30.11. - 1.12.2019, Rockfabrik, Ludwigsburg

H.E.A.T Festival

Text: Wolfgang Kelz | Fotos: manfred
Veröffentlicht am 20.12.2019
Eines der bekanntesten und beliebtesten Festivals im Bereich Melodic Hard Rock, das H.E.A.T. Festival, feierte ein Jubiläum: Zum zehnten, aber auch zum letzten Mal war die Rockfabrik in Ludwigsburg Austragungsort. Eddy Freiberger und seine Crew stellten wieder ein gelungenes Line-Up aus „gestandenen“ Musikern und vielversprechenden Newcomern zusammen, das sich sehen lassen kann. 
 
Die Ludwigsburger LICENSE haben ein Heimspiel, die Band um Gitarristen und Songwriters Steam Thiess und seiner Tochter Jacky stammt aus Ludwigsburg, doch ist die Halle noch sehr schütter besetzt. Der etwas altmodische, relativ einfache Hardrock reißt nur die engsten Verwandten und Freunde vom Hocker.

 
Ganz anders die nachfolgenden BLACK DIAMONDS aus der Schweiz. Ihr melodischer Rock mit leichtem Sleaze-Einschlag fährt vom ersten Ton ab, bissige Riffs, melodische Gesangsharmonien mit eingängigen Refrains kommen beim Publikum bestens an. Der rassige Opener „We Want To Party“ vom Debüt-Album „Perfect Sin“ gibt gleich das Motto vor. Auch die zweite ausgezeichnete Scheibe „Once Upon A Time ist mit einigen tollen Songs vertreten, zB dem herausragenden „Pieces Of A Broken Dream“. Die charmanten Dialoge und sympathischen Einlagen runden das Gesamtbild eines gelungenen Auftritts ab. 
Die Briten BLOOD RED SAINTS gibt’s zwar erst seit ein paar Jahren, sind aber alte Hasen im Geschäft. Sie machen sich auch mit ihrem typischen britischen Humor über ihr Alter lustig. Dass Pete Godfrey einer der besten Sänger der Zunft ist, hat er ja schon oft bewiesen. Die fünf Herren beginnen mit „Kicking Up Dust“ vom Debüt „Speedway“ und zeigen gleich eindrucksvoll wie Melodic Rock im 21. Jahrhundert klingen soll. Unterbrochen von launigen Ansagen drücken sie uns einige Kostproben ihrer drei Alben auf die Ohren, besonderer Jubel brandet beim LOVERBOY Cover „Working For The Weekend“ auf. Alles in Allem eine durchaus gelungene Darbietung der Männer aus Manchester.

 
DARK SKY existieren seit den 80er Jahren, waren schon 2009 in Ludwigsburg dabei und haben nichts von ihrer Ausstrahlung verloren. Mit dem Singalong-Opener „Hands Up“ ist die Stimmung der vollgefüllten Rockfabrik gleich auf 180. Im Mittelpunkt Sänger Frank mit der herrlich kitschigen auftoupierten Frisur und etwas theatralischen Posen. Nichtsdestotrotz verstehen die fünf  Baden-Württemberger das Publikum mit ihrem 80er-Melodic-Hardrock alle mitzureißen. Immer noch wunderschön anzuhören ist die 30 Jahre alte Ballade „Eternity“.

 
Um einiges jünger sind CATS IN SPACE und diese sind vor allem in ihrer britischen Heimat nach drei Alben recht erfolgreich. Ihre Markenzeichen sind mehrstimmiger, harmonischer Gesang, perfekt durchstrukturierte, interessante, abwechslungsreiche Songs und eine unglaubliche Bühnenpräsenz. Geboten wird ein Querschnitt ihrer drei Alben, beginnend mit „Johnny Rocket“ vom „Narnia“ – Album. Der neue Sänger Mark Pascall hat sich in kurzer Zeit bestens in die Band integriert. Entsprechend der Darbietung aller Musiker ist der Jubel bei diesen musikalischen Leckerbissen groß.

 
CRASHDIET betrachten sich als Reinkarnation 80er-Rockbands wie RATT, GUNS N‘ ROSES, CINDERELLA, RATS und Konsorten und agieren entsprechend. Die fünf jungen Schweden scheinen optisch und akustisch direkt aus dieser Zeit entsprungen zu sein. „Reptile“ eröffnet ein Set, das einfach viele in der Rockfabrik hellauf begeistert. Die vielen Besetzungswechsel und Rückschläge merkt man ihnen beileibe nicht an, routiniert ziehen sie ihre Setlist, bestehend aus älteren Songs und von ihrem neuen Album „Rust“, durch.

 
Über die unverwüstlichen Schwedenrocker TREAT braucht man nicht viele Worte zu verlieren, sind sie doch seit Jahren ein Fixpunkt im Bereich Melodic Rock. Sie liefern einen perfekten Mix von neuen und älteren Nummern, beginnend mit „Skies Of Mongolia“, „Ghost Of Graceland“ und „Papertiger“ ab. Die Fans zeigen sich vom ersten Ton sehr textsicher, daher ist die Stimmung top. Ein Ohrwurm folgt dem anderen, sodass keine Langweile aufkommt. Der zweite Teil hat den Schwerpunkt 30 Jahre „Organized Crime“, das fast zur Gänze präsentiert wird. Der Superhit „World Of Promises“ beschließt einen Auftritt, der zwar begeistert aufgenommen wurde, aber leider durch unverständliche Soundprobleme gekennzeichnet war. Eine Tatsache, die man ansonsten bei dieser großartigen Band nicht gewöhnt ist
Mit STAN BUSH betritt nun eine der ganz großen Ikonen des melodischen Rocks die Bühne. Schade, dass er sich in Europa so rar macht, so ist es erfreulich, dass er beim H.E.A.T. Festival als Headliner fungiert und somit genug Zeit hat, einen Querschnitt seiner außergewöhnlichen Karriere zu bieten. Und das gelingt ihm äußerst eindrucksvoll. Das fachkundige Publikum kennt all seine Hits und so gibt‘s eine Rockparty erster Güte. Mit der neuen Single, „The 80ies“ wird seine musikalische Anfangszeit glorifiziert. Die hochkarätige Mannschaft, dabei auch als Gast der Keyboarder von MIDNITE CITY, Shawn Charvette, trägt wesentlich zum Erfolg bei. Erst gegen ein Uhr wird der Meister unter tosendem Applaus verabschiedet.

 
Tag zwei wird mit den in unseren Breiten noch nicht sehr bekannten BLACK TIGER eröffnet, die aber in ihrer tschechischen Heimat schon für Größen wie Dan Reed, PRETTY MAIDS, Mike Tramp, HOUSE OF LORDS oder MICHAEL SCHENKER GROUP eröffnen durften. Präsentiert wird reinrassiger AOR auf erstaunlich hohem Niveau vom gleichnamigen Debütalbum, der in der sich langsam füllenden Halle sehr gefällig angenommen wird.
 
Persönlich war ich sehr gespannt auf die neuen Stars im Melodic Rock, DEVICIOUS, die mit ihren beiden Alben auch einen neuen Sänger mitbrachten: Antonio Calanna. Der junge Mann verdiente sich seine ersten Sporen als Musical Darsteller („Bat Out Of Hell“, „Jesus Christ Superstar“ – 2020 auch in Österreich zu sehen!). Das Springinkerl ist dermaßen agil, nicht einen Augenblick in Ruhestellung, kommuniziert mit den Fans, singt dazu grandios, eine tolle Bühnenerscheinung. Nach zwei Songs erscheint er zum Entzücken mancher weiblicher Fans mit nacktem Oberkörper. Der kurzweilige und ambitionierte Auftritt ist leider nach knapp 40 Minuten schon beendet, aber ich bin überzeugt, dass DEVICIOUS wieder einige neue Anhänger gewinnen konnten.
Die relativ junge schwedische AOR/Melodic Rock Formation AGE OF REFLECTION hat eben ihr neues, saustarkes Album „A New Dawn“ veröffentlicht. Die Spielzeit wird perfekt genutzt, um ihre Songs zu präsentieren, ein Hammersong nach dem anderen wird dargeboten, dazwischen einige knappe Ansagen. Die Instrumentalisten legen eine unglaubliche Spielfreude an den Tag, der sympathische Frontman Lars Nygren gibt Alles und die Fans bedanken sich mit großem Jubel. Das schwedische Sextett ist in dieser Verfassung unbedingt ein Versprechen für die Zukunft.
Etwas härter agieren DEGREED und wollen mit ihrem modernen Hardrock, straight forward mit einprägsamen und schönen Melodien, punkten. Das Hauptaugenmerk wird natürlich auf das aktuelle, äußerst empfehlenswerte Album ("Lost Generation") gelegt, aber auch ältere Songs wie „War“ und „Save Me“ werden präsentiert. Nur bei „Blue Virgin Isles“ wird das Gaspedal etwas zurückgenommen, sodass einige Fans feststellen, dass die ganz großen Melodien ausgeblieben sind. Entschädigt werden aber viele mit der Zugabe, dem legendären „Bark At The Moon“ von Ozzy! 
 
Nun muss ich sehr persönlich werden, zählt doch der nächste Act, VEGA, meiner Meinung nach zu besten Bands aller Zeiten. Nick Workman ist einer der ausdrucksstärksten Sänger des Planeten und die beiden Brüder James und Tom Martin sind einfach nur geniale Songwriter. Nach einem DEF LEPPARD Intro beginnt mit „Let’s Have Fun Tonight“ eine Rockparty der Superlative. Das Publikum ist sofort  in Fahrt. Ein Highlight jagt das nächste, keine ausufernden Soli oder andere Egospielchen stören den Spielfluss, die Songauswahl ist perfekt, auch wenn beileibe nicht alle Tophits untergebracht werden können, denn dann müssten die fünf Briten stundenlang spielen. Angesteckt durch die Spielfreude gehen die Fans von Beginn an mit und sie erweisen sich auch sehr textsicher. Mit Recht werden VEGA frenetisch abgefeiert.

 
Die folgende Pause wird von Musikern und vielen Festival - Beteiligten genützt, um dem rührigen Veranstalter Eddy Freiberger für 10 Jahre Melodic – Rock auf höchstem Niveau zu danken. 
 
MAVERICK gehören zur jüngeren Generation, die sich aber bereits eine große Fan Base erarbeiten konnten. Lässig betreten die Nordiren die Bühne und genauso cool starten sie ihr Set, die aus einer starken Auswahl ihrer drei erfolgreichen Alben besteht. Ihre Songs zünden mit einem glasklaren, heavy Sound, im Mittelpunkt Sänger David Balfour, der mit seinen Mitstreitern für eine tolle Stimmung sorgt. In Anlehnung an ihren Hit „Whiskey Lover“ wird den Musikern zum Abschluss ein Whiskey serviert

 
Danach betritt wieder eine wahre Legende die Bühne: Robert Tepper eröffnet mit den Klassikern „Another Place, Another Time“ und „No Rest For The Wounded Heart“, um dann Songs seiner neuen, großartigen Platte „Better Than The Rest“ vorzustellen. Begleitet von ungemein fähigen Musikern, darunter der fantastische Gitarrist und Co.-Songwriter Pablo Padilla, agiert der fast 70jährige leidenschaftlich mit kraftvoller Stimme wie eh und je. Höhepunkte sind das großartige Duett „Fighting For You“ mit der charmanten Backgroundsängerin Jasmin und vor allem der unsterbliche Rocky-Song „No Easy Way Out“. Alle waren sich einig, selten solch einen emotionalen Moment in der ehrwürdigen Rockfabrik erlebt zu haben. Robert Tepper steht gerührt und fassungslos mit ausgebreiteten Armen vor dem total ausgeflipptem Publikum. Mit „Angel Of The City“ klingt ein unfassbarer Auftritt aus.

 
Nach so einer Performance hat es Jeder schwer und daher brauchen die folgenden STAGE DOLLS ein bisschen, die Stimmung wieder zu heben. Doch es gelingt spätestens nach Songs, wie „Stand By You“, „Heart To Heart“ oder „Highway Of Life“. Torstein Flakne, Terje Storli und Morten Skogstad kramen tief im reichhaltigen Fundus und wissen genau, was die Fans brauchen. Auch wenn seit fast zehn Jahren kein neues Material veröffentlicht wurde, sind die Songs bestens bekannt und werden entsprechend abgefeiert. 36 Jahre gibt es die Finnen-Rocker bereits, aber keine Spur von Verschleißerscheinungen. Torstein singt grandios wie immer, eine tolle Bühnenerscheinung. „Soldier’s Gun“ beendet einen ambitionierten und routinierten Gig und gleichzeitig das Ende des H.E.A.T. Festivals in der Rockfabrik.
 
Nächstes Jahr wird aber wieder in Ludwigsburg gerockt, und zwar in der naheliegenden Scala. Sicher werden einige der Rockfabrik nachweinen, denn waren die Konzerte stets geprägt von Superlativen:
Extrem freundliche Leute: alle Mitarbeiter der Rockfabrik, Publikum und auch die Künstler. Fans aus vielen Ländern waren hier und feierten gemeinsam. Viele kennen einander von einschlägigen Konzerten und Festivals, daher gibt es immer viel zu erzählen.
In den (relativ kurzen) Umbaupausen stehen viele der Stars für Autogramme, Fotos, Gespräche und Spaß zur Verfügung, ich habe keinerlei Starallüren feststellen können.
Sehr moderate Preise für Speisen und Getränke, vor der Halle wurde ein eigenes Zelt, auch mit schwäbischen Spezialitäten aufgestellt.
Gute Musik braucht keine Feuerwerke oder 50 Großbildleinwände, das kleine, gemütliche Umfeld garantiert hohen Musikgenuss.
 
 
Damit sind wir in freudiger Erwartung auf H.E.A.T. 2020, es liegen schon Zusagen von HAREM SCAREM, GLASSTIGER, KINGDOM COME, ROYAL HUNT und anderen vor. Auch wurde schon eine interessante Neuerung  bekanntgegeben, wie man auf der Homepage lesen kann: „NACHDEM VIELE VON EUCH JA SCHON FREITAGS ANREISEN, HABEN WIR UNS ENTSCHLOSSEN, DEN FREITAG ABEND ZU NUTZEN, UM EUCH EINE SPEZIELLE WARM-UP SHOW ZU PRÄSENTIEREN.
ES WIRD EIN REINER AKUSTIK ABEND MIT AUSGEWÄHLTEN KÜNSTLERN, DIE NICHT AUF DEM FESTIVAL AUFTRETEN WERDEN.
DAS SPEZIELLE AMBIENTE DER SCALA MIT DEM ÜBERRAGENDEN SOUND UND DEM STIMMUNGSVOLLEN LICHT WIRD DAS ZU EINEM ERLEBNIS DER BESONDEREN ART MACHEN. DIE KÜNSTLER WERDEN IN KÜRZE BEKANNT GEGEBEN.“ www.heat.festival.eu
 

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