01-04-2017, Backstage (All Area), München
Under The Black Moon 2017
Vielleicht am Tag der Scherze stattfindend, doch beileibe kein Aprilscherz: Das Under The Black Moon Festival im Backstage München erlebte seine dritte Auflage! Acht Stunden lang, auf allen drei Bühnen des Backstage, nur Stoner, Doom, Psychedelic und Retro-Klänge. Viele Zuseher, doch etwas weniger als im Vorjahr, packten die Gelegenheit beim Schopf und ließen sich entweder auf eine akustische Zeitreise oder gleich in andere Dimensionen schicken. Ein kleines, einsames Stormbringer-Schreiberlein ließ sich von den wabernden Soundwänden mitziehen und biss im Verlaufe des Abends tapfer die Zähne zusammen – nicht ob der Klänge, keine Sorge! Nein, der Berichterstatter schleppte sein gefühlt dreihundert Kilo Fotoequipment humpelnderweise mit Sehnenverletzung im rechten Fuß durch sein zweites Wohnzimmer – und das ist erneut kein Aprilscherz!
GODSGROUND
Die Festival-Eröffnung übernahmen die Lokalmatadoren SWAN VALLEY HEIGHTS, die in der Halle gleich ordentlich stonten. Wabernde, beinahe psychedelische und meditative Klänge mischten sich mit zähen Lava-Riffs, während sägender Bass durch Mark und Bein ging und so manchem Besucher gleich den ersten Tinnitus des Abends bescherte. Ein starker und vor allem lauter Opener!
Gleich darauf wurde auch schon die Bühne im großen Werk eröffnet, von den ebenfalls in München stationierten GODSGROUND. Etwas verspielter, schon mehr in Richtung Grunge kippend, konnten die Vier zum einen eine ordentliche Menge Zuschauer mobilisieren, zum anderen auch begeistern. Tight gezockt und mit starker Stimme, die zeitweise in Wüstengefilde abdriftete, und starken Gitarrensoli machten GODSGROUND tierisch Spaß und konnten sich früh am Tag ordentlichen Applaus abholen.
Etwas ruhiger fiel die Eröffnung der kleinen Club-Bühne aus, mit den Regensburgern von TAMING THE SHREW. Viel Midtempo, präsente Orgelklänge und schleppendes Riffing wurden von einer überraschend starken Sängerin veredelt, deren klingende, bluesige Stimme stellenweise von der Couleur her ein wenig an Tina Turner erinnerte. Trotz sichtlicher Nervosität kamen die Fünf zur frühen Stunde sehr gut an und durften sich für ihre starke Vorstellung über großen Zuschauerzuspruch und amtlichen Jubel freuen.
Garstiger Undergroundbastard – VAN DRUNEN
VAN DRUNEN in der Halle – nein, nicht die Blutkehle von HAIL OF BULLETS und ASPHYX! Letztere kann man zwei Wochen später an gleicher Stelle ihr Zerstörungswerk verrichten sehen – doch dieses unter dem Namen VAN DRUNEN firmierende Trio auf der Bühne erwies sich als nicht minder zerstörerisch. Was für ein garstiger Brocken war das, was diese Drei dem Publikum da vor die Beine kotzten! Stilistisch schwer einzuordnen kreierten VAN DRUNEN eine Atmosphäre, die am ehesten ein wenig an die übermächtigen MANTAR gemahnte, tiefschwarz und direkt aus der Hölle kommend. Einige Besucher waren ob der vergleichsweise brutalen Klänge so früh am Festivaltage sichtlich irritiert, doch der Rest freute sich einen Ast ab. Handelte es sich doch bei der Truppe um ein Münchner Urgestein, das tatsächlich schon immer so klang (bevor es modern wurde, so zu klingen!) und tief im Underground verwurzelt ist. Die Truppe verdient es, auch einmal auf einer größeren Bühne zu stehen! Daumen hoch!
Nahtlos brutal ging es im Club weiter mit HIGH FIGHTER aus Hamburg, bei denen die Napalm-Mona (© Christian Wiederwald) ordentlich angepisste Vocals ins Auditorium spuckte. Besonders die Gesichter einiger Besucher regten zum Schmunzeln an, als die blonde Dame sich zunächst noch mit „normaler“ Stimme einsang, um zum Start der Show dann unvermittelt ihre garstige Seite auszupacken. Herber Doom, mit einer großen Portion Sludge serviert, walkte die Zuseher ordentlich durch und begrub jeglichen Zweifel an den musikalischen Qualitäten des Fünfers unter sägenden Riffungetümen. Was da aus den Boxen quoll stieß den Hörer in massivste Dunkelheit – ganz stark!
NWoBHM-Machtdemonstration – ANGEL WITCH
Richtig zur Sache ging es auch im Werk, wo ANGEL WITCH eine ordentliche Duftmarke der NwoBHM hinterließen. Die Kult-Truppe war kurzfristig für SATAN'S SATYRS ins Billing gerutscht, was sich nicht als die schlechteste Wahl herausstellte! Die langdienende Formation aus dem vereinten Königreich bewies dabei, dass sie viel mehr war als nur ein Lückenbüßer – ein übelst lässiges Riffgewitter aus klassischem Schwermetall mit Doom-Schlagseite brach über das Werk herein, zu dem die zahlreichen Zuseher auch entsprechend abgingen. Ein großes Highlight am frühen Abend, hatte sich doch ein erkleckliches Häufchen an Besuchern erst wegen ANGEL WITCH kurzfristig dazu entschlossen, das Under The Black Moon doch noch zu besuchen. Pflichtschuldig gaben die Briten ihr Bestes und entfachten ein Feuer der Begeisterung – nicht nur in den vordersten Reihen des großen Werks!
Das kleine Stormbringer-Schreiberlein musste anschließend der überschwänglichen Begeisterung für die Briten Tribut zollen und den lädierten Fuß hochlegen. Um die Zeit nicht sinnlos zu verplempern, wurde im Zuge dessen auch das kulinarische Angebot erkundet. Die Neugier auf das von vielen Seiten gelobte Pulled-Pork-Sandwich war zu groß, sodass auch der vergleichsweise stattliche Preis kein Hindernis darstellte. Und, was soll man sagen – schmeckt in der Tat verdammt gut das Teil! Nur selbiges zu Verdrücken ohne wahlweise Hände, halbes Gesicht und/oder Kleidungsstücke/Umgebung vollzukleckern, ist wohl eine Wissenschaft. Egal – das war bestimmt nicht das letzte Mal! Solcherart gestärkt und dank Hochlagerung wieder etwas weniger geschwollenem Fuß wurde der Faden der Bands wieder aufgenommen.
Deutsches Überraschungsei: SAMSARA BLUES EXPERIMENT
In den Club war indes, nach der zwangsverordneten Pause, kein Hineinkommen mehr, da das Publikum bereits im Eingang dicht gedrängt stand. DUNE PILOT schienen somit ziemlich gut angekommen zu sein! So wandte sich der Berichterstatter Richtung Halle, wo er gerade noch rechtzeitig für die letzten doomigen Klänge von CULT OF THE BLACK MOON RISIN' einlangte, die sich stattlichen Applaus von der ebenfalls ziemlich gut gefüllten Halle abholten.
Psychedelisch und groovig ging es im Werk weiter, wo das SAMSARA BLUES EXPERIMENT unter großem Publikumszuspruch Stoner, Psychedelic und Doom vermischte. Während des einnehmenden Vortrags der Deutschen wurde fleißig mitgenickt und auch das kleine Stormbringer-Schreiberlein erlag der Faszination der teils ein wenig folkloristisch und orientalisch angehauchten Klänge. Auch im Zuschauerraum gab es einige überraschte Blicke zu orten, die sich sichtlich beeindruckt ob der gebotenen Qualität zeigten. Applauspegel: hoch!
Draußen wurde es finster, und drinnen im Club wurden schräge Töne angestimmt. BRAINDEAD WAVELENGTH aus München machten es dem Zuhörer nicht leicht, wanderten sie doch relativ unschlüssig querbeet durch eine große Bandbreite an Stilrichtungen, sodass es schwerfiel, das Trio irgendwo einzuordnen. Ein bisschen mehr Stringenz, ein erkennbarer roter Faden, wäre hier wünschenswert. Nebst der Musik fiel der Auftritt der sympathischen BRAINDEAD WAVELENGTH aber mehr durch das spärliche, aber dafür komplett auszuckende Publikum auf. Zwischen seltsamen Zuckungen der Anwesenden enterte ein Besucher die Bühne und fiel in weiterer Folge durch relativ assiges Verhalten und stänkerndes Herumpogen auf, sodass der gute Mann zuguterletzt an die frische Luft gesetzt werden musste. Ein seltsamer Auftritt, in allen Belangen.
Pillchen für den Psychotrip: PRISTINE
Umso überraschender danach der Auftritt von PRISTINE in der Halle: Die BLUES PILLS sind auf dem Psychotrip! Optisch und vom Stageacting her ein wenig an die Frontfrau der bluesigen Arznei gemahnend (bloßfüßiges Energiebündel, das energisch das Tamburin zu schwingen weiß) konnte die Fronterin der Norweger auch stimmlich mit kräftigem Organ auf voller Länge überzeugen. In die Retro-lastigen, aber dennoch ziemlich eigenständigen Klänge mischte sich auch so manche psychedelische Soundspielerei, für die sich der Pilotenbebrillte Gitarrist zuständig zeigte. Wieder einmal verflucht stark was da geboten wurde, und was auch vom Publikum nicht unverdient mit Jubelrufen eingedeckt wurde.
Noch schnell einen Sprung in den Club, wo die ELEPHANTS FROM NEPTUNE beim Soundcheck soeben einen Amp abgeschossen hatten. Das Reparieren dauerte dann etwas länger, weshalb die Vier erst etwas später als geplant beginnen konnten. Die Elefanten erwiesen sich sodann als nicht vom Neptun (Ernsthaft, wie kommt man bitte auf so einen Bandnamen? Was immer man dafür geraucht hat, das möchte ich auch gerne!), sondern direkt aus „stone cold Estonia“ eingeflogen. Estland, da war doch was? Doch keine Sorge, die vier Dickhäuter machten keine Anstalten, den Porzellanladen zu zertrampeln, sondern beschallten das Publikum stattdessen mit feinstem Retro-Rock, der die unvermeidliche, gelegentliche BLACK SABBATH-Schlagseite aufwies. Solide gezockt, aber nichts, dass einen nach einem Tag voll musikalischem Räucherwerk noch vom Hocker reißen würde.
Der proklamierte Abriss sollte nämlich im Werk folgen: MANTAR. Die Leute im ziemlich vollen Werk gaben zum ersten Mal so richtig Gas und ließen sich von den Hassbatzen des Power-Duos in die räudige Finsternis der von Black, Punk und Doom geschwängerten Musik ziehen. Der erste (und vermutlich einzige) Crowdsurfer des Festivals zog seine Bahn bis in den Bühnengraben, während der Krawall aus den Boxen dröhnte und das Werk von vorne bis hinten zerfickte. Was für eine Macht! Der heimliche Headliner des Tages – Death über alles!
MANTAR – Noch nie war Hass so schön!
Zeit für die letzten drei Bands – doch wo sind MOTHER'S CAKE? Dank der Verzögerung durch den kaputten Amp hatte sich das Programm nach hinten verschoben und die ELEPHANTS waren gerade einmal fertig, als die heimischen Progrocker schon auf die Bühne sollten. Die Esten vertickten derweilen noch seelenruhig ihr Merch von der Bühne herunter, während der Stresspegel der Techniker schön langsam ins Unermessliche wuchs. Da hat sich wohl noch nicht herumgesprochen, dass in der kleinen Werkstatt neben dem großen Werk ausreichend Platz für alle Merchstände ist...?!
Doch auch bei MOTHER'S CAKE zickte die Technik wieder ein wenig – das musste heute wohl so sein im Club. Dafür glitt das Trio, Sänger/Gitarrist Yves lässig aufgemacht mit zerrissenem Shirt und Tschick (für die deutschen Freunde: Kippe) im Mundwinkel, nahtlos vom Soundcheck in den Auftritt. Musikalisch hochwertig erwiesen sich MOTHER'S CAKE als würdiger Headliner für die kleine Bühne und konnten auf einen proppenvollen Club bauen. Das verspielte, funkige Liedgut der Österreicher kam äußerst gut an, und vor der Bühne ging ordentlich die Post ab. So will man das sehen!
Parallel in der Halle gab es ebenfalls starke Kost auf die Ohren, von 1000MODS. In der ebenfalls bis zum Anschlag vollen Halle ging das Publikum zu den vergleichsweise biederen und teils repetitiven Riffs mit psychedelischer Erweiterung weitaus weniger ab als drüben im kleinen Club. Vielleicht machten sich hier auch schon Ermüdungserscheinungen ob der Vollbedienung an stilistisch ähnlichen Bands breit? Trotz knackiger Songs kam die Stimmung bei den Griechen irgendwie nur sehr zäh in Schwung, sodass der Berichterstatter wieder zurück zum heimischen Küchlein wechselte.
Auf zum Endspurt im Werk, mit den elektrischen Zauberern! Was vom Publikum zu dieser Zeit noch übrig war – und das war eine ganze Menge, wie man anhand des ziemlich vollen Werks sehen konnte, das doomten ELECTRIC WIZARD anschließend zu Tode. Wortwörtlich, quollen doch die Riffs wie zähe dunkelrot glühende Lava aus den Boxen und versengten alles auf ihrem Weg. Gut, ein bisschen ein sanfteres Händchen bei der Lautstärkeregelung hätte es vielleicht sein dürfen, aber abgesehen vom kollektiven Tinnitus im Fotografengraben riss der an der unteren Tonskala grundelnde Stoner/Doom die Hütte ab. Nach der machtvollen Vorstellung von MANTAR hätte man das kaum für möglich gehalten, aber die Briten hielten das Level mit links und walzten dabei einfach alles platt. Monoton geschüttelte Häupter und hypnotische Blicke wohin man nur sah – ELECTRIC WIZARD beanspruchten die volle Aufmerksamkeit des Publikums und setzten einen großartigen Schlusspunkt hinter das Festival. Groß. Mächtig. Würdig. Mehr als würdig!
Nur noch verbrannte Erde nach dem Lavakoloss: ELECTRIC WIZARD
Das Under The Black Moon 2017 bewies auch bei seiner dritten Auflage wieder ein gutes Händchen für Freunde der bewusstseinserweiternden Klänge. Bis auf ab und an etwas arg lauten Sound und einige wenige seltsame Gesellen präsentierte sich das zweite Wohnzimmer Backstage auf allen drei Bühnen wieder einmal als äußerst einladend. Warum allerdings nach der Show eine große, frische Blutlache an der Straße direkt vorm Eingang des Geländes prangte war (zum Glück) nicht zu erörtern. Denn das möchte man nach einem entspannten und friedlichen Festival eigentlich gar nicht wissen.
Eine erweiterete Fotogalerie des Festivals findet ihr bei Images Of Pain And Pleasure