27.10.2018, Stadtwerkstatt, Linz

Shredfest Vol.5 - Special Shredition

Text: Anthalerero | Fotos: Anthalerero
Veröffentlicht am 30.10.2018

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Bäm! Die traditionelle Totalabriss-Sinfonie in der Linzer Stadtwerkstatt geht in ihre fünfte Runde. Eine „Special Shredition“ hat uns der Veranstalter versprochen – und in Form des 10-jährigen Jubiläums der Hannoveraner THE HIRSCH EFFEKT, die das Publikum dann mit Genuss zu Tode shreddeten, auch geliefert. Bereits während der ersten Band durfte sich das Shredfest dabei das „Ausverkauft!“-Schild an die Türe nageln, sodass im Verlaufe des Abends noch eine erkleckliche Anzahl an Interessenten leider wieder im eklig kalten und nassen Herbstwetter nach Hause geschickt werden musste. Das tat der Stimmung drinnen aber keinen Abbruch...



 

Im Gegenteil, spülte das regnerische Wetter schon bei EARTHSPLITTER so gut wie alle Anwesenden in die Innenräume, sodass der Opener gleich einmal auf volles Haus bauen konnte und seinen thrashigen Hammer mit Wucht schwingen konnte. Zunächst noch mit ein paar Unstimmigkeiten im Sound und etwas arg dominantem Bass, kamen EARTHSPLITTER aber schnell in Fahrt und punkteten mit ihrer sympathischen Bühnenpräsenz und reichlich kernigen Klängen gleichermaßen. Zwar merkte man in den Ansagen noch ein paar kleinere Unsicherheiten bei Schreihals Marvin, doch dafür konnte er mit druckvollem Geplärr im Riffgewitter ordentliche Aufmerksamkeit generieren. Es dauerte nicht lange, da bildete sich auch, angeheizt von den auf der Bühne gewaltig abgehenden Musikern (der Bassist fiel vor lauter Hingabe und Begeisterung fast über sein eigenes Equipment), schon der erste, kleine Moshpit. Nach erfolgter Zertrümmerung der ersten Kauleisten des Abends verlangte das Publikum auch noch eine Zugabe, die pflichtbewusst und mit sichtlicher Freude nachgeschossen wurde.  Zack – Jubel – nächste Band!


LOST VITAL SPARK drehten den Abrissfaktor noch einen Zacken höher (genau wie den Lautstärkeregler...) und die Zuschauer bekamen eine amtliche proggig-todesmetallische Gnackwatschn verpasst. Trotz weiterhin eher dominant agierenden Tieftönen präsentierte sich der Sound gut abgemischt und brachte dabei wortwörtlich die Wände zum Wackeln und den Besucherraum gehörig in Wallung. Zwischen Highspeed-Riffs und abartiger Griffbrettakrobatik grunzte und brüllte Sänger Stefan als gäbe es kein Morgen – und brachte dabei trotz in den Ansagen deutlich merkbarer Heiserkeit amtlichen Druck hinter die Stimme. Dass der Gig der Linzer mitgefilmt wurde erwies sich als gute Entscheidung, denn die Chemie zwischen den blendend aufgelegten, technisch versierten Musikern und dem hochmotivierten Publikum stimmte wie selten. Zack – Applaus – nächste Band!


Hernach erklomm mit THE MORPHEAN der Lieblingsbrüllwürfel des Berichterstatters die Bühne und gab sich alle Mühe, die von LOST VITAL SPARK noch etwas in den Seilen hängenden Zuschauer wieder ordentlich auf Touren zu schreien. Mit ihrer modernen, vergleichsweise melodischen Ausrichtung irgendwo zwischen kernigem Todesmetall, etwas progressivem Anstrich und leichten Core-Tendenzen wäre das punktgenau vorgetragene Songmaterial der Linzer ja fast schon ein zum Schunkeln einladendes Wellnessprogramm gewesen – doch daran dachte in der Stadtwerkstatt keine der Personen, die da fröhlich zu den sägenden Klängen das Kleinhirn einmal quer durch den Schädelinnenraum purzeln ließen. Denn gerade die beiden neuen Songs die THE MORPHEAN an diesem Abend erstmals der Öffentlichkeit präsentierten, offenbarten doch gefühlt einiges mehr an Härte, speziell im räudigen, fast thrashigen Riffing, als man das von den Herren bisher kannte. Und das machte in dieser Mischung auch noch richtig Spaß! Lediglich eine Zugabe ging sich, obwohl verlangt, dann doch nicht mehr aus, denn, ihr kennt das Spiel: Zack – Beifallsbekundungen – nächste Band!


So konnten THE HIRSCH EFFEKT pünktlich mit dem Umbau starten und, ebenfalls ziemlich genau in der Planzeit, ihre umfassende Flutwelle an Tönen über die Zuschauer ergießen. Und diese gingen auf die abartig-einzigartige Mischung der Hannoveraner einfach nur noch steil, anders konnte man das nicht mehr bezeichnen. Wildes Gemoshe im Zentrum der Halle, heillos überfordert und konsterniert auf die Bühne starrende Besucher im hinteren Bereich und vorne an der Front ein Pulk an entfesselten Musiknerds, die sich zu der Breitseite an Extrem-Progressiven Klängen reihenweise die Schädel abschraubten. Man wusste gar nicht, wo man zuerst hinsehen oder hinhören sollte, als die komplett wahnsinnige Lichtshow, vergleichbar mit einem äußerst heftigen LSD-Trip und der kongenial-wirklichkeitsentkoppelte akustische Wahnwitz in der Stadtwerkstatt eine derart aufgepeitschte und fokussierte Stimmung erzeugten, wie es dieses kleine Schreiberlein nur sehr, sehr selten sah.

Mal ehrlich, was muss man sich einwerfen, um Gehirnzersetzenden Mathcore mit fluffigen Indie-Refrains zu mixen, dann einen Akustik-Part mit Cello dazwischen zu werfen und anschließend noch einmal so ziemlich alles, was die härteren Musikströmungen hergeben, zusammenzuwürfeln - UND DAS DANN AUCH NOCH SO GEIL RÜBERZUBRINGEN? Alter, ich hab mich noch nie innerhalb von eineinhalb Stunden so klein und so überfahren und so überfordert gefühlt! Ich hab Kopfschmerzen! Das Zeug umschmeichelt dich, tritt dir dann hinterrücks in die Eier, lutscht dir verführerisch die Nippel und haut dir nochmal in die Fresse, nur um dir anschließend ekstatisch die Zunge bis zum Anschlag in den Rachen zu stecken! Holt mich hier raus, das ist ein Albtraum! Nein, lasst mich weiter in diesem tonalen Konstrukt der Himmelswelten schweben!

Äääh, was? Ja, ich hab meine Tabletten schon genommen, glaub ich. Moment mal, was wollt ihr mit dieser komischen Jacke...?!


Mehr Fotos des Abends findet ihr bei Images Of Pain And Pleasure

 


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