05.11.2016, Explosiv, Graz

OVERKILL & CROWBAR & DESECRATOR & SHREDHEAD

Veröffentlicht am 08.11.2016

Saukalt ist es mittlerweile geworden in der Hauptstadt Innerösterreichs. Gut, nicht so das große Wunder, ist es doch schon Anfang November in der heimlichen Metropole des Nordbalkans. Dies hat aber offenbar genau niemanden davon abgehalten, sich in Scharen im Explosiv, malerisch im Nordgrazer Ghetto gelegen, einzufinden. Schon gut eine halbe Stunde vor dem Opener war es vor der Bar und dem Merchvestibül mehr als gut gefüllt und man konnte aufgrund der Konversationen gewahr werden, dass hier und heute Old-Schooler aus aller Herren Länder vertreten waren. Kroaten, Slowenen sowie halb Ost- und Südösterreich war vor Ort (ein "Hallo" an die ehemalige Kollegen Eva Vaschaunerin, die ich im Mob sah). Dass das und die Tatsache, dass der Opener SHREDHEAD aus Israel kommt, den lokalen Identitären-Vollpfosten nicht sofort ein Plakat gegen den Untergang des Abendlands aufhängen ließ hat mich etwas verwundert. Ist er doch sonst sofort gesprächig... (mein Review - meine Meinung - basta). [Anm. d. Lekt.: *duck*]

Bleiben wir gleich bei den Israelis von SHREDHEAD. Zu allererst fiel die extreme Lautstärke auf. Wer schon einmal auf einem OVERKILL Konzert war ahnte Übles für den Hauptakt, sind die Jungs aus dem Kärnten der USA, New Jersey, doch dafür bekannt, generell noch eine gute Stufe lauter zu sein als die Bands vor ihnen. Sei es wie es wolle, SHREDHEAD konnten schon zu dieser eher zeitigen Stunde gut 100 Leute in die Halle locken. Mit ihrem modernen, ganz leicht corigen Metal wehten die ersten Haare im Wind.

Das änderte sich auch bei den Australiern von DESECRATOR ein wenig. Schöner, rauher Thrash Metal mit lässigen, ein wenig an DESTRUCTION-Schmier erinnernden Vocals wurde begeistert vor einem beinahe vollem Auditorium aufgenommen. Ästhetik liegt wohl im Auge des Betrachters, aber Australias Next Top Model wird die Band wohl nicht werden. Egal, die Anwesenden war am toben, die Band enorm spielfreudig und dankbar für die großartige Annahme der Performance. Alle zufrieden also. Weiter geht´s.

An einem Abend wie diesen frage ich mich, wie musikvernarrt man sein muss, wie sehr Fan des selbst Geschaffenen, um sich eine Tour als Support anzutun wie CROWBAR. Reich wird man damit nicht. Ohne Roadies vor Ort watschelte Urgestein Kirk "look at me now, I´m old, fat and bald" Windstein auf die Bühne, baute sich seine Effektpedale auf, klebte die Setlist artig auf die Monitore, stimmte seine Gitarre und nimmt sich noch Zeit für ein paar Fotos mit Fans. Dasselbe mit dem zurückgekehrten Todd “Sexy T” Strange. Die Band lebt ihre Musik und zieht mit Minimalkonfiguration, ewig weit weg von Zuhause durch die Welt, nur um ihre Fans im Vortrag zu begeistern. Kirk nuschelt sich südstaatlich durch den Soundcheck, sagt kurz "Hoi" zur Menge und los geht es. Die beiden Hauptprotagonisten, Kirk und Sexy T sehen aus wie Rednecks aus dem Bilderbuch, sind aber fannah und offensichtlich völlig unkompliziert, wie man nach dem Konzert vor dem Merchcounter sehen konnte. Da wurde noch ewig mit Fans geplaudert und für Fotos geposed. Musikalisch gibt es auch nichts zu meckern, CROWBAR haben ihre eigene, für sie charakteristische Ecke im Sludge-Doom der Südstaaten seit ewig inne und damit reüssieren sie auch heute wieder beim bisweilen völlig ausrastenden Publikum. Wunderbar immer wieder die Twinharmonien, die den bisweilen eckigen Metal der Jungs aus New Orleans dem Morast der Sümpfe entreisst.

 

Und dann kamen OVERKILL:

Und es wurde genau so wie es immer ist. Pünktlich um 22:35 Uhr gab es das Sci-Fi Intro, unterlegt mit einer Riesenlichtshow, die das nicht gerade stadiongroße Explosiv beinahe einer Röntgenuntersuchung unterzog. Die Band kommt auf die Bühne und los geht es mit "Armorist" vom 2014-er "White Devil Armory". Bobby "Blitz" Ellsworth als Energiebündel zu bezeichnen, wäre, ist wohl eine Untertreibung. Mit 55 Jahren sprintet er nach wie vor während jedem Lied zwei, drei mal auf die Bühne, hin zu seinem Mikro und singt ohne hier zu übertreiben wie vor 30 Jahren. Nichts davon zu sehen oder zu hören, dass der Mann einst schwerst krank war. Im Metal gib es nicht mehr allzu viele Frontmänner wie ihn.

Auch der Rest der Band war guter Dinge. D.D. Verni war erstaunlich agil und pfefferte seine stilgebenden Basslines in den Sound, der für den verhinderten Ron Lipnicki eingesprungene Drumtech Eddy Garcia (von Blitz als "Texecutioner" benannt) zeugelte fehlerlos und die beiden Gitarristen taten ihr übriges dazu. Derek Tailer an der Rhythmusgitarre ist ein Performer vor dem Herren. Seine Gestik und (vor allem) seine Mimik alleine waren den Eintrittspreis schon wert. Gespielt wurden Hits, Hits, Hits (aus den 80ern, 90ern und dem Besten von heute). "Hammerhead", "Rotten To The Core", "Elimination", "In Union We Stand" (bei dem ich meinen erneuten Stimmbruch erleiden durfte) sprechen eine deutliche Sprache. Sehr lässig war der letze Song des regulären Sets, das THIN LIZZY-Cover "Emerald".

Dass eine Band, die in den 90ern in Graz im damaligen Theatro vor vielleicht 150 Leuten gespielt hat, also zu einer Zeit zu der der klassische Metal so gut wie tot war, noch immer da ist, noch immer so gut ist und endlich wieder die Anerkennung bekommt die sie verdient, wird wohl nicht nur mich freuen. Die Stimmung mit grandios zu beschreiben tut selbiger nicht recht. Man kratzte bei beinahe jedem Song an einer wunderbaren, samstäglichen Euphorie. Ein Moshpit jagte den nächsten und selbst das neue "Our Finest Hour" wurde wie selbstverständlich abgefeiert. Aus diesem Grund erklärt sich auch der eher karge Bildbestand hier. Als ich bei "Rotten To The Core" ein paar Fotos für diese Nachbesprechung schießen wollte, stand ich, pitbedingt, plötzlich 20 Meter weiter hinten. Ohne mein Zutun. Ich meine, Menschen gesehen zu haben, die das ganze Konzert durchgesprintet sind.

OVERKILL sind, waren und werden wohl immer eine der besten Livebands im Thrash Metal sein. Da störte der in den Höhen etwas undifferenzierte, gar arg laute Sound nicht. Auch das gehört zu OVERKILL. Natürlich hätte man das eine oder andere Lied noch gerne gehört, aber wenn man ehrlich ist und alle Hits von den Jersey-Jungs an einem Abend hören möchte, das Konzert würde die Zwei-Stunden-Marke locker durchbrechen. Wer vom Anfang, "Feel The Fire" bis zum Heute, "Our Finest Hour" auf unzählige Hits zurückgreifen kann wird wohl nie alles an einem Abend darbringen können.

Egal. Ein phänomenales Konzert mit einem ebensolchen Publikum. OVERKILL sind und bleiben live eine Macht.

Vielen Dank an dieser Stelle an Francis vom Kulturverein Klangform und den Österreichische Metal- und Jugendverein (Michi Berger) für die Akkreditierung und diesen lässigen Abend.

Setlist OVERKILL:
1.  Armorist
2.  Rotten To The Core
3.  Electric Rattlesnake
4.  In Union We Stand
5.  Our Finest Hour
6.  Hammerhead
7.  Hello From The Gutter
8.  Feel The Fire
9.  Coma
10. Infectious
11. Emerald (THIN LIZZY-Cover)
Zugaben
12. Ironbound
13. Elimination
14. Fuck You (THE SUBHUMANS-Cover)

 

Beiläufige Beobachtungen:

  • Ich habe allen Ernstes noch nie so viele adipöse Leute auf einem Haufen gesehen. Klar, Schönheit, Anmut und wohlgefälliges Aussehen liegen im Auge des Betrachters, aber welche heldenhafte Aufgabe hier diverse Bewegungsapparate von Anwesenden, die im originären Sinn Landsäugetiere sind, geleistet haben ist unglaublich.
  • Immer wieder lässig ist das Explosiv als Veranstaltungsort. Keine Absperrungen vor der Bühne die den Besucher meterweit von der Band entfernt bremsen. Mitten in die Fresse wird hier gerockt. Freundliches Personal an allen neuralgischen Punkten und man kann sich sogar gemütlich hinsetzen im Gastrobereich.
  • Nie verstehen werde ich Leute, die sich für teuer Geld eine Eintrittskarte kaufen, nur um dann nicht von der Theke zu weichen oder im Freien zu stehen. So schlecht kann es uns also doch nicht gehen wenn man an die 30 Euro ausgibt und dann nichts vom Konzert sieht.
  • Die Anwesenheit des identitären Geschmeiß´ (Siehe Anfangsparagraph und die darauffolgende Klammerbemerkung - my review - my rules)

Ich beginne mit einer neuen Reihe: Dinge, die man vor/während/oder nach einem Metal-Konzert unbedingt sagen muss: 

  • "Super Auftritt. Aber "Lied XY" hat mir schon gefehlt"      
  • "Ich bin nur wegen der zweiten Vorgruppe hier"
  • "1986, im "Location einfügen" waren sie deutlich besser. Da war auch noch Rat Skates dabei."                                                                                                  

WERBUNG: Hard
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