07.10.2012, Arena

COLOUR HAZE

Veröffentlicht am 11.10.2012

Jeder regelmäßige Konzertbesucher weiß, dass es kaum einen erfolgreichen musikalischen Abend gibt der nicht in lautstarken Zugabe-Rufen endet. Angefangen beim metaphorischen kleinen Finger gibt sich das Publikum nicht einmal mehr mit der ganzen Hand zufrieden und folgt einer Devise, die ständig nach mehr verlangt. Dieses Verlangen machen sich die Münchner COLOUR HAZE zu eigen und starten auf ihrer aktuellen Tour ein Experiment in Überlänge. Die XXL-Tour macht am heutigen Abend Halt in der Arena, wo die der Stoner-Truppe in ingesamt drei Stunden Spielzeit mit dem Publikum in Sachen Ausdauer konkurrieren wird. Doch bevor es so weit ist eröffnen SATRUNIA den Abend in der großen Halle. Ab 20 Uhr blickt man verdutzt auf eine doppelhälsige E-Gitrarre welcher sanfte Sitar-Klänge entlockt werden. Die psychedelischen Musiker arbeiten mit Drumcomputer und betreiben ein Art Muzak, welche sich auf einem angenehmen Hintergrund-Level durch die Besucher geradezu hindurch schlängelt. Während der Sänger und Gitarrist den melodischen Lead übernimmt, wird am Keyboard/Effektregler für Variation gesorgt. So vermischt das Duo mediterane Klänge mit fast funkig-jazzigen Klavier-Akkorden und weiß durch eine großflächige Klang-Performance zu überzeugen. Titel wie „I Am Utopia“ oder „Still Life“ verdeutlichen einmal mehr die friedliche Gemütsmusik der Portugiesen welche in hellen Noten leider schon nach kurzer Zeit beendet wird.

Im Publikum tritt man bereits ungeduldig von einem Bein aufs andere. Nietenbestückte Metaller vermischen sich hier mit vollbärtigen Tote-Bag-Trägern, studentischen Alternativlingen und unruhigen Krautrockern. Gemein ist der bunten Gesellschaft jedoch die Vorfreude auf COLOUR HAZE, welche in „Aquamaria“ schließlich ihr Ende findet. Dichte Nebelschwaden, welche wie zur Verehrung aus den ersten Besucherreihen aufsteigen, unterstreichen das musikalische Geschehen auf der Bühne. Der Opener des 2006 erschienen Albums „Tempel“ erfreut die Gemüter, wobei der hohe Stimmeinsatz Stefan Kogleks bereits heiß ersehnt wurde. Spätestens zu „Lights“ gewinnt der dröhnende Bass Überhand - der außerordentlich gelangweilte Gesichtsausdruck von Tieftöner Philipp Rasthofer scheint also wenig gerechtfertigt. „Breath“ fordert schließlich sechsseitige Unterstützung und einer gewisser Mario wird vom Publikum lautstark zur Hilfe gerufen. Die 18-minütige Nummer - keine Seltenheit für die Stoner COLOUR HAZE - wird in aller Ruhe und mit großer Sorgfalt vorgetragen. Auch der nächste Song verlangt keine Eile denn laut eigenen Angaben durfte dieser 16 Jahre lang reifen bevor er hier und jetzt wieder ausgegraben wird. Das berauschende „House Of Rushammon“ erklingt als einziger Song des „Ewige Blumenkraft“-Albums und steht somit stellvertretend für den großartigen Longplayer aus dem Jahr 2001. Sogar dem Basser entkommt bei dieser Nummer ein kleines Schmunzeln.

Nach „Transformation“ sind zwar erst sechs Nummern und aber bereits knappe eineinhalb Stunden vergangen. Der Zeitpunkt fordert die ersten Ermüdungserscheinungen. Besucher werden durstig, brauchen Frischluft oder einfach nur eine kurze Abwechslung und auch auf der Bühne setzt man sich für „Grace“ vorerst auf den Boden. Kaum zu glauben aber sogar die gemütlichen Kompositionen von COLOUR HAZE verlangen nach einer kurzen Verschnaufpause. Spätestens der Albumtrack des neuen Longplayers „She Said“ sorgt aber wieder für neue Lebenskraft und geschmeidige Gitarrensolos animieren sogar zu manch Zwischenapplaus.

Zwar wiegt man sich noch genüsslich zum Takt, muss aber mit der Angst kämpfen vor lauter Friede und Freude schon wieder den nächsten Gesangspart zu verpassen. Im allgemeinen verändert sich der Status der Entspannung während der Xlarge Performance gravierend. Was zu anfang mit geschlossenen Augen ausgekostet werden konnte, entwickelt sich gegen Schluss hin zur Aufmerksamkeitsprüfung. Nach zweieinhalb Stunden des bunten Dunstes lassen sich Riffs nur mehr im Ansatz differenzieren und ob man dieses oder jenes Solo heute nicht schon dreimal gehört hat lässt sich kaum noch feststellen. COLOUR HAZE transzendieren sich selbst und sorgen mit ihren ewig gleichen Solierschemata für Anstrengung in der Entspannung. Doch gerade diese Überanspruchung der eigenen Performance scheint beim Publikum gut anzukommen, denn auch nachdem die Meilensteine „All“, „Love“ und „Get It On“ zum Besten gegeben wurden, und somit fast drei Stunden die Sanduhr hinuntergelaufen sind, verlangt eine unermüdliche Besucherschaft nach mehr. Selbst die Special-Light-Show, welche sich während des Konzerts auf die Projektion pulsierender Formen, Farben, wurzelnde Kartoffeln und erneuerbarer Energiequellen beschränkte, wird zum Zwecke der Zugabe noch einmal angekurbelt. Das Publikum dankt mit unüblich langsamen Crowd-Surfing Manövern und die Band verabschiedet sich im Endeffekt schneller als man es begreifen kann. Bekanntlich weiß man nie wann man genug hat, bevor man mehr als genug hat. Ob diese Art der Erkenntnis im Fall von COLOUR HAZE überhaupt möglich ist, bleibt der Besucherschaft einer derartigen Performance vorbehalten.


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