28.03.2016, Sportova Hala Elan, Bratislava

AVANTASIA

Veröffentlicht am 01.04.2016

Sie ist ja schon so ein bisschen zu einem Insider-Joke und Ritual geworden, jene Aussage, die EDGUY-Frontmann Tobias Sammet immer wieder am Ende (und mittlerweile wohl auch während) jeder Tour seines Solo-Rockmusicals AVANTASIA tätigt, wonach es wohl "definitiv die letzte" Tour sei oder es einfach "nicht absehbar" wäre, ob und wann es AVANTASIA jemals wieder live geben könne; aber nichtsdestotrotz schafft es der umtriebige Musikus dann doch immer wieder, die geballte Opulenz seines ambitionierten Projekts auf die Livebühnen dieser Welt zu zaubern; anno 2016 anlässlich des Releases des jüngsten Albums "Ghostlights" wurde sogar eine ziemlich massive Welttournee auf die Beine gestellt, die alle bisherigen Touraktivitäten von AVANTASIA deutlich in den Schatten stellt. Soviel also zu den Aussagen über die (Über-)Lebensfähigkeit des Projekts.

Aber der (immer noch) junge Mann aus Fulda ist ja mittlerweile hinlänglich amtsbekannt für seine steten Geplänkel mit Fans und Fachpresse, und so nimmt man auch diese sich wiederholenden Aussagen natürlich immer mit etwas Augenzwinkern an. Die Fans jedoch, die freuts - und auch diesen Rezensenten, der nunmehr der Vergnügen hatte, AVANTASIA erneut mit voller Headliner-Show zu sehen; diesmal war die Wiener Quasi-Nachbarstadt Bratislava der Austragungsort des Melodic Metal-Spektakels.

Um Tobias Sammet und seiner opulenten Produktion Platz zu bieten wurde diesmal einfach eine Sporthalle kurzerhand zur Musikvenue umfunktioniert, und nach dem - sehr gesittet ablaufenden - Einlass fanden sich dann auch etwas 1500 feierwütige Melodiemetaller an diesem Ostermontag in der Sportova Hala Elan (hat übrigens nichts mit dem NIGHTWISH-Song zu tun, Anm.) ein, und wurden zunächst überrascht; nämlich davon, dass in der Venue selbst keinerlei Getränke ausgeschenkt wurden. Diese gab's nur vor der Halle, an einem winzig kleinen Ständchen. Noch überraschender war, dass das aber die Fans kaum zu stören schien, und als dann nach eingespielten Intros von AC/DC (jo eh) und "Also sprach Zarathustra" (noch mehr jo eh) auch schon Maestro Sammet und seine Mannen die Bühne gänzlich ohne Vorband-Unterstützung entern, ist die Stimmung dennoch wunderbar.

Man startet flott ins Set mit der aktuellen und nunmehr auch vom Eurovision Soncontest Vorentscheid auch dem weniger Metal-affinen Publikum bekannten "Mystery Of A Blood Red Rose", gefolgt von den nicht minder druckvollen "Ghostlights", "Invoke The Machine" und "Unchain The Light", bei dem sich Tobi Sammet auch bereits tatkräftige Unterstützung von PRETTY MAIDS-Fronter Ronnie Atkins sowie dem immer wieder (und immer noch) großartigen Michael Kiske holt. Das Triplet liefert sich zum Auftakt also wunderbare hochfrequente Duelle, ehe es dann mit dem "Storyteller" Bob Catley (MAGNUM) weitergeht, der zunächst "A Restless Heart And Obsidian Skies" und dann gleich mal den ersten von insgesamt fünf(!) überlangen Songs zum Besten gibt, nämlich "The Great Mystery".

Diese beiden Songs nehmen dann erstmal den Drive ein bisschen raus und geben auch Bandchef Tobias Sammet Zeit, sich wieder etwas zu erholen. Die Energie braucht er dann auch, denn es folgen Duette mit Großmeister Jorn Lande, der bei "The Scarecrow" und "Lucifer" wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis stellt, warum er wohl immer noch der aktuell beste Hardock-Sänger unserer Szene ist, und mal mühelos sämtliche anderen Avantasians gnadenlos an die Wand singt.

Zwischendurch darf dann auch mal Gitarrist Oliver Hartmann (ex-AT VANCE, HARTMANN) ran, und übernimmt nebst dem Sechssaiter bei "The Watchmaker's Dream" auch die Lead Vocals, before dann "MR. BIG" Eric Martin mit "What's Left Of Me" erstmals sanftere Töne anschlägt.

Was dann folgt ist eines der absoluten Highlights der Show: Tobias Sammet gönnt sich eine Pause, dafür übernehme seine Gastsänger das Ruder und schleudern "The Wicked Symphony" in Hochglanz ins dankbare Publikum, und werden dafür auch amtlich abgefeiert.

Nach der Sammetschen Wiederkehr darf dann Neuzugang Herbie Langhans (SINBREED, BEYOND THE BRIDGE) ran, und duelliert sich mit Herrn Sammet bei der "Draconian Love"; und dabei stellt Herbie eindrucksvoll unter Beweis dass er sich als absoluter Glücksgriff erwiesen hat, da er nicht nur als sattelfester Background-Vocalist punkten kann (sein Vorgänger Thomas Rettke hatte da öfter mal zu kämpfen), sondern auch als vielseitiger Leadsänger. Es bleibt zu hoffen, dass Herbie nunmehr längerfristiges Stamm-Mitglied der AVANTASIA-Belegschaft wird.

Schließlich wird es aber erstmals Zeit für einen der ganz großen Bandklassiker: Kitsch vom Allerfeinsten heißt es, wenn Tobias Sammet und Amanda Somerville gemeinsam "Farewell" von der "Metal Opera Pt. 1" intonieren, und Band wie auch Publikum gemeinsam die Arme schwenken. Hach, was für eine wunderbare Schunkel-Laune!

Diese wird auch noch durch die Rückkehr von Bob Catley unterstrichen, der mit seinem blitzblauen Blazer zum ergrauenden bis erweißenden Haar auch fast der Schlagerparade entsprungen zu sein scheint, und der nach "Stargazers" (Longtrack Numero vier) dann bei "The Story Ain't Over" und gemeinsam mit Michi Kiske bei "Shelter From The Rain" brilliert.

Das Set ist allerdings immer noch nicht vorüber, mit "Let The Storm Descend Upon You" gibt's noch den finalen Longtrack, und in Form von "Promised Land" einen er besten Powermetal-Songs aus deutscher Feder, wie die Nummer von Jorn Lande inbrünstig angekündigt, und ebenso inbrünstig performt wird.

Trotz schwieriger Soundverhältnisse (eine Sporthalle ist halt kein Konzerthaus) geht der Klang dennoch beinahe über die gesamte Länge absolut in Ordnung, und auch die Mitglieder der AVANTASIA-Band wie Producer Sascha Paeth und Keyboarder Miro Rodenberg bekommen ihre Spotlight-Momente.

Gegen Ende des Sets wird's dann nochmal Zeit für ein paar absolute Klassiker: Auf "Reach Out For The Light" folgt die Band-Hymne "Avantasia", auf "Twisted Mind" noch "Dying For An Angel" (erneut übernimmt Eric Martin hier die Parts von Klaus Meine), und als Zugaben werden noch "Lost In Space" sowie das immer großartige Medley aus "Sign Of The Cross" und "The Seven Angels" gebracht, bei dem dann nochmal alle AVANTASIANS gemeinsam die prunkvolle Bühnendekoration bevölkern dürfen.

AVANTASIA live, das ist immer ein Erlebnis, und sonst bekommt man wohl klassischen Powermetal in dieser opulenten Ausprängung und auf so hohem Niveau nirgendwo dargeboten. Klar, Acts wie SABATON mögen vielleicht aktuell noch mehr Leute anziehen, aber musikalisch spielt AVANTASIA halt doch in einer ganz eigenen Liga, die vor allem von Über-Sänger Jorn Lande angeführt wird, mit dem wohl außer Großkalibern wie Russell Allen (SYMPHONY X) oder Mats Levén (CANDLEMASS) kaum jemand mithalten kann. Und: AVANTASIA bieten ihren Fans auch wirklich viel für ihr Geld. Neben der schicken Produktion mit dem opulenten Bühnenaufbau und den zahlreichen Gastsängern gibt's am Ende des Tages dann doch fast dreieinhalb Stunden Melodic Metal nonstop; AVANTASIA sind damit für mich schon so ein bisschen zum TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA Europas geworden, und Freunde von melodischem Metal, gut komponiertem Hard Rock und ja, auch Musical, sollten sich eine Live-Show von AVANTASIA keinesfalls entgehen lassen; 2016 gibt's die Band in ihrer wohl bislang stärksten Form, sowohl in Bezug auf das stargespickte Lineup, als auch auf die Individualperformances, da man mittlerweile allen Beteiligten Musikern und Sängern die größere Routine und Erfahrung mit dem Projekt anmerkt, und so manche holprigen Momente aus früheren Tagen, wo Textaussetzer und verpasste Einsätze eher Regel als Ausnahme waren, gehören absolut der Vergangenheit an.

Besser, bombastischer und größer kann man Melodic Power Metal heutzutage einfach nicht mehr inszenieren; AVANTASIA bietet da schlicht und ergreifend ganz großes Kino.


WERBUNG: Innfield Festival
ANZEIGE
ANZEIGE