03.03.2018, Backstage (Club), München
CYPECORE & JOHNNY DEATHSHADOW
Stormbringer-Logbuch, Annalen 2018 - 11 Jahre nach der Apokalypse:
Wir schreiben den 3.3.2018. München ist verbrannt, dem Erdboden gleichgemacht. In die rauchenden Ruinen der einstmals stolzen Stadt duckt sich ein unscheinbares Wellblech-Gebäude, schnell und zweckmäßig gebaut, darauf bedacht Deckung zu geben und das Augenmerk nicht allzu sehr auf sich zu ziehen. Dünne Rauchschwaden kräuseln sich aus den Schlitzen hastig übereinandergetürmter Container, aus deren Inneren die Geräusche in gespannter Erwartung harrender, zusammengepferchter Personen dringen, untermalt von den pumpenden Klängen der Maschinen. Geduckt schleichen weitere Menschen in Richtung des dampfenden Komplexes, um der Öde und Tristesse dieser postapokalyptischen Welt für kurze Zeit zu entfliehen. Auch der Berichterstatter hat den beschwerlichen Weg über die Berge auf sich genommen, um die Operation von CYPECORE an diesem Abend in den Chroniken der Endzeit für die Ewigkeit festzuhalten.
Unfassbare vier Jahre ist es nun schon her, dass der Berichterstatter in der Höllenküche von Oberwiesenacker beinahe vom flammenden Spektakel der Mannheimer geröstet wurde. Echte Flammen sollte es an diesem Abend keine geben, denn die Energie ist rar geworden in diesen düsteren Tagen. Es ist der Dampf der Maschinen und der Kampfscheinwerfer alleine, der die Truppe in Szene setzen sollte.Der Club ist bis auf den letzten Platz gefüllt (ausverkauft!) und trotz der tiefen Außentemperaturen heizt sich der Innenraum durch die vielen, in gespannter Erwartung harrenden Personen, schnell auf. Heiß und dampfig wird es werden und der Schweiß wird in Strömen fließen, wenn CYPECORE zum Rapport rufen.
Zunächst gab es aber einen Vortrag der kriegsbemalten, dem Grabe entstiegenen Horrorpunks von JOHNNY DEATHSHADOW. Trotz starken visuellen Konzeptes konnte das irgendwo zwischen Industrial, Gothic und einigen deathigen und corigen Einsprengseln pendelnde Liedgut nicht so recht überzeugen, zumal die Gitarre im Mix gnadenlos absoff. Am stärksten präsentierten sich die Hamburger in ruhigeren, Gothic-lastigen Songs, während die treibenden, härteren Passagen zu aufgesetzt und bemüht wirkten, um wirklich mitzureißen. Es war klar, dass das Gros der Anwesenden auf den Einsatz von CYPECORE wartete, so mussten sich JOHNNY DEATHSHADOW trotz großer Hingabe und Einsatzbereitschaft unter Wert geschlagen geben.
CYPECORE funktionierten trotz Abwesenheit einer ihrer Kameraden (*Info siehe unten) wie eine gut geölte Maschine und feuerten vom Fleck weg aus allen Rohren. Starke Effekte und stimmungsvolle Lichtshow zeigten den Anwesenden die Schönheit der Endzeit und hämmernde Klänge lehrten die Zärtlichkeit der Brutalität. Und alle waren sie gekommen, um den Propheten der Apokalypse zu hofieren – die Kuttenträger, die Gothics, die Core-Jünger und sogar die ein oder anderen Normalos; sie alle haben sich aus den tristen Trümmern ihrer Existenz in diesen bunten Haufen an Lebewesen integriert, der das Ende aller Tage für einen Abend zur Kunstform erheben sollte. „We are the Alliance!“ schallte es aus den Boxentürmen und schnitt sich direkt in die Gehirne der Anwesenden. Machtvoll pflügten die kampferprobten CYPECORE durch ein Set aus hämmernden Hymnen des Weltuntergangs, während sich die Masse vor der Bühne in schweißtreibenden Übungen für den Überlebenskampf stählte. Heftigste Moshpits und Circlepits wogten durch die Halle und selbst die Zuseher auf dem Balkon gingen ab, als gäbe es nach diesem Abend kein Morgen mehr.
Es brauchte keine ausufernden Ansagen, keine selbstverherrlichenden Solo-Einlagen – nur die pure, rohe Energie hämmernder Musik, irgendwo zwischen Industrial und melodisch-modernem Todesblei, in Szene gesetzt von Licht und Rauch, vorgetragen von den einheitlich gekleideten, gut gegen die Gefahren der Außenwelt geschützten Kämpfern – um die begierig das Spektakel aufsaugenden Zuseher bei der Stange zu halten. Die dichte Atmosphäre jagte einem unwillkürlich einen Schauer über den Rücken, walkte einen durch und kotzte einen anschließend wieder aus, gestählt und vorbereitet auf den Kampf gegen jedwede Gefahren. CYPECORE erhoben für einen Abend die Schrecken der Postapokalypse zur Kunst, ließen die Leute für einen Moment vergessen, was vor den Toren dieser trostlosen Industrieanlage auf sie lauerte und gaben ihnen neue Kraft, um die Gefahren der endzeitlichen Welt bestehen zu können.
Verschwitzt, doch gut gerüstet und sogar ein wenig glücklich, strömten die Leute anschließend wieder aus dem Club. Beeindruckt zerstreuten sie sich wieder in alle Winde, schweigend, unauffällig verschwindend in den Ruinen einer zerstörten Stadt, über die sich die klirrende nächtliche Kälte des Winters senkte. Danke, CYPECORE, wir werden überleben!
Schlachtplan (ohne Gewähr!)
- The Alliance
- Where The World Make Sense
- Reject The Stream
- Identity
- Values Of Life
- Dreamsmasher
- A New Dawn
- Values Of Death
- My Confession
- Leviathan
- The Hills Have Eyes
- The Lie Of Redemption
- Dissatisfactory
- Remembrance
- Saint Of Zion
Eintrag Ende.
Erweiterte Bildstrecke des Fronteinsatzes: Images Of Pain And Pleasure
*) Bassist Chris erkrankte im August 2017 an einer seltenen und bösartigen Form der Leukämie und kann demzufolge derzeit nicht auftreten. Er befindet sich zwischenzeitlich auf dem Weg der Besserung und die Band steht weiterhin geschlossen hinter ihm. Junge, tritt dieser Krankheit so in den Arsch, wie du auf der Bühne mit deinen Kameraden gewütet hättest!