Liveband! Songs wie „Blood Angel“, „Virus Of A Modern Time“ und „Venom“ klingen besser und fetter als die Studioaufnahmen und auch alte Nummern wie „Stay Don't Leave“ und „Little War“ klingen frisch und zeigen, dass Bernhard Weiß' Stimme nichts eingebüßt hat. Gute Rhythmussektion, nicht zu überladenes Keyboard, toller Gitarrensound. Wie Matthias Degener in der Autogrammstunde sagte, „Wir versuchen mit den ganzen Thrashern mitzuhalten und nicht wie die BACKSTREET BOYS zu klingen.“ Von letzterem waren sie zum Glück weit entfernt.
Genau richtig zu diesem Punkt war es auch einen Frontmann zu haben, der intensiv mit dem Publikum interagierte, zu Singspielchen animierte („Das könnte ich stundenlang machen, Songs brauche ich gar nicht“) und vielleicht für manche zu viel schwadroniert haben mag, vor allem über das Alter und auch nicht immer politisch korrekt (wer das möchte sollte besser Anne Will schauen), aber etwas Humor hat an der Stelle nicht geschadet. 
AXXIS hatten noch nie auf dem Rock Hard gespielt, das Publikum ging zu Songs wie „Kingdom Of The Night“ ab und auch das abschließende STEAM Cover „Na Na Hey Hey Kiss Him Goodbye“ kam gut an. Die Locken mögen zwar nicht mehr an derselben Stelle sein wie 1989, aber momentan sieht es nicht so aus, als ob die Band in den nächsten Jahren einen Rollator benötigt. Kann man sich ruhig nochmal live geben.

Warum HEATHEN nicht in einem Atemzug mit den anderen Größen des US Thrash Metals genannt werden, dürfte allen die sie live gesehen haben ein Rätsel sein. Wie Sänger David White so treffend sagte, ist Lead-Gitarrist und Songwriter Kragen Lum „a fucking maniac on the guitar“. Wer ihn zuvor noch nicht mit HEATHEN gesehen hat, hat ihn vielleicht schon als Ersatz für niemand geringeren als Gary Holt bei EXODUS gesehen, während dieser mit SLAYER tourte. Apropos EXODUS, Bassist Lee Altus war leider nicht anwesend, da er mit diesen auf Tour ist. Für ihn sprang Kyle Edissi ein, der einen soliden Job machte. Der Song „Sun In My Head“ vom 2020 erschienenem Album „Empire Of The Blind“ war eines der Highlights. Aber auch „Dying Season“ oder die beiden Stücke „Death By Hanging“ und „Goblin's Blade“ vom 1987er Album „Breaking The Silence“ hauten ordentlich rein.
White wandte sich auch immer wieder ans Publikum. „Is it loud enough?“ Darauf gibt es natürlich nur eine richtige Antwort: „Noooo!“ Ob die Leute die Texte kennen, hält er für nebensächlich, es gefällt ihm, wenn sie trotzdem mitsingen und ihr Bestes geben. „I hate this barricade shit“ - das kauft man der Band auch ab, die nach Ende des Konzerts die Nähe zu den Fans in den vorderen Reihen suchte.
Schon Bernhard Weiß machte Bemerkungen darüber, dass man ja nicht weiß, wie lange man noch lebt und auch David White wies darauf hin, „tomorrow's not promised“. Entgegen ihren Nachnamen ein bisschen düstere, wenn auch realistische, Kommentare, die einem ins Bewusstsein rufen, dass man jeden Tag, ja, jeden Moment, schätzen sollte. 

Die ernsthafteste Band des Tages folgte mit SACRED REICH, die ebenfalls sehr feinen Thrash ablieferten. Lyrics spielen bei Ihnen eine wichtige Rolle. „Every song is important to us. A lot of bands sing about whatever“. Daher gab es auch immer wieder Erklärungen von Phil Rind zu den Songs, etwa wenn er lang zu „Awakening“ ausholte, dass es hierbei um ein internes, spirituelles Erwachen geht, ein „self-awakening“. Kein „bullshit politician“ kann uns retten, nur wir selbst und auch wir haben kaum Kontrolle über unsere Leben.
Ob SACRED REICH als Headliner eine ideale Wahl waren, darüber kann man diskutieren. Die Band hat zwar abgeliefert, aber als sie um 21:30 die Bühne betreten sollten ertönte erst mal „The Boys Are Back In Town“ von THIN LIZZY in voller Länge über die Lautsprecher, bevor die Band mit „Divide and Conquer“ ihr Set begann. Nach „Surf Nicaragua“ war um 22:48 Schluss. Ein 75 Minuten Slot wäre da wohl besser gewesen als ein für 90 Minuten geplanter Headline Slot. Da hätten noch zwei bis drei Songs mehr reingepasst.
Etwas versaut wurde der Genuss des Sets aber nur durch einen sich unaufgefordert nähernden Festivalbesucher, mit mindestens einem Bier zu viel und einer Hirnzelle zu wenig, der mit „Gefällt dir so eine Musik überhaupt?“ und „Kennst du die Bands überhaupt?“ Fragen nervte, bevor er merkte, dass keine Konversation erwünscht war und er sich wieder zurückzog.


TAG 2

Der zweite Tag begann um 12 Uhr mit einer „Kumpels in Kutten“-Lesung im Satanorium. Dieses musste man (trotz Festivalplan) erst mal finden, befand es sich doch außerhalb des eigentlichen Geländes zwischen diversen Ständen. Es wird zwar entsprechende Gründe gehabt haben, weshalb die Lesung nicht auf der Bühne im Biergarten stattfand, dort hätte sie aber eventuell mehr Zuseher angelockt.
2010 erschien das erste „Kumpels in Kutten“ Buch (verfasst von Holger Schmenk und Christian Krumm), welches sich mit Heavy Metal im Ruhrpott befasst. 2017 folgte der zweite Band (diesmal von Schmenk und Andreas Schiffmann). In wenigen Wochen soll nun Band drei fertig gestellt und im September veröffentlicht werden.
Anwesend bei der Lesung waren die Autoren Schmenk und Schiffmann sowie die DARKNESS Mitglieder Arnd und Lacky. Zuerst wurden, unvermeidlich, die letzten zweieinhalb Jahre und ihre Auswirkung angesprochen. Während Lacky optimistisch ist, dass sich alles wieder relativiert, hat Arnd jetzt schon das Gefühl als wären die gar nicht passiert und möchte „den Scheiß einfach vergessen“ und nach vorne gucken. Der neue Band blickt auch über den Ruhrpott hinaus und so wurden neben anderen deutschen Metallern etwa auch schwedische Death Metal Musiker interviewt, die den weit reichenden Einfluss der Szene dokumentieren. Dass die Ruhrpott Metalszene auch in anderen Ländern populär ist, konnte Lacky nur bestätigen. Er habe sich mit NIFELHEIM unterhalten, die zu ihm meinten, sie hätten zu keinem Album mehr Bier getrunken als zu „Death Squad“ von DARKNESS. Neben einer Anekdote über Thomas Göttlichs Rauswurf bei GRAVE DIGGER, wurde eine Aussage von MAD BUTCHERs Metal Harry in den Raum gestellt, welcher der These des Zusammenhalts in der Szene widerspricht, sondern von Futterneid unter Bands spricht. Weitere Themen waren die oft als Krisenzeit betrachteten 90er Jahre und die Wichtigkeit der Optik im Heavy Metal. Beides bot DARKNESS Gelegenheit zur Reflektion was ihnen damals zum Erfolg fehlte. Arnd: „Unser Image ist, dass wir kein Image haben.“ Interne Probleme, fehlende Hinterleute und die 1990er als generelles Jahrzehnt der Orientierungslosigkeit für Thrash Metal Bands taten ihr Übriges. Der Erfolg einer Band oder eines Albums hängt von viel mehr Faktoren ab als bloß der Qualität der Musik. Wie man Göttlich hier so schön zitierte, jedes Album ist ein Los aus der Trommel.

INDIAN NIGHTMARE waren schon voll am Gange und begannen den Tag mit einem musikalischen Tritt in den Arsch. Der energetische (Speed) Metal mit einer kräftigen Dosis Punk rumpelt ordentlich. Bisher noch nicht auf dem Radar gehabt, sicher eine Band, die man im Auge behalten sollte.
Nach ihrem Set gab es eine Ankündigung. PHILIP CAMPBELL AND THE BASTARD SONS hatten kurzfristig abgesagt und würden daher nicht spielen. Stattdessen werden ASPHYX auftreten. Die Enttäuschung im Publikum hielt sich in Grenzen.

Thrash pur gab es als nächstes von den Griechen SUICIDAL ANGELS. Schon 2018 beim Ruhrpott Metal Meeting überzeugten sie live mit einer sehr soliden Darbietung ihrer Songs. Auch dieses Mal wurde mit ihrem Liedern, darunter „Born Of Hate“ und „Years Of Aggression“ (vom 2019er Album „Years Of Aggression“), dem Publikum ordentlich eingeheizt. Als dann der Aufruf von Nick kam: „I wanna see you moshing down there! Let the bloodbath begin!“ ging's schon am frühen Nachmittag im Circle Pit ordentlich rund.

Noch eine „Kumpels in Kutten“ Lesung. Diesmal waren auch Tom Angelripper von SODOM und Filmemacher Daniel Hofman mit von der Partie. Letzterer ist verantwortlich für den Dokumentarfilm "Total Thrash – The Teutonic Story“, der nur wenige Tage zuvor, am 31. Mai 2022, in der ausverkauften Essener Lichtburg vor knapp 1200 Besuchern Premiere feierte. Dem Film ist im dritten Band der „Kumpels in Kutten“ Reihe ebenfalls ein Abschnitt gewidmet, ist es doch die erste nennenswerte Dokumentation seit „Thrash Altenessen“ aus dem Jahr 1989, die aber nur „Sendung mit der Maus-Charme“ hatte. Angelripper, selbstverständlich eine wichtige Figur im Film, gesteht, anfangs skeptisch gewesen aber nach Vorlage des Konzepts und ersten Gesprächen überzeugt worden zu sein. Es wurden wieder Themen der ersten Lesung aufgegriffen, etwa der weitreichende Einfluss. Angelripper erzählt, wie er angefragt wurde, Vocals zu einem geplanten ENTOMBED Tribut für den im letzten Jahr verstorbenen Lars-Göran Petrov beizusteuern. Oder auch wie Chris Witchhunter Zeit mit BATHORYs Quorton verbracht hatte. Bis heute bleibt ungeklärt, ob die beiden was zusammen aufgenommen oder nur gesoffen haben. Eine Frage, auf die auch Angelripper gerne die Antwort wüsste.
Nicht nur das optische Image, auch die Künstlernamen, wie bei VENOM, waren damals eine Modeerscheinung und die These, dass Thrash in den 90ern tot und nach der gemeinsamen Tour von SODOM, DESTRUCTION und KREATOR Anfang der 2000er plötzlich wieder da war (u.a. hatten sich auch Lacky und Arnd damals unter dem Namen EURE ERBEN wieder zusammengetan), hält Angelripper für „völligen Blödsinn“. Für eine Weile schwelgten er und die Jungs von DARKNESS in Erinnerungen über die Anfänge in den 1980ern: die Verträge, die dick waren wie ein Telefonbuch, die Kästen Bier, die chaotischen Entstehungsprozesse der ersten Alben der damals völlig unerfahrenen Musiker. Gerade dass es sich bei den Bands damals noch um ungeschliffene Rohdiamanten handelte, macht den Charme der Frühwerke aus. Wie in der ersten Sitzung schon in den Raum geworfen, gibt es heute so viele junge Bands, die technisch perfekt sind, aber wenn man sie live sieht, folgt die Ernüchterung. Die vielen Besetzungswechsel von SODOM wurden ebenfalls angesprochen, und zwar von Angelripper selbst, als er über den Wiedererkennungswert von Sängern sprach. Deshalb sei es egal wer Gitarre oder Schlagzeug spielt. Seine jetzigen Bandkollegen lobt er dennoch als „beste Besetzung seit Anfang“. Noch während einem „Das sagt Dave Mustaine auch immer“ durch den Kopf schießt, ruft jemand aus dem Publikum: „Das habe ich vor zehn Jahren auch schon mal gehört!“

Noch nicht gehört hingegen, VILLAGERS OF IOANNINA CITY. Wie SUICIDAL ANGELS eine griechische Band, aber weniger geradlinig gestrickt. Sie präsentierten einen relativ eklektischen Mix. Stoner Rock mit Folkeinflüssen. Klarinette, Flöte, sogar ein Dudelsack (nicht der letzte des Tages) ist unter den gespielten Instrumenten. Interessant, aber haut live nicht unbedingt aus den Socken. Das im Booklet angepriesene Album „Age Of Aquarius“ geht aber doch auf die Liste der Alben zum Reinhören.

Noch epischer wird es bei ATLANTEAN KODEX. Die bayerischen Musiker (inklusive Markus Becker an den Vocals) überzeugten. Leadgitarristin Coralie Baier ist eine Frau von dem Schlag die man gerne sieht in Metalbands, keine Alibifrau oder Dekor, sondern eine ausgezeichnete Musikerin. „Soul Invictus“ war schon richtig stark, aber was dann bei „Twelve Stars And An Azure Gown“ vom Album WHITE GODDESS abging, war richtig beeindruckend. Das Publikum summte die Melodie mit, bevor es am Ende tosenden Beifall gab. Auch der letzte Song „Atlantean Kodex“ ging nochmal richtig ab. 

THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA wurden schon 2018 auf dem Nord Open Air in Essen gesehen, wo sie als eine der ersten Bands am Nachmittag kurzweilige Unterhaltung boten. AOR á la ELECTRIC LIGHT ORCHESTRA, aber ohne solch große Hits. Nein, „Burn For Me“ oder „White Jeans“ können mit „Hold On Tight“ oder „Don't Bring Me Down“ nicht mithalten. Doch diesmal wirkten sie etwas fehl am Platz, besonders an diesem Punkt in der Running Order. Die Instrumente besonders laut aufzudrehen, macht die fehlende Härte auch nicht wett. Kann man sich als Hintergrundberieslung gut anhören, aber etwas farblos, da nutzen auch die in schlumpfblaue Stewardessenuniformen gekleideten Backgroundsängerinnen nichts. Immer wieder wurde das Publikum zum Tanzen aufgefordert. Vorm finalen „West Ruth Ave“ wird dann sogar eine Polonaise initiiert, die es am Ende doch noch schaffte, ungefähr so lang zu werden, wie die zu dem Zeitpunkt schon anstehende Schlange für die BLIND GUARDIAN Autogrammstunde.

Pause. Erst mal eine Kleinigkeit essen. Die Getränkepreise sind für Festivalverhältnisse in Ordnung (0,4 Liter Wasser 3 Euro, Bier 5 Euro) und die Auswahl an Speisen in den Foodtrucks basic und teilweise überteuert. Man durfte auch eigene Softgetränke in PET-Flaschen (bis 1,5 Liter pro Person) und zu Essen mitnehmen. 
Danach ging es noch kurz zur „Painted in Blood“ Kunstausstellung in einem Zelt des Satanoriums. Präsentiert wurde Artwork von Thomas Ewerhard, Jan Meininghaus und Björn Gooßes. Wer noch Geld übrig hatte, konnte sich dort Leinwanddrucke für 200 bis 300 Euro das Stück kaufen oder nummerierte Kunstdrucke für 15 Euro. Spannend (aber wahrscheinlich nicht möglich) wäre es gewesen auch die Originale zu sehen oder eventuell Videos zu den Entstehungen, um einen Einblick in die Arbeitsprozesse und verwendeten Techniken zu erhalten.

Schottische Dudelsäcke und Trommler auf der Bühne, natürlich eine Band aus... Deutschland! GRAVE DIGGER waren als nächste an der Reihe und vielleicht war es ein Fehler zuvor Pause zu machen, da es schon richtig voll und somit sehr schwer wurde einen guten Platz zu finden, daher musste ein schattiges Randplätzchen genügen. Man war schon mitten im Set mit „Lions Of The Sea“. Es folgten unter anderem noch „The Ballad Of Mary“ und „The Heart Of Scotland“ sowie der Song „Hell Is My Purgatory“ vom im August erscheinenden neuem Album „Symbol Of Eternity“. Der neue Track klingt schon mal vielversprechend, aber insgesamt war der Auftritt okay und nicht mehr. Nach „Heavy Metal Breakdown“ verabschiedete man sich und wünschte noch viel Spaß mit BLIND GUARDIAN.

Vorher waren aber noch ASPHYX an der Reihe. Am selben Morgen kam die Absage von PHILIP CAMPBELL AND THE BASTARD SONS, die ein Set mit MOTÖRHEAD Songs hätten spielen sollen. Mittag waren ASPHYX als Ersatz fix. Ein Vorteil des gut gelegenen Festivals und des Rock Hard Magazins, man hat genug Bands verschiedenster Größe in der Nähe und die notwendigen Kontakte, um noch schnell jemanden aus dem Ärmel zu zaubern. Im Publikum vernehme ich: „Jetzt gibt’s gleich geil was auf die Fresse!“ Klagen darüber, dass Campbell nicht spielt, habe ich nicht mitbekommen. Mal ehrlich, wer möchte auch MOTÖRHEAD Songs ohne Lemmy hören, dazu noch als Co-Headliner? Das ist wie THIN LIZZY ohne Phil Lynott.
ASPHYX waren für mich eine Band, wie viele andere, die man vom Namen her kannte und sich schon lange vornahm mal reinzuhören, aber dann doch nie die Zeit fand oder sich die Zeit nahm. Festivals sind eine sehr gute Gelegenheit so etwas endlich nachzuholen oder auch um neue Bands zu entdecken. Die niederländischen Death Metaller gingen von Anfang an richtig ab und so auch das Publikum, insbesondere im Moshpit. Dass man dreißig Tage nichts gemacht habe, „nur vögeln und saufen“ (O-Ton Martin „..und ich bin Hape Kerkeling“ van Drunen) merkt man nicht, denn die Energie und Stimmung passen. Becher und sogar ein T-Shirt wurden auf die Bühne geworfen.
Aufgrund des Ukrainekrieges hielt van Drunen es nötig klarzustellen, dass ihre Songs keine Kriegsverherrlichung sind und animierte das Publikum dazu zu rufen: „Putin! Arschloch!“
Es war nicht der erste Auftritt von ASPHYX auf dem Festival, aber eine Weltpremiere – „Husky“ Stefan Hüskens spielte in kurzen Hosen!

Es war richtig voll im Amphitheater als Headliner BLIND GUARDIAN die Bühne betraten. Was auf einem Album gut und episch klingen mag, wirkt live nicht immer gut. Zu viele Backing Tracks überschatteten was noch wirklich live war und für einen Laien ist das oft nicht leicht zu erkennen was alles auf der Bühne (nicht) abgeht. Das trübte die Darbietung, zudem war der Sound ziemlich schwach. Gespielt wurde, neben ein paar anderen Songs, das Album „Somewhere Far Beyond“ in seiner Gänze. Da die Gespräche hinten in der Ecke interessanter waren als das was auf der Bühne lief, hatte ich mich schnell weitestgehend ausgeklinkt. Zu sehen war von hinten auch nicht viel, aber was ich sah war auch keine prickelnde Bühnenshow. Andere hatten dasselbe Set ganz anders empfunden, fanden den Sound und die Show hervorragend und störten sich auch nicht an den ganzen Backing Tracks, sondern sahen sie als etwas Notwendiges damit die Band die eigenen hohen Standards erfüllen kann. Wie bei auch allen anderen Sets, verschiedene Meinungen sind verfügbar und legitim.


TAG 3

„Ich höre die Nachteulen wie sie kreischen!“, okay, die kräftige, mittags erklingende Stimme gehört der Frontfrau von WOLVESPIRIT. Rund zwanzig Minuten spät zum Festivaltag erscheinend, konnte man sie schon von Weitem vernehmen. Stoner Rock (laut Festivalbooklet Hippie-Rocker:innen) kann richtig geil sein, oder aber, wie hier, ziemlich banal und langweilig. Zwar gab es das eine oder andere nette Riff oder Solo, das kaum das es begann, schon wieder vorbei war, viel mehr aber nicht. Da halfen auch die beiden „wunderschönen“ Neuzugänge in der Band nicht (über die musikalischen Qualitäten wurde kein Wort gesagt). Viel mehr als eine Hand voll Fans dürften nicht da gewesen sein, daher kamen Anspielungen an bestimmte Songs auch nicht wirklich an („So einige kennen das. Ihr wisst was ich meine!“ - Nein). Etwas peinlich auch manche Ansagen: „Das nächste Lied handelt vom Teufel. I love him. He's funny.“ und das nächste „(...) wieder vom Teufel. I love him!“ Tiefpunkt war aber eine Coverversion des DEAD OR ALIVE Klassikers „You Spin Me Round (Like A Record)“, das musikalisch nicht gut umgesetzt war und die Schwächen und Grenzen der Stimme so richtig hervorhob. 50 Minuten dauerte das Set. Die miterlebte halbe Stunde erschien schon lang genug.

SULPHUR AEON ist eine superbe Studioband. Live 2018 schon einmal mit KRISIUN gesehen, hatten sie da nicht ganz überzeugt. Das Gesicht von M. (ja, die Namen der Bandmitglieder bestehen nur mit einer Initiale) hinter seinen Haaren wie ein Vorhang und auch etwas wie ein unsichtbarer Vorhang zwischen Band und Publikum (der Funke sprang da nicht wirklich über). Wenn das schon bei einer Show abends in einem Club so war, wie soll das dann erst am ganz frühen Vormittag im Tageslicht auf einer großen Bühne werden? Aber, Überraschung, es war ausgezeichnet! Ja, auch hier wurden Backing Tracks eingesetzt, die zur Atmosphäre beitrugen, aber sie überschatteten nicht das Liveerlebnis. Gute Performance der Band und insbesondere beeindruckend M. Dass bei „The Summoning Of Nyarlathotep“ sich Nyarlathotep nicht gezeigt hat, grenzt schon fast an ein Wunder, bei der dargebotenen Intensität der Beschwörung. „Yuggothian Spell“ und „Diluvial Ascencion – Gateway To The Antisphere“ waren zwei der weiteren kredenzten Songs. Sogar, dass es während des Sets zu regnen anfing, passte zur Szenerie und trug zur Atmosphäre bei. Schade nur, dass der Rockpalast da noch nicht aufzeichnete.

Die einzige Thrash Band des Tages, ARTILLERY bot eine solide Performance, aber verblasste leider etwas im Vergleich zu den Bands direkt vor und nach ihr. Gespielt wurde unter anderem „10.000 Devils“, „Legions“ und vom letztjährigen Album „X“ „In Thrash We Trust“ und „Turn Up The Rage“. 

Bevor NIGHT DEMON die Bühne enterten, ertönte DEMONs „Night Of The Demon“. Das kalifornische Trio begeisterte mit old school Metal, ohne viel Schnickschnack, roh, aber technisch perfekt und energiegeladen. Immer wieder „Night Demon“ Rufe zwischen den Songs, Fäuste in der Luft mit lauten „Hey! Hey!“ Anfeuerungen, sogar ein Circle Pit bei „Night Demon“, die Fans gingen voll ab. „Screams In The Night“, „Empires Fall“, „Hallowed Ground“, „The Howling Man“, „Heavy Metal Heat“, „Are You out There“, das THIN LIZZY Cover „The Sun Goes Down“ – jeder Song ein Schuss ins Schwarze. Da mag man sogar den Text von „Vysteria“ verzeihen, den man klugerweise ohne Kommentar zum Inhalt spielte. 
Aber was ihren Standpunkt zum Thema Corona betrifft, ist die Band wenigstens konsequent und ließ die Fans während der verregneten Autogrammstunde zu sich ins Zelt. Die meisten anderen Bands zeigten auch keine Kontaktangst mit den Fans und boten Autogrammstunden an. BLIND GUARDIAN waren da etwas vorsichtiger und vermieden direkten Kontakt, saßen hinten im Zelt und ließen eine Masken tragende Festivalmitarbeiterin die zu signierenden Teile der Fans zu ihnen tragen.
Für mich die beste Band des Festivals. Man merkte die Spielfreude der drei Musiker und auch kleine Einlagen wie das Feedback-Spielchen von Gitarrist Armand John Anthony am Ende von „Darkness Remains“ trugen zur aufregenden Performance bei. NIGHT DEMON spielten hier bereits zum zweiten Mal. 2018 waren sie schon mal hier (Jarvis Leatherby da auch als Bassist für CIRITH UNGOL). Damals ein bisschen früher und vor wesentlich weniger Publikum. Als Fan war es auch damals großartig, aber Leatherby fand es diesmal „much better“, wie er bei der Autogrammstunde sagte. Aus Sicht der Band verständlich, da es sich noch geiler anfühlen muss vor einem größerem Publikum zu spielen das dich feiert. Bleibt zu hoffen, dass die Popularität der Band noch weiter steigt.

In eine ähnliche Kerbe wie NIGHT DEMON schlugen MIDNIGHT. Nur drei Musiker, Schlagzeuger, Gitarrist und Bassist/Sänger, sind genug, um die Bühne abzureißen. Alle drei hatten die Kopfe unter sackartigen Kapuzen versteckt, was die Wirkung der Performance viel weniger beeinflusst hatte als man aufgrund der fehlenden Mimik annehmen würde. Erfrischend schmutzig waren Vocals, Sound und Texte. Der starke Regen, der sich schnell zu Pfützen auf den Treppen ansammelte, passte zum Set wie Arsch auf Eimer.

MICHAEL MONROEs Stimme mag Geschmackssache sein, aber er macht alles richtig. Er umgibt sich mit versierten Musikern, was ein Vince Neil auch machen mag, aber hält sich in Form um nicht wie ein asthmatischer Germknödel auf der Bühne zu stehen. Frontmann durch und durch, riss er sich auf der Bühne den Allerwertesten auf, war ständig in Bewegung spielte mit Mikro und Mikrofonständer, machte Spagat, interagierte mit dem Publikum, ging sogar mehrmals ins Publikum. In kleinerer Location, oder näher an der Bühne ist die Show sicher ein noch intensiveres Erlebnis. Er war begeistert, dass Rockpalast vor Ort war, schließlich habe er schon Rockpalast geguckt „since I was little kid“. „Last Train To Tokyo“, „Trick Of The Wrist“, „Not Fakin' It“ und "Malibu Beach Nightmare“ machten Spaß und rissen allmählich auch das zunächst noch etwas verhaltene Publikum mit. Selbst das CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL Cover „Up Around The Bend“, das auf dem HANOI ROCKS Album „Two Steps From The Move“ nicht so berauschend ist, machte abschließend Laune. 

Als nächstes angekündigt war eine RHF-Promoter Ansprache. Man hatte jedoch eine Überraschung für die Fans. Der rote Bass war schon zu sehen. Dieser gehört Tom Angelripper. SODOM Schlagzeuger Toni Merkel setzte sich hinters Kit, aber es folgte keiner der aktuellen SODOM Gitarristen, sondern ex-Gitarrist Andy Brings. Zusammen hämmerte man drei Songs von „Tapping the Vein“ raus: „Body Parts“, „One Step Over The Line“ und „Wachturm“. Dafür gab es auch einen guten Grund, denn am Vortag bei der „Kumpels in Kutten“ Lesung verkündete Angelripper, der „eigentlich kein Fan von Re-Releases“ ist, dass zum dreißigsten Jubiläum „Tapping The Vein“ neu aufgelegt wird. Ob die Performance gut oder schlecht war, war eigentlich egal. Wenn es ein ganzes Set gewesen wäre, wäre es etwas anderes gewesen, aber so war es kurz und direkt. Wham! Bam! Thank You Ma'am!

Bei einer geilen Show feucht werden ist eine Sache, nass vom Regen in einer aufgrund von Wind auch kühl werdenden Nacht rumzustehen eine andere. So wirklich Bock hatte man nicht mehr, aber gut, mal noch ein bisschen ACCEPT schauen. Zugegeben, schon etwas voreingenommen die Wolf Hoffmann Show nicht zu mögen (der Stream von Wacken 2017 hat nicht gefallen, zu viel Ego-Show) und darauf eingestellt früher abzuhauen. ACCEPT ist eine gut geölte Maschine. Und machen wir uns nichts vor, Mark Tornillo mag der Sänger sein, seine Stimme tut was sie soll, aber Hoffmann ist der Frontmann und steht im wahrsten Sinne des Wortes meist im Zentrum. Bei manchen Songs (etwa „Princess Of The Dawn“) traten die Rhythmusgitarren zu sehr in den Hintergrund. Dennoch war es eine sehr gute Show mit Klassikern wie „Restless and Wild“, „Metal Heart“ und „Balls To The Walls“. Nach dem abschließendem „I'm A Rebel“ ging es dann glücklich nach Hause, wo man endlich aus den patschnassen Socken schlüpfen konnte.

Die Musik war aber nicht das einzig Schöne an diesem Wochenende. Man merkte, wie emotional manche Besucher wurden als sie alte Bekannte wieder trafen. Das Rock Hard Festival ist mehr als bloß ein Festival, das Fans aus allen Ecken des deutschsprachigen Raums, aber auch aus anderen Ländern, besuchen, sondern für manche schon eine Art „Familientreffen“.

Es war schön, lieb gewonnene Menschen wieder zu sehen, nette neue Bekanntschaften zu knüpfen und angenehme, kurzweilige Gespräche zu führen.


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