14.06.2014, Pannonia Fields

NOVA ROCK 2014 - Tag 2

Veröffentlicht am 23.06.2014



SAMSTAG, 14.06.2014



GHOST

GHOST, oder GHOST B.C., wie sich die Schweden aus namensrechtlichen Gründen in den Vereinigten Staaten nennen müssen, sind allein insofern eine besondere Band, als dass sie live nochmal um ein ganzes Stück besser sind als auf der Scheibe. Klingt der bandeigene Sound schon auf den beiden bislang erschienenen Studioalben einwandfrei, so sind es die unglaubliche Bühnenpräsenz und die Show, die sich bei den Auftritten der okkulten Rocker dazugesellen und das fesselnde Gesamtpaket ausmachen. An diesem Samstag Nachmittag bringen sich die Nameless Ghouls zum Intro „Masked Ball“ an Gitarren, Bass, Keyboard und Schlagzeug in Position bevor schließlich Papa Emeritus II in skelettartiger Aufmachung und komplettem, schwarzem Ornat unter frenetischem Beifall andächtig, ja beinahe bedrohlich auf die Bühne schreitet und die ersten apokalyptischen Klänge von „Year Zero“ der versammelten Fangemeinde den Beginn des düsteren Rituals vekünden. Bemerkenswert ist das Charisma, welches der teuflische Papst an den Tag legt, wobei er - ganz klar der Mittelpunkt des Geschehens - mit seinen wohl platzierten, majestätisch ausladenden Gesten niemals aus der Rolle fällt und zudem zwischen den Songs eine gehörige Portion Humor beweist, während sich seine vermummten Mitmusiker die verfaulte Seele aus dem Leib rocken. Wie bereits im Juni des vergangenen Jahres beim unerträglich heißen Konzert in der Sauna, äh, Szene Wien ist das Publikum, worunter sich übrigens auch einige Normalsterbliche und weniger eingefleischte Anhänger zu befinden scheinen, obgleich der wesentlich unspektakuläreren Show sichtlich gebannt. Das bedauerlicherweise viel zu kurze Set lässt zwar den ein oder anderen Hit vermissen und die Backings kommen wie immer vom Band, doch das tut dem satanischen Fest bei kristallklarem Sound höchst wenig ab. Songs wie das Roky Ericson Cover „If You Have Ghost“ oder „Ritual“ animieren zum Mitsingen und für das Schlusslicht „Monstrance Clock“ kommen die Jünger dem Wunsch des Oberhaupts nach Publikumschören nur zu gerne nach. Somit ist die Messe dann beendet und ein Haufen zufriedener Gesichter verlässt wie in Trance den Schauplatz. GHOST suchen derzeit anscheinend nach einem neuen Sänger, aber selbst wenn das nächste Mal Papa Emeritus III zum dunklen Treffen laden sollte, wird man mit Sicherheit wieder einmütig seinem Ruf folgen. [Charli Weber]



TRIVIUM

TRIVIUM knüppelten mit „Brave This Storm“ vom aktuellen Album „Vengeance Falls“ ordentlich los und können damit den Einfluss ihres Produzenten, dem DISTURBED Sänger David Draiman, nicht verleugnen. Ist zwar alles fett produziert und technisch einwandfrei, ich weiß aber nicht recht, was ich von den zu deutlichen Referenzen halten soll. Klar, DISTURBED Fans wird die erneute Kurskorrektur von TRIVIUM weniger stören, die sich auch schon beim Album „In Waves“ abzeichnete. Hier wurde mit elektronischen Einfüssen experimentiert, wie die vorgestellten Songs „Built To Fall“ und „Black“ zeigen. Ich muss aber schon zugeben, dass aktuelle Songs wie „Strife“ coole Riffs und melodische Single-Note Licks aufweisen und die anwesenden, überwiegend jüngeren Metalheads damit brav zu Moshpits angepeitscht wurden. Höhepunkt der Show war aber definitiv die Modern Metal-Hymne „Anthem (We Are The Fire)“ vom Durchbruchsalbum „The Crusade“, wo sich Sänger Matthew Heafy als James Hetfield versuchte. Der Partysong mit seinen geilen Twin-Guitar Duellen entschädigt aber auch diese Parallelen. Die Publikumschoranimation zum Schluss des Songs ist natürlich obligatorisch. Das danach folgende „Dying In Your Arms“ vom Zweitwert „Acendancy“ erinnert dann wieder an die Anfänge der gehypten Band, das unweigerlich an BULLET FOR MY VALENTINE, TRIVIUMS Softy-Version, erinnert. Was sich bei TRIVIUM aber schon im cooleren Bandnamen abzeichnet, wird danach mit dem Song „Down From The Sky“ vom meiner Meinung nach völlig unterbewerteten Album „Shogun“ bewiesen. Hier werden die ursprünglichen Metalcore Anleihen mit melodischem Gesang und einer weiterentwickelten Hetfield-Version a la MACHINE HEAD gekonnt verbunden. Und man kann nicht abstreiten, dass der Song groovt und der Chorus und das Interlude sind einfach nur geil. Zum Finale der energetischen Show wird mit dem Intro „Capsizing The Sea“ zum Titelsong vom vorletzten Album „In Waves“ zurückgekehrt und lässt hoffen, dass sich TRIVUM nicht zu sehr in Richtung DISTURBED entwickeln. [Florian Rosenberger]

ANTHRAX

Ganz anders als bei den für mich etwas sterilen TRIVIUM sind dagegen dann bei den Thrash-Göttern von ANTHRAX bereits die ersten paar Töne: Da liegt in jeder gespielten Note viel mehr Tiefe und Emotion, als TRIVIUM in ihr ganzes Set nicht hineinzuzaubern vermögen. Der wiedergekehrte verlorene Sohn Joey Belladonna liefert dabei eine der besten Gesangsleistungen des Festivals, auch wenn das Set ein wenig kunterbunt ausfällt: "Indians" ist genauso vertreten wie "Got The Time", mittendrin gibt's dann ein Cover des AC/DC-Klassikers "T.N.T." (das natürlich auch hier von den Fans dankbar abgefeiert wird - aber spielt den Song eigentlich JEDE Band auf einem Festival?!), und zum Ende gibt's dann noch "I Am The Law" und "Antisocial". ANTHRAX überzeugen hier beinahe auf voller Länge mit starker Performance von Joey Belladonna und dem immer sympathischen und agil agierenden Scott Ian; als nette Geste gibt's noch Tribute-Backdrops für DIMEBAG DARRELL und RONNIE JAMES DIO - definitiv eines der Highlights des diesjährigen Nova Rock! [Dragonslayer]



AMON AMARTH

Die Schweden gehen live eigentlich immer. Und auch am heutigen Tage ließen die melodisch-wuchtigen Death Metal-Brecher „Made in Vikingland“ keine Wünsche offen. Einzig das helle Tageslicht erwies sich als ein wenig hinderlich, AMON AMARTH-Sound braucht dunkel (zum Livereport aus München) und entsprechende Lichtshow zum Verstärken des Effekts von stimmungsvollen Nummern wie „As Loke Falls“. Besser funktionierten im Sonnenlicht wüste Brecher wie der geile Opener „Father Of The Wolf“ oder „Deceiver Of The Gods“, die - verstärkt durch gleiche Bühnenoutfits und synchron geschaltetes Headbanging – zusätzliche Wirkung entfalten. Die nordische Erfolgsformel funktionierte auch heute, der tief röhrende Frontmann Johann Hegg („Guardians Of Asgard“) führte seine Warriors durch ein routiniertes Liveset, der „hohe Startplatz“ im Billing dokumentiert den absolut verdienten Höhenflug der Nordmänner. [Thomas Patsch]

IRON MAIDEN

Auch 2014 gehören die legendären IRON MAIDEN immer noch zur Speerspitze des europäischen Heavy Metal, und so freute man sich natürlich auch diesmal auf eine Neuauflage der "Maiden England"-Tour; laut Auskunft von Frontsirene Bruce Dickinson sollte es auch die letzte Show mit diesem Touraufbau sein. Zwar konnte man MAIDEN schon mit diesem Set im Vorjahr am Seerock-Festival erleben; dort hatte die Band jedoch unter dem garstigen Sound der viel zu schwachbrüstigen Anlage zu leiden, den die noch nicht so metal-erprobten Veranstalter dort aufgefahren hatten. Dieses Problem gibt's beim Nova Rock natürlich nicht, auch wenn hier trotzdem die eiserne Regel der eisernen Jungfrau gilt: "Die ersten drei Songs klingen Scheiße". Und tatsächlich: "Moonchild", "Can I Play With Madness" und "The Prisoner" schlängeln sich nur sehr widerwillig aus den Boxen, und auch die zweite eiserne Regel von IRON MAIDEN macht sich bemerkbar: "Bruce Dickinson braucht mindestens fünf Songs, um richtig warm zu werden".

Doch dann, beim großartigen "Revelations", ist es endlich soweit: Der Sound passt, Bruce ist nach "2 Minutes To Midnight" auch warmgelaufen (im wahrsten Sinne des Wortes - es ist immer noch unglaublich, welche Kilometer der Mann auf der Bühne zurücklegt, und dabei immer noch singt wie ein Gott), und mit dem folgenden "Trooper" (inklusive Besuch des Stelzen-Eddie) geht dann die Meute auch erstmals amtlich ab. Und was folgt, ist eine Setlist, die ihresgleichen sucht: An "The Number Of The Beast" reiht sich das "Phantom Of The Opera" und auch gleich noch der Über-Hit "Run To The Hills", ehe Meister Bruce dann mit "Wasted Years" jenen Song ankündigt, den er als "einem Popsong am nächsten kommend" bezeichnet. Das heimliche Highlight ist aber freilich "Seventh Son Of A Seventh Son", für das sich Bruce Dickinson auch nochmal feierlich in Schale wirft, und dessen atmosphärischer Mittelteil richtig für Gänsehautstimmung sorgt - wenngleich auch gesanglich Bruce diese Nummer noch eine Woche zuvor beim Konzert in Brünn einen Tick zwingender hingelegt hat. Aber sei's drum - es folgen noch das große "Fear Of The Dark" und "Iron Maiden", ehe sich die Jungfrau in den Zugabenblock verabschiedet, wo dann nochmal "Aces High", "The Evil That Men Do" und schließlich "Sanctuary" nachgereicht werden. Erneut liefern IRON MAIDEN hier also eine mehr als würdige Headliner-Show, wenngleich man doch anmerken muss, dass auch an den Herren die Zeit nicht ganz spurlos vorüber gegangen ist. Klar, Bruce Dickinson singt immer noch besser als 99% aller gewöhnlich sterblichen Metal-Sänger, aber wenn man sich nun Live-Konzerte von vor fünf oder zehn Jahren ansieht, dann kommt man nicht umhin, auch hier kleinere Punkteabzüge vornehmen zu müssen - gelegentlich verfällt der Meister nämlich doch immer wieder in zuviel Schreien und zuwenig Singen. Die Instrumentalfraktion macht aber natürlich nach wie vor Laune, Dave Murray und Adrian Smith überzeugen immer, Janick Gers spielt ebenfalls gekonnt seine Rolle (welche auch immer das sein mag), und Steve Harris ist Steve Harris. Eine schöne Show, die beweist, dass mit IRON MAIDEN immer noch zu rechnen ist. [Dragonslayer]



DAVID HASSELHOFF

Er war freilich der "Headliner der Herzen" am diesjährigen Nova-Rock: Kultfigur und Neunziger-Trash-Ikone DAVID HASSELHOFF. Seit Jahren schon vehement von Fans im Nova Rock-Internetforum gefordert, wurden die Bittsteller endlich erhört, und "THE HOFF" wurde zur Mitternachtseinlage zum Jubiläumsfestival eingeladen. Eine Sensation, zumal man hier mit Augenzwinkern auch sagen könnte, dass doch tatsächlich IRON MAIDEN für DAVID HASSELHOFF eröffneten. Gut, ganz so gestaltete es sich natürlich nicht: nach IRON MAIDEN wanderten doch zahlreiche Fans bereits ab und zurück zu ihren Zelten, nichtsdestoweniger blieb eine mehr als ansehnliche Menge vor der Blue Stage zurück, um sich den "Knight Rider", um sich "Mitch Buchannon" in personam zu verabreichen. Und der - ganz der Rockstar - beginnt auch erst mit einiger Verspätung, und auch erst, nachdem der "Badpiper" mit seinen feurigen Dudelsack-Einlagen die Meute mit einigen Songs wie AC/DCs "Thunderstruck" und QUEENs "We Will Rock You" im wahrsten Sinne des Wortes angeheizt hatte. Nach einem ausgedehnten Intro-Video über die Karrierestationen des US-Hünen, das bereits die ersten Begeisterungs-Jodler im Publikum auslöste, enterte dann THE HOFF in Begleitung vierer leichtbeschürzter Damen die Bühne, und startete in ein trashiges Potpourri aus holprigen Einsätzen, selbstironischem Schmäh und natürlich Kult-Schlagern wie "Flying On The Wings Of Tenderness" und "I Want To Move To The Beat Of Your Heart". Stilecht gewandet in ein USA-Tanktop stakst der mittlerweile Sechzigjährige gut gelaunt über die Bühne, und nach anfänglichen Soundproblemen scheint er sich nach den ersten paar Nummern dann auch stimmlich zu fangen, und bringt eine eigentlich kurzweilige Halbplayback-Show - der Maestro singt tatsächlich großteils live, wenngleich aber die Leadstimme meist auch nochmal gedoppelt vom Band kommt - bei der er einen Rückblick auf seine doch außergewöhnliche Karriere bietet. Da darf natürlich das legendäre "Knight Rider"-Theme ebensowenig fehlen wie "I'm Always Here", das im Original eigentlich von SURVIVOR-Röhre JIMI JAMISON eingesungene Baywatch-Titellied (das aber THE HOFF hier recht amtlich selbst mitzusingen vermag) und natürlich der kultige "Limbo Dance", bei dem dann nochmal die Backstage-Crew - allesamt mit HOFF-Masken vor dem Gesicht - über die Bühne tanzen darf. Dass sich THE HOFF zwischenzeitlich am NINA SIMONE-Klassiker "Feeling Good" vergeht, sei ihm da verziehen. Klar, show-technisch gibt's außer den vier hübschen Background-Tänzerinnen nicht viel zu sehen, aber DAVID HASSELHOFF ist ohnehin eine One-Man-Show für sich; und er weiß mittlerweile auch, dass nicht alles, was er macht, wirklich ganz so gut ist wie er das vielleicht früher mal gedacht hatte - und beweist das Talent zur Selbstironie mit einer Performance seines Hits "Hooked On A Feeling". Und hier zeigt sich mal wieder, wie Metal THE HOFF eigentlich ist: Denn wer hat schon die Cojones, um sich vor 50.000 Rock-Fans nach IRON MAIDEN hinzustellen, und das vermutlich schlechteste Green Screen-Musikvideo aller Zeiten in voller Länge zu performen? Das ist Trash, aber das ist auch purer Kult; und es ist THE HOFF, wie er leibt und lebt. Freilich, die große Party geht dann mit seinen beliebten Hits "Crazy For You", "Everybody Sunshine" und natürlich dem unvermeidlichen "Looking For Freedom" ab, wobei er zu letzterem echt nochmal die legendäre Leucht-Jacke aus 1989 entstaubt hat. Spätestens jetzt ist natürlich absolute Bad-Taste-Partystimmung am Nova Rock, und alt wie jung feiert DAVID HASSELHOFF so lange ab, dass er es sich nicht nehmen lässt, mit QUEENs "We Will Rock You", "It's A Real Good Feeling" von PETER KENT und auch "1000 Miles" von den PROCLAIMERS noch einige Zugaben in die Masse zu werfen. Mittlerweile ist es aber wirklich saukalt geworden, und so nimmt dieser Rezensent nun auch Abschied von THE HOFF und vom zweiten Festivaltag des Nova Rock 2014. [Dragonslayer]


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