31.10.2009, Planet.tt, Bank Austria Halle, Gasometer

Porcupine Tree

Veröffentlicht am 01.11.2009

Es ist mal wieder soweit – PORCUPINE TREE beehren die Hauptstadt, und wie zu erwarten war, ist auch dieses Mal eine etwas größere Location für das Spektakel angesagt. Während man vor zwei Jahren noch in der Arena Platz fand (und in grauer Vorzeit einmal im Planet Music), wird mittlerweile das Gasometer benötigt, um dem Konzert den angemessenen Rahmen zu bieten. Bereits vor Beginn des Abends sind die Eingänge verstopft, und nur nach und nach tröpfelt das äußerst heterogene Publikum in die Halle – quer durch alle Altersklassen und mit den unterschiedlichsten musikalischen Vorlieben (soweit an T-Shirts ablesbar) ist man ganz offensichtlich von den britischen Prog Rockern begeistert.

Das wird bereits an der Aufnahme der Vorband DEMIANS mehr als deutlich – die Franzosen, die von PORCUPINE TREE-Mastermind Steven Wilson persönlich als Vorgruppe eingeladen wurden, werden freundlich unterstützt, und haben es natürlich auch verdient. Live muss sich Frontmann und Alleskönner Nicolas Chapel natürlich darauf beschränken, „nur“ Gitarre zu spielen und zu singen, das geht aber angesichts seiner enthusiastischen Mitstreiter mehr als in Ordnung. DEMIANS machen schwer zuzordnenden, progressiven, aber durchaus modernen Rock, der angesichts seiner großen musikalischen Bandbreite ganz gut ins Gasometer passt. Das Live-Trio schafft es auch problemlos, die riesige Bühne mit Leben zu füllen – einzig Chapels Gesangsleistung begeistert aufgrund ihrer reinen Zweckmäßigkeit nicht vollends. Trotzdem: was sich in der ersten Dreiviertelstunde an Material entfaltet, macht definitiv Lust auf mehr; da dürfte das kommende Album der Band bald Abhilfe schaffen.

Nach einer gottseidank knappen Umbaupause, während der sich die Halle nun endgültig füllt, ist es schließlich soweit: zu den trip-hoppigen Klängen des „Blind House“-Instrumentals entern PORCUPINE TREE die Bühne und werden dafür mit frenetischem Jubel belohnt. Die Briten legen gleich mal mit „Occam’s Razor“ sowie „Blind House“ ordentlich los, und was man kaum zu hoffen wagte, ist nach einer Ansage Wilsons Gewissheit: PORCUPINE TREE spielen das aktuelle Album „The Incident“, das in erster Linie aus einem einstündigen Song besteht, in voller Länge. Live wird „The Incident“ zu einem synästhetischen Erlebnis – PORCUPINE TREE haben einen fantastischen Sound, und die zwar zurückhaltende, aber immer kraftvolle Show des Quintetts (Tourmitglied John Wesley mitgezählt) wird perfekt durch die gewohnt exzellenten Visuals Lasse Hoiles ergänzt, die die Musik optisch umsetzen und wie von Steven Wilson gewohnt immer wieder um Kindheitserinnerungen mit allen emotionalen Höhen und Tiefen kreisen. Die Band gibt sich souverän und spielt das hochkomplexe Material bis auf das letzte I-Tüpfelchen genau – anders könnten PORCUPINE TREE dem letzten Album wohl auch nicht wirklich gerecht werden. Nach „I Drive The Hearse“ ist erstmal Pause – die Band zieht sich kurz zurück, um in der zweiten Hälfte des Sets anzunehmenderweise nochmal ordentlich das Publikumsinteresse zu bedienen. Doch weit gefehlt – während das Liveset vor zwei Jahren noch keinen Hit vermissen ließ, sind PORCUPINE TREE dieses Mal erstaunlich eklektisch in der Songauswahl und spielen Material, mit dem zumindest ich nicht gerechnet hätte. So steht die zweite Hälfte des Abends im Zeichen von Songs wie „Strip The Soul“, „Stars Die“ oder dem neuen „Remember Me Lover“. Dementsprechend kocht die Stimmung genau dann über, wenn die Band zu etwas bekannterem ansetzt, wie zum Beispiel zu „Anesthetize“, das in einer auf den heftigen Mittelteil reduzierten Variante zum Besten gegeben wird. Als PORCUPINE TREE zum zweiten Mal von der Bühne gehen werden sie binnen kürzester Zeit vom Zugabenchor zurückgeholt – worauf jeder im Publikum wartet, ist klar. Und Steven Wilson, der zuvor schon zum Mitsingen aufgefordert hat, erfüllt den Besuchern diesen Wunsch – nach „The Sound Of Muzak“ wird der Überhit „Trains“ angestimmt, der dann auch den absoluten Höhepunkt des Gigs markiert. PORCUPINE TREE geben noch einmal alles, um auch die letzten Minuten ihres zweistündigen Gigs so mitreißend zu machen wie den Anfang. Nach diesem letzten Kraftakt verabschiedet sich das Quintett, und wie auch schon vor zwei Jahren verspricht Steven Wilson, demnächst wiederzukommen. Hoffentlich nicht allzu früh, um dem einzigartigen Erlebnis von „The Incident“ live den Platz einzuräumen, den es verdient.


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