07.03.2014, From Hell

Niflheim Festival Tour 2014 - The Winter Eclipse

Veröffentlicht am 25.03.2014

Satte 15 Jahre sind ins Land gegangen, seit die Norweger BORKNAGAR sich das letzte Mal aufmachten, die Bühnen der europäischen Clubs zu entern und ihre Fans mal nicht nur auf den gängigen Festivals live zu beehren. Und dann auch noch in Begleitung von Hochkarätern wie MANEGARM, IN VAIN und EREB ALTOR? Nur drei Mal in Deutschland zu sehen, dann aber zufällig im kleinen Club From Hell im nahegelegenen Erfurt, in das sich mit Verlaub nur selten namhafte, ausländische Truppen verirren? Ich müsste lügen, um zu behaupten, dass ich als großer BORKNAGAR- und IN VAIN-Fan bei diesen News nicht feuchte Augen bekommen hätte. Voller Spannung und so vorfreudig und begeistert wie selten vor einem Konzert betreten wir also das From Hell und müssen leider als erstes erfahren, dass SHADE EMPIRE, abweichend von der im Internet veröffentlichten Running Order, schon früher angefangen haben und soeben bereits die Bühne verlassen haben. Schade und kein guter Start in den Abend, zumal die finnischen Black Deather laut Aussagen von Freunden eine gute Show abgeliefert haben, doch zum Glück stehen die Highlights des Abends erst noch bevor!

Los gehts für uns deshalb mit EREB ALTOR, deren musikalische Vorbilder bereits nach wenigen Takten erkennbar sind. Jede Note schreit laut und deutlich BATHORY, sogar der hohe, leicht windschiefe Gesang erinnert deutlich an Quorthon, weshalb sich an der Band, ähnlich wie am Original, natürlich die Geister scheiden. Während manche Zuschauer sich den epischen Riffs und Melodien sichtlich hingeben können und sie genießen, zerren inesbesondere die Gesangslinien nach einer Weile merklich an meinen Nerven. Zweifelsohne liefern EREB ALTOR eine gute Show ab und BATHORY-Fans dürften ob dieser Ähnlichkeit und der Qualität und Emotionalität der Musik jubeln, ich hingegen sehe dem Ende des Sets entgegen, voller Vorfreude auf die kommenden IN VAIN. Der zweite Sänger übrigens, mit einer tieferen, warmen Stimme gesegnet, hätte gern einen größeren Teil übernehmen dürfen, dann hätte auch ich den Auftritt richtig genießen können! Im Anschluss folgt für mich das erste Highlight des Abends. Aufmerksam geworden bin ich auf die Norweger, übrigens fast die komplette SOLEFALD-Live-Besetzung plus BORKNAGAR-Drummer Baard Kolstad, zwar erst ein wenig durch ihr letztes Album "Mantra", dann aber so richtig durch "Aenigma", ihr aktuelles Werk, das für mich zweifelsohne zu den Top-Scheiben 2013 zählt. Heute springen die jungen Herren zwar etwas forsch vom Soundcheck zum Opener "Against The Grain", sodass die Zuschauer erst einen Moment brauchen, um zu begreifen, dass das Konzert nun begonnen hat. Dann aber breitet sich schnell die passende Stimmung aus, die Menge schiebt sich gemächlich vor die Bühne, viele Häupter werden geschüttelt und hier und da wird sogar der Text kräftig mitgesungen. Der Band zaubert diese Aufmerksamkeit gleich am ersten Tourtag viel herzliches Lächeln auf die Gesichter, sogar dem sonst etwas mürrisch dreinblickenden Andreas Frigstad, zuständig für die Screams, kann man den Spaß an der Show ansehen. Mit viel Energie und Dynamik zocken sich die Herren durch die folgenden Tracks, davon zwei vom Debüt und drei von "Aenigma", überraschend keiner von "Mantra", bei dem mitreißenden "Image Of Time" gibt sich sogar Lazare (BORKNAGAR, SOLEFALD) die Ehre, einen Teil des Gesangs zu übernehmen. Zu schnell geht der Gig der Norweger zu Ende, mangels Zeit können die Herren nicht einmal den laut werdenden Zugabe-Rufen nachkommen. Schade, dennoch eine großartige, professionelle und zugleich emotionale Show!

Davon könnten sich MANEGARM meiner Meinung nach gern eine Scheibe abschneiden. Ebenfalls professionell und routiniert, jedoch schlicht etwas zu routiniert beackern die Schweden nun die Bretter des From Hells, locken dabei jedoch, für mich nicht ganz verständlich, die meisten Gäste vor die Bühne und entlocken diesen auch die lauteren Rufe und den energischeren Applaus. Das mag natürlich auch an den gut mitsingbaren, eingängigen Titeln der Band liegen, die ein breites und scheinbar auch anderes Publikum ansprechen. Es fällt sogar auf, dass die Reihen vor der Bühne nach IN VAIN nahezu vollständig ausgewechselt wurden - wer eben vor der Bühne abging, genehmigt sich jetzt ein Bier an der Bar, wer IN VAIN zuvor aus dem hinteren Teil des Clubs beobachtet und mit zurückhaltendem Nicken bedacht hat, geht nun ganz vorn in die Vollen. Songs wie "Sons Of War" vom aktuellen Album "Legions Of The North" gehen gut nach vorn, leider jedoch ähneln die Titel sich gerade live doch sehr und auch aufgrund der eher gleichförmigen und statischen Bühnenperformance der Band wirds zumindest für uns mit der Zeit etwas langweilig. Als die Schweden ihre Show dann beschließen, sind wir demnach nicht gerade traurig, denn nun endlich kommen...

BORKNAGAR! Mein letztes BORKNAGAR Live-Erlebnis Wacken 2009 liegt nunmehr fast fünf Jahre zurück, damals jedoch waren die Norweger noch ohne ICS Vortex unterwegs. Gerade das Zusammenspiel dessen Stimme mit denen von Vintersorg und Lazare hat mich auf den letzten BORKNAGAR-Alben "Universal" und "Urd" jedoch besonders beeindruckt. Enttäuschend ist deshalb andererseits, dass Vintersorg heute leider nicht mit an Bord ist, da er die Tour aus beruflichen und familiären Gründen nicht mitmachen kann. Als Ersatz konnte Pål “Athera” Mathiesen von SUSPERIA gewonnen werden. "Gewonnen" ist dabei jedoch überaus schmeichelhaft formuliert, denn nach den ersten Songs ist mir schlicht unverständlich, warum BORKNAGAR ihn auserwählten. Trotz aller immer wieder bekundeter Dankbarkeit dafür und monatelanger Vorbereitung war Athera nämlich kaum in der Lage, auch nur wenige Zeilen ohne sein hinter der Monitor-Box verstecktes Textheft zu singen (übrigens auch noch mit recht kleiner Schrift, sodass er sich immer wieder offensichtlich darüber beugen musste) und schwebt und tänzelt die übrige Zeit gothic-like bzw. wie unter Drogen über die Bühne. Hätten Vortex und Lazare diese Parts übernommen, wären BORKNAGAR damit zweifelsohne besser gefahren. Doch nicht nur Athera sorgt im Rahmen der heutigen Show für einige enttäuschte Gesichter, auch Vortex selbst stellt die Geduld der BORKNAGAR-Fans ein ums andere Mal auf die Probe. Sturzbetrunken taumelt und tänzelt der kräftige Norweger über die Bühne, tränkt deren Bretter mehrfach mit dem Inhalt seiner Bier- und Whisky-Flaschen, stolpert, bringt die Monitor-Box, auf der er sich abstützt zum Wanken und und und. Das Bass Spielen gelingt ihm dennoch hervorragend, nur mit der sonst so magischen, einnehmenden Stimme hapert es hier und da. Nicht selten bricht sie ihm ein Stück weit weg, manche Zeilen wirken eher gejault als gesungen und bei "Frostrite" vergisst er den Text sogar gänzlich und füllt die dabei entstehende Lücke mit unverständlichem Gemurmel und einem wenig charmanten "Sorry, I fucked up". Angesichts dessen, dass heute der erste Tag der Tour ist, auf dem sich quasi aus Prinzip die Kante gegeben werden muss, muss man zwar Nachsehen haben, aber als ich erst "The Dawn Of The End" und dann sogar "Colossus" anfangs gar nicht erkennen konnte, ist das Maß einfach voll. Trotz aller Kritik an Athera und Vortex allerdings darf man nicht vergessen, zu erwähnen, dass der Rest der Band sich wahrlich Mühe gegeben hat, eine gute Show abzuliefern. Insbesondere Drummer Baard, am heutigen Abend wahlweise "das Tier" oder "die Maschine" genannt, sorgt mit seinem Drum-Solo für zahlreiche offen stehende Münder. Auch die Songauswahl lässt im Grunde keine Wünsche offen und hätte für einen vollkommenen Abend sorgen können, hätte man sie nur wirklich genießen können...

Alles in allem ein etwas desillusionierender, aber doch, zumindest dank IN VAIN, gelungener Abend. Wahrscheinlich wäre die Show sogar cooler gewesen, hätte man sich schlicht denselben Pegel wie die Band angetrunken - das zumindest bestätigt mir im Anschluss ein junger Herr, der offensichtlich genau so verfahren ist!


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