04.06.2013, Lanxess Arena

RUSH

Veröffentlicht am 07.06.2013

Genau zwei Deutschland-Termine haben sich die Herrschaften aus Kanada diesmal veranschlagt, und so muss der geneigte Rezensent wieder mal zum Ortstermin ins schöne Köln. Die Lanxess-Arena (ehemals Kölnarena) ist zu gut zwei Drittel gefüllt, und pünktlich wie der Uhrmacher um 20 Uhr geht's auch schon los. Im ersten Showblock gibt’s gleich mal massig Achtziger-Nostalgie: Bei „Subdivisions“ und „The Big Money“ zeigt sich der Sound noch etwas verwaschen, was gerade aufgrund der diesmal aufgefahrenen Technik verwundert: die Lichtanlage mit zehn schwenkbaren Screens spielt alle Stückerln, die massive Videoleinwand liefert dermaßen brilliante Bilder, dass man jede noch so kleine Falte der drei Protagonisten erkennen kann – was nicht immer von Vorteil ist.

Zur Bühnendeko, die natürlich ganz im Steampunk-Design des neuen Albums gehalten ist, gehören diesmal eine Popcorn-Maschine, ein riesiges, in Glas eingelegtes Gehirn (Geddy’s Bass-Amps) und drei ulkige Schiffs-Hörner (Alex‘ Gitarren-Verstärker), das Drumkit jedoch wurde unwesentlich verändert, nur das Zahnrad-Design der Becken sticht bei den Aufnahmen von oben sofort ins Auge. Gut gelaunt, wenn auch nicht ganz so toll bei Stimme, schwingt sich Geddy Lee zu seinen obligatorischen, eigentlich unsäglichen Ansagen auf („We got a million songs tonight“ – „We’re old and need a short break“), Alex Lifeson misst ungefähr die Hälfte dessen, was er auf der „Snakes & Arrows“ Tour an den Hüften hatte, und der immer stoische Neil Peart gerbt seine Felle mit fast schon beängstigender Ruhe. Mit dem aktuelleren „Far Cry“ wird der erste Set beendet, und nach 20 Minuten Pause dräut gar episches, als das sechsköpfige Streichensemble hinter Neil’s Schlagwerk Aufstellung nimmt.

Meine anfänglichen Zweifel, es wäre nicht sehr sinnig, ganze acht Stücke vom neuen Album in einer Wurst runterzuklopfen, sind schnell verflogen. Gerade live kommen die durchwegs überlangen Tracks wahnsinnig gut rüber, die opulente Multimedia-Umsetzung und die Streicher des "Clockwork Angels String Ensemble" tun ein Übriges, das Canuck-Trio legt überdies eine Spielfreude an den Tag, dass die Kinnladen kollektiv nach unten klappen - sogar bei hartgesottenen RUSH-Fans wie mir. Bei „Carnies“ und „Headlong Flight“ wird Pyrotechnik aus dem Hut gezaubert, dass sogar RAMMSTEIN-Freunden die Synapsen rotieren – einfach nur geil! Und einmal mehr der Beweis, dass die Herren Anfang Sechzig noch lange nicht zum alten Eisen gehören – auch wenn man ihnen diesmal schon eine gewisse Alters-Starrheit anmerkt, vor allem Alex war schon mal agiler.

Aber egal, es reicht vollkommen, hier und heute mit seinen Prog-Helden in einem – wenn auch großen -Raum zu sein, und anschließend noch die planmäßigen Live-Granaten „YYZ“ (das einzige Instrumental, wo wirklich jeder mitsingt) „The Spirit Of Radio“ und als Zugaben „Tom Sawyer“ und ein Gutteil der „2112“-Suite zum besten zu geben. Macht unterm Strich wieder mal drei Stunden Netto-Spielzeit, so muss das! Neil hält seine Solo-Ausflüge heute bewusst kurz, und vor allem das Midi-gesampelte „The Percussor“ stellt wieder mal alles vorher da gewesene in den Schatten - nach all den jahren immer noch für Innovationen gut, das muss man den Herren lassen. Die Detailverliebtheit des Prog-Triumvirats ist mit einmal hinsehen gar nicht erfassbar - so gibts beim Reggae-Teil von "The Spirit Of Radio" etwa nur rot-grün-gelbe Beleuchtung und beim symphonischen "The Garden" erblüht die gesamte Video-Wall in tausend blumigen Farben. Vor den Zugaben werden wieder Shirts ins Publikum geworfen - und Neil Peart lässt es sich nicht nehmen, die Merchandise mit einer Art "Super Soaker" ins Publikum zu feuern, zur Abwechslung mal breit grinsend!

RUSH bleiben eben RUSH, und entweder man liebt oder hasst sie. Wer diesen Augen-und Ohrenschmaus heute hier miterlebt hat, geht garantiert mit Gänsehaut heim, und mit der Gewissheit dass das noch lange nicht alles war. Die perfekt abgestimmte Video-Choreografie, das Bühnendesign, die immer wieder witzigen, selbstironischen Background-Filme (Alex, Geddy und Neil als Gnome – enorm köstlich und nicht von ungefähr an Monty Python erinnernd!) – alles greift reibungslos ineinander, und jeder der sich mal den einen oder anderen Spielfehler herbeisehnt muss heute wieder einmal enttäuscht heimgehen. Bis auf die bekloppte Saal-Politik (das halbe Parterre ist überteuertes „Front Of Stage“, dahinter drängen sich die Massen) und den teils etwas schwammigen Sound hab ich diesmal nix auszusetzen. Und ich glaube in fünf bis sechs Jahren darf ich bestimmt das nächste RUSH-Live-Review tippen, zumindest bleibt das zu wünschen. Alle Daumen hoch für einen rundum gelungenen Konzertabend!

Setlist:

Set 1 Subdivisions The Big Money Force Ten Grand Designs Middletown Dreams Territories The Analog Kid The Pass Where’s My Thing? (with Drum Solo) Far Cry Set 2 (with Clockwork Angels String Ensemble): Caravan Clockwork Angels The Anarchist Carnies The Wreckers Headlong Flight (with short Drum Solo) Halo Effect Wish Them Well The Garden Dreamline The Percussor (Midi Drum Solo) Red Sector A YYZ The Spirit Of Radio Encore Tom Sawyer 2112 Part I: Overture 2112 Part II: The Temples Of Syrinx 2112 Part VII: Grand Finale


ANZEIGE
ANZEIGE