10.02.2018, Indra Musikclub, Hamburg

"F*ck Metal!" – ein "Brutal Party Massacre"

Text: Jazz Styx
Veröffentlicht am 13.02.2018

Hamburg, Indra Club 64, 1960: THE BEATLES. Hamburg, Indra Club 64, 2018: GROOVENOM, MYOSOTIS, BAD BLOOD EXHAUST und MIRRORS OF TIME. Damals Rock, heute verschiedene Core-Genres: Die Headliner liefern auch beim Finale ihrer „Brutal Party Massacre“-Tour feinsten Trancecore und werden dabei unterstützt von den auf Metalcore zentrierten Klängen der drei Support Bands.

Stille … Der Raum ist locker gefüllt. Stille … Leicht angespannte Vorfreude wabert durch die Bier trinkenden Reihen. Stille … Musiker betreten die Bühne. Stille …

Unter der schwarz brennenden Sonne

Lärm! MIRRORS OF TIME eröffnen das Programm dieses Abends. Frontmann Rico repräsentiert dabei ideal den Sound des norddeutschen Quintetts. Stählerne Muskeln und provokant-agressive Mimik treffen auf sympathische Ausstrahlung und feingliedrige, schön anzusehende Tattoos. Emotionalität trifft auf Härte. Alternative Metal trifft auf Metalcore. Gefühlvoller Gesang trifft auf heftige Shouts. Dabei ist die Qualität all dieser einzelnen Merkmale echt hoch. MIRRORS OF TIME lassen diesen kleinen undergroundigen Newcomer-Abend mit einer Größe beginnen, die zahlreiche „große Bands“ vermissen lassen. So ist der Verweis auf das voraussichtlich im April 2018 kommende Album „The Sun Burns Black“ mehr als verdient, zumal die gespielten Songs von ebendieser Platte einen weiteren steilen Qualitätsanstieg der Band verdeutlichen! Mehr Lob bekommen MIRRORS OF TIME von mir nur deswegen nicht, weil ich weiß, was der Abend noch bringen und wie bald mir das überschwänglich begeisterte Vokabular ausgehen wird.

Hohes Lob und gnadenlose Kritik

Nach der teils guten, teils hervorragenden ersten Runde spielen nun BAD BLOOD EXHAUST den zweiten Akt. Sofort keift ein junger Mann mit Hemd und Lederjacke – nennen wir ihn Danny, weil er so heißt – übelste Shouts und Growls durch den Raum – sehr überzeugend! Passend ballert die Musik dazu. Allerdings folgen sehr bald auch ruhigere Passagen, in denen der Gesang mal nu-metallig-crossoverig, mal metalcore-clean wird. Mindestens vier Gesangsstile auf gleichem, hohen Niveau zu erwarten, wäre wohl etwas viel verlangt, also konzentriere ich mich auf Shouts und Growls und vernachlässige den Rest. Meiner höchst subjektiven Meinung nach täten BAD BLOOD EXHAUST gut daran, es ebenso zu machen.
Nichtsdestoweniger geht der leicht industriell angehauchte Metalcore der Hamburger gewaltig nach vorne. Nein. Sorry, aber ich muss nochmal zurück zur Kritik: Wenn man mehrere Gesangsstile des Extrem-Metal-Bereichs derart großartig beherrscht wie Danny, dann sollte man es vielleicht dabei belassen. Das ist hohes Lob und gnadenlose Kritik. BAD BLOOD EXHAUST können derbe was, aber eben nicht alles. Offensichtlich ist das Publikum jedoch ziemlich überzeugt, sodass sich vor allem im letzten Auftrittsdrittel reichlich Bewegung vor der Bühne ergibt. Einen Eindruck könnt ihr selbst gewinnen auf der aktuellen EP „The Devil Changes You“!

„FCK MTL“ beim brutalen Party-Massaker

Bei GROOVENOM muss ich gleich mit Kritik beginnen: Die Reihenfolge der Songs in der Playlist ist nur mittelmäßig sinnvoll und kaum klimaktisch arrangiert und die stimmliche wie musikalische Pointierung hinkt mitunter hinter den Studioaufnahmen auf dem aktuellen Album „Modern Death Pop“ hinterher. Diese Kritik kommt deswegen gleich vorweg, weil ich danach nicht mehr dazu in der Lage bin, wenn mein Fanboy-Modus bei 200% explodiert!
„Brutal Party Massacre“ – Titel der Tour und Titel des Auftritts-Openers – erzeugt Instant-Beststimmung. „Hallo Welt“ gleich hinterher und alles versinkt in einer schwarz-weiß-pinken Pop-Core-Dance-Metal-Ekstase. GROOVENOM haben viel mit ESKIMO CALLBOY gemeinsam, sind aber besser geschminkt, sodass jedes einzelne Gesicht ein Review verdienen würde. Mr. Sanz mit den Augen eines Supervillains liefert die Main-Vocals in verschiedenen Stilen mit hohem Wiedererkennungswert und wird dabei unterstützt von seinem „bösen Zwilling“ Matt Steen und DJ Esuz Christ  – er bringt den Elektro in den Core und reichlich Over-the-Top-Coolnes mit seiner Brille auf die Bühne. Youngstar-Gitarrist Tightuz (unter diesem Namen neuerdings auch als Solokünstler aktiv und sehr auscheckenswert), Drummer Ronald Warmachine (stets ein wenig vermummt) und Bassist Fred Cube (bestes Make-up von allen oder hat er einfach die beste Leinwand dafür?) komplettieren die „Traitors To The Scene“.
Ordentlich Elektro! Ordentlich Metalcore! Ordentlich Boyband! Warum GROOVENOM nicht die angesagteste Trancecore-Band überhaupt sind, entzieht sich meinem Verständnis! Schließlich sind sie „Not Another Trancecore Band“, sondern „what you've been waiting for“! Hört das Album „Modern Death Pop“ und geht zu den Konzerten!

„Is there something that is stopping you, then break it“

Was GROOVENOM auch sehr klug machen: Sie lassen eine ihrer Support-Bands nach sich spielen. Das ist deswegen so klug, weil es sich bei dieser Band um MYOSOTIS handelt, die – obwohl sie noch ganz am Anfang stehen – den berechtigten Ruf haben, allen Bands nach ihnen die Show zu stehlen. Als MYOSOTIS nämlich die Bühne betreten, ist die Tanzfläche schlagartig randvoll und der nochmal deutlich gewachsene Pit schleudert Arme und Beine als würde er unter Starkstrom gesetzt. Schon beim Soundcheck herrscht eine Stimmung, um die sie viele Bands beneiden würden. Nach zwei gefühlvoll-präzisen Ausflipp-Songs von der mehr als empfehlenswerten Debüt-EP „Distance“ – so, genau so und nicht anders geht feinster Metalcore! – gibt es neues Material auf die Ohren. Ersteindruck: Grandios!
Timo und Kilian, die Gesangs-Doppelspitze von MYOSOTIS, stürzen sich immer wieder auch in den konstant aktiven Moshpit und initiieren Walls of Death, sodass sie mit ihrer Art allein schon als Must-See der Hamburger Sehenswürdigkeiten gelten könnten. Dass dazu noch so zugleich feinfühlige, aggressive und mitgehbare Songs wie „Waves“ und „High Voltage“ durch die Ohren dröhnen, macht MYOSOTIS vor allem live zur unbedingten Empfehlung. „We are MYOSOTIS!“


WERBUNG: Hard
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