06.12.2011, Huxley's Neue Welt

HERITAGE TOUR feat. OPETH / BERLIN

Veröffentlicht am 07.12.2011

Gut neun Stunden Zugfahrt liegen zwischen der niederländischen und der deutschen Hauptstadt. Auch bei einer Reise von Wien nach Berlin sollte man mindestens mit neun bis zehn Longplayern als Reiseunterhaltung rechnen. Eine Low- Budget Lösung mit dem City Night- Liner zahlt sich für einen Spontanaufenthalt in Berlin aber in jedem Falls aus. Auch die Gewissheit, dass sich die Schweden von OPETH gerade der Großstadt nähern lässt alle Gedanken an stickige zweite Klasse Abteile und Nackenschmerzen bei Schlafversuchen vergessen. Mit einem gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetz ist es ein Leichtes sich in Berlin zurechtzufinden und dementsprechend einfach gestaltet sich die Anfahrt nach Berlin-Neukölln. In dem Venue „Huxley’s Neue Welt“ gastieren heute neben OPETH auch die progressive Rocker PAIN OF SALVATION. Der utopische Name lässt eine schöne neue Konzertlocation vermuten, vor dessen Eingangstoren sich bereits zahlreiche Fans scharen. Überpünktlich beginnt das erste Schweden- Set des heutigen Abends. PAIN OF SALVATION finden zwar positiven Anklang beim Publikum, allerdings ist die allgemeine Lautstärke in der übergroßen Konzerthalle viel zu niedrig. Die Tatsache, dass man sich während der Show problemlos miteinander unterhalten kann führt zu Unaufmerksamkeit und Ablenkung im Publikum. Obwohl die Konzentration auf die Bühne fehlt, ernten ausgewählte Nummern diverser Konzeptalben anerkennende Ovationen. Da die Truppe tatsächlich um fast fünfzehn Minuten begonnen hat ist es für viele Besucher ein äußerst kurzes Spektakel. Bald wird man nämlcih schon wieder von einem süßen Schmerz erlöst, den man gerne noch ein bisschen länger ertragen hätte. In theatergleiche Manier und mit tiefen Verbeugungen heißt es für die progressiven Schweden ab durch die Mitte.

Bereits jetzt ziert das nostalgische Banner von OPETH den Bühnenhintergrund. Während eifrig noch Bühnenelement hin und hergetragen werden entstehen heftige Fan- Diskussionen um musikalische Entwicklungen der nun schon hart ersehnten Schweden. Zu den Klängen von „The Devil’s Orchard“ verstummen aber auch diese Mäuler schlagartig, um den andächtigen Klängen zu lauschen. Gekleidet in ein RAINBOW Shirt im Retrostil, erweist sich Sänger Mikael Åkerfeldt als wahrer Sonnenschein. Gut gelaunt und mit lockerer Zunge hat er das Publikum auch zwischen den Songs in der Hand. Das sympathische Geständnis „We are a simple band from Stockholm and we play music and that’s pretty much it“ wird vom Publikum lautstark aufgefasst und fröhlicher Beifall leitet gleich über zum nächsten Song des „Heritage“ Albums „I Feel The Dark“. Nach dieser ruhigen Nummer versucht man das Publikum abermals für den Rest der Show zu motivieren. Plektren dienen als Teaser, Filmzitate sorgen für Lacher und das Feixen mit den Mitmusikern verhält sich wie das Amen zum Gebet.

Gut gelaunt geht es später in ein Drumsolo der ganz besonderen Art über. Unglücklicherweise lässt die bereits erwähnte Lautstärke abermals zu wünschen übrig. Die riesenhafte Konzerthalle will sich einfach nicht so ganz mit dem eindrucksvollen Sound füllen lassen und das meisterhafte Getrommel verliert somit Einiges an Druck. Erst zu „Nepenthe“ meldet sich die musicalhafte Frontstimme wieder zu Wort. Die altgriechische Droge der Vergesslichkeit weckt geisterhafte Träumereien und lässt Sorgen und Ängste durch jazzige Gitarrenklänge ganz und gar verschwinden. Die Lautstärkebedingungen bleiben unverändert, auch nachdem die prominente E-Gitarre gegen Hocker und Akustische getauscht werden. „Throat of Winter“ erklingt als erste Nummer eines besinnlichen Akustiksets. Aufs Neue darf man dabei den unterhaltenden Worten des temperamentvollen Schweden lauschen. Das Warten auf die nächste eindrucksvolle Nummer wird damit fast schon zum Geduldspiel. Mit fortschreitender Stunde werden Späßchen und Ansagen übermäßig zelebriert und man sehnt sich eher nach den paradiesischen Klängen der Musiker und ihrer Instrumente. Das obligatorische Verschwinden nach „Hex Omega“ führt zu noch mehr Konversation, andererseits aber auch zu außergewöhnlicher „Folklore“, bei der Zugabe.

Abschließend bleibt zu bemerken, dass die Musik und das Gesamtkonzept von OPETH in einem Rahmen wie diesem nur bedingt funktionieren. Zu weitläufig ist die Halle und zu groß der Besucherandrang im „Huxley’s“. Wünschenswerter wäre ein intimerer Rahmen für die eindrucksvollen und teilweise akustik- Klänge des Quintetts. Verständlicherweise befindet man sich hier aber in der 3,5 Millionen Seelen Stadt Berlin in welcher Zurückhaltung und Bescheidenheit als Fremdworte gelten. So gesehen kann das Konzert als musiklisch hochwertig bezeichnet werden wenngleich weniger, im Bezug auf Geplauder, manchmal einfach mehr ist.


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