Interview: Decapitated - Vogg

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Ich sorge mich nicht um die verschiedenen Meinungen und bin mutig genug, auch mal Zeug einzubauen, das nicht Death Metal ist.

DECAPITATED sind im wahrsten Sinne des Wortes durch die Hölle gegangen. Bandboss Vogg sprach mit uns über das Comebackalbum "Carnival Is Forever", das tragische Busunglück und die Wiederauferstehung der polnischen Metalszene.

Veröffentlicht am 27.07.2011

Hallo Vogg. "Carnival Is Forever" ist das erste Album nach über fünf Jahren, die voller Probleme und Tragödien waren. Wie fühlst du dich nach der Fertigstellung des Albums? Konntest du damit all die Dämonen der Vergangenheit vertreiben?

Ich werde diese beiden Dinge nicht so einfach zusammenführen. Wir haben ein neues Album herausgebracht, das uns sehr glücklich macht und auf das wir verdammt stolz sind, aber es macht nicht alles ok nachdem ich meinen Bruder und einen guten Freund bei dem Busunfall verloren habe.

Das neue Album ist noch technischer und auch viel überraschender als eure bisherigen Werke. Nachdem ihr die ersten Songs hochgeladen hattet, wurden eure Fans in zwei Lager geteilt. Die einen waren begeistert vom neuen Sound, die anderen wünschen sich die alten DECAPITATED zurück. Was denkst du denn darüber? Interessiert dich das?

Es gibt immer zwei Lager, das war auch bei uns nie anders. Aber zwischen Schwarz und Weiß gibt es ja noch viel mehr zu entdecken. Aber es ist für mich persönlich absolut nichts Neues, dass manche Fans das Album gerne haben, andere es überhaupt nicht leiden können. Es ist auch nichts, um das ich mich jetzt kümmere. Natürlich ist es toll, über unser Werk gute Reviews zu lesen und ein gutes Feedback zu bekommen, aber jeder und alles hat seine Gegenseite. Ist doch klassisch, haha

Vor zwei Jahren hast du ja drei neue Mitglieder in die Band integriert. Besonders interessant für uns hier ist natürlich der niederösterreichische Schlagzeuger Krimh. Wo hast du die Jungs alle zusammengesammelt und welche Voraussetzungen mussten sie mitbringen?

Ich suchte nach den besten Musikern die verfügbar waren und ich denke, ich habe die besten gewählt. Krimh ist ein fantastischer Schlagzeuger und ein verdammt cooler Kerl. Ich habe ihn auf YouTube gefunden, er ist noch so jung und wird mit Sicherheit ein Killerdrummer werden. Ich sehe eine große Zukunft für ihn. Rasta ist ein toller Sänger, der perfekt zu den neuen Songs passt. Und mit Konrad haben wir seit Kurzem einen neuen Session-Bassist, der toll in unser Gefüge passt und ich hoffe natürlich, dass er bleiben wird. Sämtliche Bandmitglieder leben zurzeit in Krakau, wodurch wir tollerweise täglich proben können.

Die neuen Songs sind wesentlich dissonanter und progressiver geworden. Hat sich das im Laufe der Zeit so ergeben oder wolltet ihr eine neue Ära der Band einleiten, eure Fans mit komplexerem Material stärker fordern?

Ich denke das ist ein natürlicher Prozess, den diese Band mitgemacht hat. Ich habe mich dafür entschieden, auf "Carnival Is Forever" neue Soundfragmente und Ideen einzubauen. Ich sorge mich nicht um die verschiedenen Meinungen und bin mutig genug, auch mal Zeug einzubauen, das nicht Death Metal ist. Das ist mir egal. Ich habe einfach die Musik, die ich fühle. "Carnival Is Forever" ist aber in jedem Fall das vielseitigste Album meiner Karriere.

Manche Songs stechen auch wirklich hervor. "404" etwa ist wohl der sperrigste Song eurer Laufbahn und "A View From A Hole" liebäugelt mit den Progressive- und Jazz-Genres. Andererseits habt ihr auch wirklich knackige Death Metal Bretter wie etwa "Pest" am Album stehen. Woher die Inspiration für eine derartige Variabilität?

Ich kann dir nicht sagen, woher ich die Inspiration dafür habe. Ich spiele einfach auf der Gitarre, lasse meinen Gefühlen freien Lauf. Es ist wirklich nichts Spezielles dabei. Ich mache einfach was, was aus mir heraussprudelt, völlig egal wonach es im Endeffekt klingt.

Die Lyrics hat mit Jaroslaw Szubrycht ein guter Freund von dir verfasst. Warum hat das ein Außenstehender für euch erledigt?

Einfach deswegen, weil bei DECAPITATED niemand gute Texte schreiben kann. Jarek ist ein sehr alter und guter Freund von mir. Ich liebe seinen Stil, seinen Charakter. Er ist einer der bestern Schreiber und völllig einzigartig.

Zum überhaupt ersten Mal habt ihr für das Cover ein Foto anstatt einer Zeichnung gewählt. Was ist denn die tiefere Bedeutung hinter dieser Kreatur mit Maske im Plastikmantel?

Die Figur am Cover symbolisiert das Böse, all die Fehler, die wir gemacht haben, der ganze Scheiße, der auf der Welt vor sich geht. Die Maske passt perfekt zu "Carnival". Der Terminus "Carnival" stammt von Jarek und bezieht sich auf die stets auf dem Grab tanzenden Menschen, die der Selbstzerstörung mit einen dämlich Grinsen und hochtrabenden Slogans entgegensteuern. Die gesamte Geschichte der Menschheit erinnert an einen gedankenlosen, betrunkenen Mob - wir können nicht mit der Vergangenheit abschließen, wir können unsere zerstörerischen Verhaltensweisen nicht verhindern.
Wir wissen nur, wie wir das alles mithilfe von Gebräuchen, Kulturen und Politik hinter einer Maske (Maske - Carnival - alles klar?) verstecken können. "Carnival Is Forever" dreht sich noch nicht einmal um den Niedergang der Menschheit, denn wenn jemand nie aufsteht, wird er auch nie fallen.

Zurück zum Bassisten. Die Gerüchte, dass Heinrich nicht mehr euer Bassist ist stimmen also definitiv? Es gibt allerorts Gerüchte, aber ihr hattet es bislang nicht offiziell gemacht.

Das stimmt. Er hat die Band verlassen müssen, weil er nicht so viel Zeit für DECAPITATED aufwenden konnte. Er arbeitet in einem Tonstudio und spielt außerdem ja noch bei VESANIA. Also haben wir eben mit Konrad Rossa zu spielen begonnen und werden sehen, ob unsere Wahl die richtige war.

Nach all den Tragödien in der Vergangenheit, hast du da jemals daran gedacht die Band aufzulösen oder den Namen zu ändern? Wolltest du vielleicht etwas komplett anderes machen?

Nach dem Unfall habe ich darüber etwa eine Million mal nachgedacht. Ich wusste nicht, was ich tun soll. Ich habe eine Touring Agency um Arbeit gebeten, ich habe den MORBID ANGEL Manager angerufen, weil ich der Band beitreten wollte, dann habe ich in einem Musikgeschäft gearbeitet und schließlich mit VADER gespielt. Dann habe ich darüber nachgedacht, was ich denn jetzt noch tun sollte und ich kam darauf, dass es wohl die beste Entscheidung wäre noch einmal neu anzufangen. Ich habe nie daran gedacht, eine völlig neue Band zu starten, dazu fehlt mir einfach der Name. Ich bin ja nicht Phil Anselmo. Und ich habe auch nicht die Zeit, mit einem neuen Namen noch einmal zu beginnen.

Kannst du uns etwas zum derzeitigen Zustand von eurem ex-Sänger Covan sagen?

Es ist nicht gut ehrlich zu sein. Er ist ein Gefangener seines eigenen Körpers. Er kann nicht reden und sich nicht bewegen. Seine Schwester und seine Eltern sorgen für ihn. Eine verdammt beschissene Situation. Er braucht viel Geld, also wenn ihm jemand helfen will besucht bitte www.wakeupcovan.com oder www.adrian.org.pl wo ihr alle Informationen über die derzeitige Situation findet. Darunter auch, wie ihr ihm helfen könnt. Ich danke euch!!

Die polnische Metalszene steigt ja wieder empor. Ihr habt ein tolles Comebackalbum produziert, VADER sind mit einem neuen Album zurück und Nergal von BEHEMOTH ist auch auf dem Weg zurück. Wie ist denn die Verbindung zwischen euch allen und was sagst du über dieses immens wichtige Jahr für diese Szene?

Ich bin verdammt glücklich darüber, wie sich gerade wieder alles entwickelt. Dieses Jahr ist in der Tat sehr erfolgreich und interessant für die polnische Metalszene. Wir sind allesamt ziemlich gute Freunde, haha. Wir kennen uns schon seit Jahren sehr gut. Letztes Jahr haben wir mit BEHEMOTH getourt und das war sowohl künstlerisch wie auch menschlich eine der besten Touren unseres Lebens. Außerdem habe ich mit VADER an die 150 Shows als Session-Gitarrist gespielt. Eine tolle Zeit und eine tolle Erfahrung. Polish Metal rule!!!

Im August und September tourt ihr wieder durch Europa und am 10. September macht ihr auch bei uns in Wien halt. Welche Erwartungen habt ihr und inwiefern wird sich denn die Setlist verändern?

Wir werden alle neuen Songs bei den kommenden Headliner-Shows spielen. Und wir erwarten uns, dass irgendwer kommen wird um uns zu sehen, hahaha.


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