27.04.2012, Planet.tt, Bank Austria Halle, Gasometer

NIGHTWISH

Veröffentlicht am 05.05.2012

Sie sind schon ein Phänomen, die Finnen von NIGHTWISH - vom exotischen und anfangs belächelten Kuriosum der melodischen Metal-Szene haben sich die Herren und Dame rund um Band-Chef Tuomas Holopainen mittlerweile zu einer der gefragtesten und zugkräftigsten Bands des Genres gemausert, und im vergangenen Jahr mit "Imaginaerum" nicht nur ein "normales" Studioalbum vorgelegt, sondern damit auch gleich den Soundtrack zu einem dazugehörigen Film mitgeliefert. Ein solches Ereignis will natürlich gebührend zelebriert werden, und so sind NIGHTWISH anno 2012 wieder auf großer Tour, die sie am 27. April auch in den Wiener Gasometer führen sollte. Mit dabei hatten die Finnen neben den True-Metal-Durchstartern von BATTLE BEAST auch noch EKLIPSE, wobei ich diesen Act leider versäumte, da der bereits um 19:30 Stagetime hatte, während auf diversen Seiten im Internet leider als Beginnzeit 20:00 Uhr angegeben war. Schade, und beileibe leider kein Einzelfall - hier sollten die jeweiligen Veranstalter und Partner wirklich Sorge tragen, dass die korrekten Beginnzeiten auch wirklich überall einheitlich aufscheinen. So kam ich aber immerhin rechtzeitig zu BATTLE BEAST an, und obwohl mich die Truppe rund um Frontsängerin Nitte Valo zunächst auf CD nicht so begeistern konnte, schafften sie es allerdings in der Livesituation, mich sofort mitzureißen: Denn klassische True Metal Hymnen wie "Enter The Metal World", "Justice And Metal" oder schlicht "Steel", wie auch ihr aktuelles Debütalbum genannt wird, versprühen einfach den ungezwungenen Geist der Achtziger. Dabei fällt mir bei BATTLE BEAST im Vergleich zu anderen Retro-Bands wie etwa STEELWING oder SKULL FIST auf, dass bei Sound und Performance doch die technischen Möglichkeiten unserer Zeit weitaus besser genutzt werden, und vor allem in Punkto Gesang die gute Frau Valo viele Genregrößen verdammt alt aussehen lässt - inklusive einer gewissen Anette Olzon, doch dazu später mehr. Denn ironischerweise muss man eigentlich sagen, dass Nitte Valo ein erstklassiger SängER ist. Denn bei BATTLE BEAST gibt es keine hohen Gesangsvokalisen, keine Koloratur, keine Opernelemente oder Pseudo-Pop. Stattdessen singt, schreit und screamt sich die gute Frau die Seele aus dem Leib, allerdings immer unter Anwendung astreiner Technik, was ihr sehr viel stimmlichen Spielraum gibt und für viel Abwechslung im Sound sorgt. Auch die Backing-Chöre, die live von der Band gebracht werden, kommen deutlich heftiger und wuchtiger rüber als auf den Studioversionen. Einzig die Gitarrensoli könnten ein bisschen mehr Abwechslung vertragen; da schleicht sich dann schon ein paar Mal das Gefühl ein, dass die Herren an den Sechssaitern in Wirklichkeit doch nur in jedem Song das gleiche Solo spielen. Der Rezeption durch das Publikum tut dies aber keinen Abbruch, ihr geradliniger, schnörkelloser Heavy Metal kommt an, und BATTLE BEAST werden auch in Wien - zu Recht! - lautstark abgefeiert und gehören für mich ganz klar zu den Gewinnern des Abends. Hut ab, eine astreine Performance die ich in dieser Qualität nicht erwartet hätte! Gerne wieder!

Setlist BATTLE BEAST:

Justice And Metal Armageddon Clan Cyberspace Steel Iron Hand Victory Enter The Metal World Show Me How To Die

Dann kam sie also, die Stunde der Wahrheit: Für mich die erste Hallen-Show von NIGHTWISH seit dem Abgang von Tarja Turunen nach der legendären "Once"-Tour; seither konnte ich NIGHTWISH nur zweimal in der Festival-Situation erleben, was naturgemäß immer ein bisschen anderen Gesetzmäßigkeiten folgt als klassische Hallenshows. Umso gespannter war ich natürlich, wie sich "NIGHTWISH neu" schlagen würden. Und nun ja, es sollte doch ein bisschen ein schaler Geschmack im Mund zurückbleiben. Zwar legen die Finnen atmosphärisch dicht mit "Taikatalvi" hinter einem geisterhaften Fetzenvorhang los, und auch das folgende "Storytime" wird noch zur Hälfte von hinter dem Vorhang performt, ehe dieser dann in der Mitte des Songs fällt, und die Band vor einer formidablen LED-Wand spielend sichtbar wird. Auffällig sofort Tuomas Holopainens Phantom-Orgel, und weniger auffällig - leider - Anette Olzon. Was mich auch schon zu einem meiner Hauptkritikpunkte bringt: Zwar ist gesanglich an diesem Abend im Großen und Ganzen alles im Grünen Bereich, aber der guten Anette fehlt es einfach an Bühnenpräsenz. In dezentes Schwarz gekleidet, tänzelt sie meistens sehr zurückhaltend zwischen Tuomas Holopainen und Gitarrist Emppu hin und her, doch wird sie beinahe ständig von der gewaltigen Präsenz von Basser Marco Hietala, der wie immer einen beeindruckenden Job abliefert, überschattet. Da helfen auch die schnell nachgeschossenen Kracher in Form von "Wish I Had An Angel" und "Amaranth" kaum. Im weiteren Verlauf der Show regiert dann natürlich zu großen Teilen neues Material: Auf "Scaretale" folgen "Slow, Love, Slow" und "I Want My Tears Back", ab denen auch Troy Donockley als Gastmusiker an Flöte und vor allem an den sogeannten "Uilleann Pipes", dem irischen Dudelsack, dauerhaft auf der Bühne im Einsatz ist, und mitunter auch Backing Vocals beisteuert. Das funktioniert soweit auch ganz gut, doch vermisst man schmerzlich die ganz großen Kracher vergangener Tage aus "Oceanborn"- und "Wishmaster"-Zeiten: Abgesehen von "Come Cover Me" in einer etwas leidlichen Version gibt's da diesmal leider gar nichts. Zwar wird's dann zwischenzeitlich atmosphärisch, als man einen kurzen Akustik-Block mit "The Islander", "The Crow, The Owl And The Dove" und einer - zugegeben - originellen Version von "Nemo" einlegt, ehe es dann wieder flott mit "Last Of The Wilds" weitergeht. Ein Highlight folgt dann mit "Planet Hell", während "Ghost River" eher wieder ein bisschen den Drive rausnimmt. "Dead To The World" vom "Century Child"-Album ist dann der einzige weitere "ältere" Track, den man im Programm hat, ehe man mit dem unvermeidlichen "Over The Hills And Far Away"-Cover das reguläre Set beendet. Als Zugabe gibt's dann noch "Finlandia" und den "Song Of Myself" in einer gekürzten Version, und mit "Last Ride Of The Day" ist auch die allerletzte Nummer ein Song vom neuen Album.

Gut, musikalisch sind NIGHTWISH natürlich immer noch höchst interessant, aber an diesem Abend konnten sie mich nur bedingt mitreißen - daran konnte auch die imposante Licht- und Feuershow während der Performance und das abschließende Indoor-Feuerwerk (!) leider nichts ändern. Ich war zwar nie der große Tarja-Verfechter, aber dennoch komme ich nicht umhin festzustellen, dass - und das habe ich auch schon in meinem Review zu "Imaginaerum" angemerkt - Annette Olzon einfach teilweise überfordert wirkt. Neben dem ganzen Bombast, den NIGHTWISH in ihren Kompositionen auffahren, kann sie sich mit ihrem doch relativ dünnen Stimmchen, das nicht die Möglichkeiten einer klassisch ausgebildeten Stimme hat, einfach nicht ausreichend durchsetzen. Dazu kommt noch die fehlende visuelle Präsenz auf der Bühne, und so verkommt Anette hier beinahe zu einer glorifizierten Background-Sängerin. Ich bleibe somit bei meiner Meinung: Auch wenn Tarja vielleicht selbst nur eine mittelprächtige Klassik-Sängerin war, so kann halt auch eine nur mittelmäßige Klassik-Sängerin immer noch mehr aus ihrer Stimme rausholen, als es Anette vermagt. Sie ist zwar bemüht, und bei den neuen Songs klappt's auch im Großen und Ganzen halbwegs passabel - aber es ist halt doch verdammt schade, wenn wegen der unzureichenden stimmlichen Fähigkeiten Bandklassiker wie "Nemo" simplifiziert werden müssen, und Glanztaten früherer Tage - wie das gesamte (!) "Oceanborn"-Album, aber auch eigentliche Must-Haves wie "Wishmaster", außen vor bleiben müssen. NIGHTWISH sind also sicherlich auch 2012 immer noch sehenswert, ob sie die große Klasse und Magie der Auftritte zu den legendären "Once"-Tagen jemals wieder erreichen werden, ist aber mehr als fraglich.



Setlist NIGHTWISH:

Taikatalvi Storytime Wish I Had An Angel Amaranth Scaretale Slow, Love, Slow I Want My Tears Back Come Cover Me The Crow, The Owl, The Dove The Islander Nemo Last Of The Wilds Planet Hell Ghost River Dead To The World Over The Hills And Far Away -------- Finlandia Song Of Myself Last Ride Of The Day


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