21.06.-24.06.2018, Dessel,

GRASPOP METAL MEETING 2018 - Donnerstag/Freitag

Veröffentlicht am 01.08.2018

(Vielleicht sollten wir euch kurz vorwarnen: Um dem Bericht die nötige Würze zu geben und nicht in eine Band-nach-Band-nach-Band-Aufzählung abzurutschen, haben wir es gewagt, Mut zur Lücke zu zeigen. Natürlich könnten wir euch davon berichten, dass IRON MAIDEN eine grandiose Show abgezogen haben, dass Bruce Dickinsons Stimme wieder zu alter Größe erwachsen ist und diese Combo einfach nicht alt und uninteressant werden möchte – aber das versteht sich eigentlich fast von selbst. Deswegen haben wir uns hier etwas mehr auf teils "kleinere" Bands konzentriert, auf Kuriositäten und Überraschungssieger. Oder einfach auf persönliche Highlights, die ja nicht immer im Mainstream liegen. Deswegen beharren wir hier nicht auf Vollständigkeit, sondern eher darauf, euch ein paar interessante Namen und gut gemeinte Stolpersteine vor die Nase zu werfen).

Donnerstag, 21. Juni
: Reise, Reise, Massenanreise!

Viel zu früh am Morgen macht sich eine Auslandkorrespondentin des Stormbringer-Teams im Eurocity von Hamburg gen Ruhrgebiet Gedanken über das Wetter: silbergraue Fäden feinsten Nieselregens liefern sich ein Rennen am Zugfenster. "Ich habe keine Gummistiefel dabei…", evaluiere ich nüchtern, "…aber der Rucksack ist angenehm leicht!" Zufrieden nicke ich ein und werde am Zielbahnhof von meiner Partnerin in Crime empfangen. Wir ins Auto, Einkäufe ins Auto, alles im Auto? Ab nach Belgien! Anderthalb Stunden schwelgen wir in Erinnerungen an letztes Jahr und beschließen: "Das wird toll!" Bei dem hochkarätigen Line-Up haben wir uns einiges vorgenommen. Viele Träume werden in Erfüllung gehen, einige Befürchtungen und ein ganz persönlicher Alptraum. Doch zunächst verläuft alles nach Plan.

Obwohl wir nicht zum ersten Mal zum Graspop pilgern, suchen wir auch dieses Mal wieder in gewohnter Orientierungslosigkeit nach dem Check-In, um unsere ungnädigen Papierbändchen in Empfang zu nehmen, die uns, dem rechtschaffenen Festivalbesucher gegenüber, als Schnorrer ausweisen und sofort damit beginnen, unaufhaltsam zu verwittern. Egal wie umsichtig man damit umgeht, genau am letzten Tag können die Barcodes nicht mehr gescannt werden – eine Meisterleistung des kalkulierten Verfalls. Chapeau! Als wir, unsere gesamte Camping-Bagage umarmend, den Einlass erreichen, wird uns klar, dass wir den High-Noon am Hauptanreisetag erwischt haben. Schieben, drücken, ein Schritt vor. Fünf Minuten ins Haar des Vordermannes starren, schieben, drücken, ein Schritt vor. Noch ein Schritt vor. Bloß nicht zu euphorisch werden. Stehen wir hier überhaupt richtig? Wen verpassen wir denn gerade auf der Bühne? ICED EARTH. Als wir nach stundenlangem Gruppenschmusen den Einlass sehen, wird uns klar, dass wir mit unserem Krempel theoretisch  einfach an der Seite hätten vorbeigehen können, denn der Großteil des Haufens stand dort für den Umtausch des Tickets in Armschmuck an. Dank fehlender Ordner und Beschilderung erfahren wir dies aber ein wenig zu spät. Naja, Schwamm drüber und schnell die Zelte am Wegesrand aufgebaut. Natürlich wissend, dass man diesen zur Sicherheit aller freilassen sollte – allein: es geht nicht anders, denn der Zeltplatz ist komplett überfüllt. Bereits am ersten Abend sind abertausende Zelte völlig nahtlos aneinandergepuzzelt und von den Rettungswegen ist kaum noch etwas übrig.

Auch hier gibt es keine Ordner, die das interessiert, also machen wir uns endlich auf den Weg ins Infield, den Klängen von GHOST entgegen. GHOST sind Vollprofis, darauf ist auch diesmal Verlass. Die vier Songs, derer wir noch Zeuge werden, feiern wir darum extra hart ab. Textsicher, wie alle anderen der gefühlt vollzählig erschienenen Graspopbesucher. GUNS N’ ROSES haben im Anschluss gleich für unfassbare dreieinhalb Stunden (!) Mainstage 1 gepachtet. Währenddessen verleiben wir uns nicht nur zwei wesentlich interessantere Gigs von HEILUNG und KATAKLYSM im zeltartigen Metal-Dome ein, sondern haben anschließend immer noch eine Stunde Zeit, der unendlichen Geschichte von GUNS N’ ROSES doch noch beizuwohnen, bevor wir den nächtlichen Hürdenlauf antreten müssen. Von HEILUNGs sowohl optisch wie auch akustisch beeindruckender Show sind dann auch auf dem Zeltplatz noch viele nachhaltig beeindruckt. Genauso wie von den niedrigen Temperaturen. Bei acht Grad gilt der letzte Gedanke vor dem Schlafen der höchsten Anzahl anziehbarer Pullover, bei der der Schlafsack gerade noch zugeht. Gefrorene Erde unter'm Hintern und ICED EARTH als Entschädigung auf die Ohren – ein peinliches Wortspiel zum Abschluss des ersten Tages. Es wird vielleicht nicht das letzte bleiben.
(Anmerkung der Partnerin in Crime, auch als "die Streberin" oder "die mit dem Autoschlüssel" bekannt: Dieses eisige Schicksal blieb meinereiner dann doch erspart, denn nach den tatsächlich sehr genialen GHOST und ein paar Anteilen GUNS N’ ROSES, die musikalisch nach wie vor auf Top-Niveau spielen, stimmlich aber leider eindeutig den Biss und das Feuer von früher missen lassen – ja, verdammt, sie werden alt –, nervte das innere Pflichtbewusstsein. Zurück nach Germanien, denn die Arbeit groovt. Pünktlich um acht stand meinereiner also am Freitag Habt Acht in der zivilen Welt, machte sich bis eins wie ein Vollprofi zum Affen und rauschte dann zurück ins schöne Leben, da wo die Bands noch Krach machen dürfen und Zelt, Dreck und Kälte eine untrennbare Einheit bilden. Das Wiedertreffen der gerade frisch aufgetauten Hälfte war – obwohl mit ohne Internet (das mit ohne ist Absicht und voll so gewollt!) – extrem unkompliziert, was ebenfalls eine Eigenart des Festivals zu sein scheint. Sich zu finden ist einfach, wenn man das nur will. Außer man nimmt das falsche Kreuz. Dabei hieß es bei Brian schon: "Hinten rechts, aber jeder nur ein Kreuz!"

Foto: Daria Hoffmann / Stormbringer.at


Freitag, 22. Juni: Do the Bounce!!

Friday – I'm in love with ZEAL&ARDOR. Fun-Fact: Wenn man "Zealardor" extrem komisch ausspricht, klingt es wie "Cellardoor" – welches, wie im besten Film alle Zeiten, Donnie Darko, festgestellt wurde, das am schönsten klingende Wort aller Zeiten ist! Die Mischung aus Blues, Sklavengesängen und Black Metal aus der Schweiz sollte man aber auch ganz unabhängig davon unbedingt gesehen und gehört haben. Ein echtes Livererlebnis zwischen "Artsyfartsy" und "WTF?".

Pünktlich zu POWERWOLF war dann meinereiner auch wieder mit dabei. Das deutsche!!! Aufwärm-Bier auf dem Weg zur Mainstage war zwar leider eine Fehlentscheidung (in internen Kreisen ist ohnehin bekannt, dass ich kein Fan von deutschem Bier bin, aber die Devise: "Fürs Festival Hauptsache billig, den Zweck wirds schon erfüllen" kann nichts. Ergo: Ich hab das Pisswasser auf halbem Wege weggeworfen, Bierquäler hin oder her). Die Werwölfe haben pflichtgemäß ihre Schäfchen vor der Bühne vereint wie eine Truppe Rattenfänger, denen die Flöten ausgegangen sind, und sie haben pflichtbewusst ihre Show runtergerockt. Nicht falsch verstehen, POWERWOLF ist eine starke Band, die Massen begeistert und unterhält. Die Herrschaften haben an Qualität nichts eingebüßt, seit ich sie das erste Mal gesehen habe. An dem, was sie machen, verharren sie aber auch stur und lassen immer wieder die gleiche Platte rund laufen. Das funktioniert. Für viele. POWERWOLF ist eine Partyband, wie sie im Buche steht, klebrige Ohrwürmer und Mitgröl-Texte rennen mit dem Tempo der Show um die Wette. Der ein oder andere (mich eingeschlossen) mag diese gleichbleibende Gangart aber mittlerweile etwas müßig und abgedroschen empfinden.

Nachdem man sich zu einer gemütlichen Shoppingtour hinreißen und sich einen feinen Sonnenbrand gratis mit dazu anhängen hat lassen, warteten dann endlich THE DARKNESS im Metal-Dome – natürlich nur auf uns. Der Metal-Dome, schon letztes Jahr meine favorisierte Bühne aufgrund der feinen Akustik, wurde nun auch optisch fast schon drastisch gepimpt. Durch an der Decke angebrachte Bögen und ordentlich Scheinwerfer wurde tatsächlich jede Band zum Erlebnis. Schade, dass man hier keine Fotos davon zeigen darf, denn diese Stage machte echt was her! (Den etwas schwindligen Foto-Restriktionen sei Dank.) Jedenfalls durften THE DARKNESS nun loslegen. Und das taten sie! Fast eine Stunde lang trieben sie dem gediegenen Festivalbesucher mit geölter Stimme und einer Power-Setlist den Schweiß auf die Stirn. Die Aussage "We want you to bounce" fand ich ja erst noch ganz amüsant, bis ich bemerkte, welche Fähigkeiten der hier gelegte Boden hatte. Eigenschaften wie ein Springfloor, auf welchem jeder Turner seine wahre Freude gehabt hätte, ließ die versammelten Musikjünger im Takt einen halben Meter höher steigen – auch wenn sie es nicht wollten. Dass selbst die Securities – gewollt oder ungewollt – an dem "Bouncing" teilnahmen, fand vor allem auch THE DARKNESS sehr lustig. Fast eine Stunde voller energetischen Rocks, einer gut gelaunten Band und einer Menge Spaß – und das alles in einem optisch wie akustisch einwandfreien Metal-Dome. So gefällt mir das! Das Kontrastprogramm gab es dann sofort mit WOLVES IN THE THRONE ROOM. Bei denen konnte sich kaum noch einer beherrschen – die faulen Passanten fielen reihenweise der Meditation anheim und schlossen auf dem Boden liegend ihre Äuglein – und was machen wir? Mit!

Man hat ja bekanntlich pro Festivaltag ein oder zwei Highlights, die man sich auf jeden Fall ansehen muss, mag kommen, was wolle. AYREON war meines. Die Alben schon auswendig im Kopf gespeichert, war man gespannt. Immerhin hatte sich AYREON noch nie auf einem Festival blicken lassen und so war es – zumindest für mich – auch ein spannendes Rätsel, welcher Musiker oder Sänger von der hochkarätigen Star-Besetzung, die sich Arjen Lucassen immer wieder mit ins Studio holt, nun wohl die Bühne des Marquee beehren würde. Leider ist es tatsächlich an dieser Stelle nicht möglich, zu einem vollständigen Bericht auszuholen. Aber AYREON hat einfach jegliche Erwartungen getoppt und einem Großteil der Zeugen dieses Spektakels das Gehirn auf links gedreht. Akustisch feinstens versierte Bombardements, eine Lichter- und Pyro-Show, die sich perfekt der Stimmung und den Aussagen der musikalischen Geschichten angepasst hat, großartige Musiker und ein gesangliches Staraufgebot, das einen fast umkippen ließ. EPICAs Simone Simmons, Maggy Luyten, Anneke van Giersbergen, Irene Jansen (die Schwester der NIGHTWISH-Vokalistin) waren nur einige der Stimmgewalten, die nicht nur nebenbei und im Hintergrund, sondern auch bei Songs wie "Valley of the Queens" für Gänsehaut gesorgt haben, während Tom Englund (EVERGREY), Tommy Karevik (KAMELOT), John Cuijpers (PRAYING MANTIS), Brian Hay (Golden Earring), Damian Wilson, Mike Mills und noch einige mehr nacheinander die Bühne stürmten, um eine großartige Mischung aus dem AYREON-Universe zu performen. Die Stimmung war am Explodieren, wie ein Feuerwerk, und die Performance rund um Mastermind Arjen Lucassen (der auch selbst auf die Bühne kam) traf sowohl musikalisch als auch emotional jede Faser der Fans, die zwischen tiefster Bewunderung und absolutem Hochgefühl schwankten. Wahrscheinlich muss ich – die ich vollkommen in das von Lucassen so perfekt erschaffene Universum gezogen wurde – nicht mehr erwähnen, dass ich nach Vollendung dieser grandiosen Darbietung nicht mehr bereit war, die letzten noch möglichen Songs von PARKWAY DRIVE, die gerade dabei waren, die Mainstage komplett in Schutt und Asche zu legen, wirklich auf mich einwirken zu lassen. Hirn und Herz waren noch so bei AYREON gefangen, dass nicht mal die durchschlagende Wirkung dieses Core-Geschosses bei mir ankam. Ja, wahrscheinlich ist auch das Mut zur Lücke. Für mich war das Konzertsammeln für diesen Tag gelaufen...

Weiter geht's dann im nächsten Bericht (Samstag und Sonntag) mit noch mehr großartigen Bands! So wait for it!!


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