23.11.2016, Lanxess Arena, Köln

SCORPIONS & BEYOND THE BLACK

Veröffentlicht am 27.11.2016

Völlig entspannte Atmosphäre hier im Vorfeld des Scorpions-Konzertes in Köln; Familien, ältere Besucher und nur vereinzelt Kutten und Bandshirts. Die SCORPIONS mussten wegen Klaus Meines Erkrankung Anfang des Jahres ihre Tour unterbrechen, die nun mit fünf Dates in Deutschland fortgesetzt wird.

Der Ablauf geht heute akribisch nach der Uhr, dass BEYOND THE BLACK planmäßig um 20:00 Uhr auf die Bühne gehen. Die Band um Jennifer Haben hat das große Los gezogen und darf sich darüber freuen, für die Scorpions zu eröffnen, was sie mit dem Titeltrack ihres aktuellen Albums "Lost In Forever" schon beeindruckend lösen, obwohl hinter Jennifer eine komplett neue Band steht. Mit zwei Gitarren und einem Keyboard wird die Lanxess Arena nicht gerade mit roughen Gitarren erfüllt, rockt aber dennoch und lebt von Jennifers gestenreicher Performance. Leider bewegt sie sich zu sehr im hinteren Bereich und geht nicht auf den Laufsteg, der weit in die Hallenmitte ragt. Nach "Written In Blood" passiert auch bei BEYOND THE BLACK das, was gerade viele Bands machen, nämlich ein MOTÖRHEAD-Stück zu covern. Mit ihrer zarten Stimme ist es eine sanfte Version vom Doro-erprobten "Love Me Forever" geworden, das wir alle vom "1916" Album lieben. Frau Haben begibt sich dazu an ein weiteres Keyboard und bringt den Song im Sitzen. Immer wieder fällt die Unterstützung durch roughere Vocals und Ansagen durch den wirbelnden Gitarristen Chris Hermsdörfer (SERENITY, ex-VISIONS OF ATLANTIS) auf, der insgesamt eine gewichtige Rolle einnimmt. BEYOND THE BLACK können einige Reaktionen vom Publikum gewinnen und weil heute alles super pünktlich geht, muss "Running To The Edge" schon der letzte Song sein, dass nach schlappen zweiunddreißig Minuten finito ist.

Nun sind Shirts von MOTÖRHEADin der nicht ganz vollen Halle gern gesehen. Wie kommt das nur? Die Lösung des Rätsels ist nun kein Geheimnis mehr und sollte jedem Besucher bekannt sein. Ein Blick hinter den Vorhang zum Headliner verrät schon, der Schlauch am Mikrofonständer ist bereit für die Wah-Wahs von Matthias Jabs, also wird bestimmt "The Zoo" im Set sein. Und Klaus wird wieder reichlich Trommelstöcke in die Menge werfen, die hinter einer Box schon bündelweise bereit stehen. Übrigens läuft aus der Konserve neben alten AC/DC mit ROLLING STONES, THE WHO und Jimi Hendrix Pausenmusik wie sie Schenker liebt, bis dann fast pünktlich um 21:00 Uhr Sirenengeheul und das Intro ertönt. Poff ... der Vorhang fällt. Die SCORPIONS eröffnen mit "Going Out With A Bang" vom aktuellen Album "Return To Forever" und schießen mit "Make It Real" gleich meinen persönlichen Favoriten hinterher. Ein überaus aktiver Rudi Schenker ist für die Fotografen nicht leicht zu erwischen, da er immer wieder Spurts über den Laufsteg hinlegt. Danach entschuldigt sich Sänger Klaus Meine für die Tourabbbruch und bedankt sich gleichzeitig bei den Fans für ihr Verständnis unter dem Hinweis, dass es ihm nicht so gut gehe. In der Tat singt er aber gnadenlos geil, vielleicht etwas kraftärmer, trifft aber alle Töne und kürzt die Höhen etwas ab. Kein Problem also auch im rhythmischen "The Zoo", das durch einen kernigen Beat von Neudrummer Mickey Dee auffällt. Der Hintergrund der Bühne ist komplett geprägt von hochauflösenden Animationen, die oft Endsechziger Psychedelik bringen und zu sehr von knalligen Farben dominiert werden. Was im 1979er Original von Rudis Bruder Michael Schenker stammt und hier mit Klaus an der dritten Gitarre gezockt wird, ist das die Brücke schlagende Instrumental "Coast To Coast" zum Seventies-Medley, bestehend aus "Top Of The Bill, "Steamrock Fever", "Speedys Coming" und "Catch Your Train". Schade, das sie nicht komplett gespielt wurden und dass Kracher wie "Pictured Life" und besonders "We'll Burn The Sky" fehlen. Wer diese Songs inklusive dem erhabenen "The Sails Of Charon" live erleben will, geht zu Konzerten von ex-Skorpion Uli John Roth.

Klaus erzählt alte Touranekdoten über ihre Reiseroute über das Kamener Kreuz mit gerissenem Keilriemen und lobt Köln immer wieder, dass sich jeder auswärtige Gast nur anschließen kann, denn es gibt hier immerhin Pils, und das sogar mit mehreren Sorten zur Auswahl. Mit dem weiteren neuen Stück "We Built This House" erleben wir einen rennenden, schleichenden und wild posierenden Schenker, der fortlaufend seine Flying-Vs wechselt, jedoch für "Delicate Dance" die Bühne komplett Matthias überlässt. Die Zugehörigkeit von Balladen zu den SCORPIONS muss nicht mehr diskutiert werden, vielleicht aber die Länge, denn nach dem Medley aus "Always Somewhere", "Eye Of The Storm" und "Send Me An Angel" folgt noch "Wind Of Change". Dabei spielt Schenker die Soli und Mickey an einem kleineren Drumkit auf dem Laufsteg. Richtig geil kommen die einsetzenden Drums wieder an Mickeys großem Kit bei letztgenanntem Friedenssong, Hammer, der Mann liefert gleich einen ganz anderen Schlag als gewohnt, irgendwie eine ganz andere Band. Während die neueren Stücke irgendwie eine angezogene Handbremse haben, nimmt die Angelegenheit nach dem neuen "Rock 'n' Roll Band" langsam richtig Fahrt auf, zunächst mit der Granate "Dynamite". Dann wird endlich der neue Drummer vorgestellt und der 'Man of the Match' ist voll in seinem Element, wie bei MOTÖRHEAD-Gigs "Overkill" anzutrommeln, dass man mit Lemmy-Projektionen im Back und einem typischen Jabs-Solo covert, ohne jedoch noch zwei mal neu zu beginnen wie im Original. Bei wem macht es derzeit mehr Sinn, ein Stück von MOTÖRHEAD zu covern? Für Mickey geht es direkt weiter in sein Drumsolo, bei dem er mit seinem Kit bis unter die Hallendecke gezogen wird. Derzeit muss man auch von keinem anderen Metaldrummer ein Solo wollen. Noch ein zackiges Stück lässt danach die Aufmerksamkeit auf eine Rauchfackel an Schenkers Gitarre lenken, mit der er zu "Blackout" über die Bühne rennt. Der uralte Witz im Songtitel "No One Likes You" mit dem überflüssigen Buchstaben 's' wird von einem infernalisch scharf klingendem Jabs-Lead weggewischt und nach dem letzten Track im regulären Set "Big City Nights" gibt es einen laaangen Abschied am vordersten Bühnenrand, denn der Beifall braust immer wieder auf. Für die beiden Unverzichtbaren "Still Loving You" und "Rock You Like A Hurricane" ballert man mit einem lauten Knall Konfetti in die Menge, das definitiv länger als zwei Zugaben braucht, bis alles am Boden angelangt ist.

Klar, irgendwelche Songs bleiben immer ungespielt auf der Strecke, wie diesmal "Bad Boys Running Wild", "Loving You Sunday Morning" und "Coming Home", jedoch geht eine Spielzeit von 105 Minuten speziell in diesem Fall völlig in Ordnung. Wer noch mehr davon will, folgt dem Tross nach Leipzig, Frankfurt, Hamburg und Berlin. Sonst darf man trotz dem nun ungültigen 'Joke' einer Abschiedstournee weiter auf Konzerte hoffen. In dieser Konstellation macht es besonders Sinn und es kann spannend werden…


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