Interview: Nightwish - Marco Hietala

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Ihr habt da ein paar nette Bierlokale in Wien...

Der NIGHTWISH Bassist im Gespräch über "Once", "Lord Of The Rings" und die österreichischen Vorzüge...

Text: metfrog
Veröffentlicht am 14.05.2004

METFROG: Marco, das neue Album "Once" steht vor der Tür. Was kannst Du uns über die Arbeiten dazu erzählen?

MARCO: Für mich ist es das ambitionierteste Album, das wir bisher gemacht haben. "Once" beinhaltet alle nur erdenklichen Facetten kombiniert mit einer durchschlagenden Power, wie wir sie noch nie hatten. Diesmal geht es richtig hart zur Sache! Die Basis besteht aus heavy Drums und Bass und darüber schichten sich neben den Gitarren auch eine Menge Keyboards und orchestrale Parts, die hervorragend die verschiedenen Stimmungen und Atmosphären hervorheben. Es gibt genügend Material, daß man sich die CD immer wieder und wieder anhören kann, und trotzdem immer wieder etwas neues finden wird. Alle Songs sind eigenständig und doch dank Tarja´s Vocals, der Lyrics und der ganzen dunklen und romantischen Stimmung definitiv NIGHTWISH. Ich denke man merkt, daß wir einen großen Schritt vorwärts gekommen sind. Als uns Tuomas voriges Jahr die ersten Demos vorspielte, war schon klar, daß das neue Album deutlich heavier und dünkler werden würde. Emppu hat dann mit "Siren" seinen Teil beigetragen. Ich habe "Higher Than Hope" fast im Alleingang geschrieben und die eine oder andere Idee zu "Romanticide" beigesteuert. Wir haben uns dann eine Menge Zeit genommen, um das ganze Material mit den Vocals und dem Orchester zu arrangieren und richtig heavy rocken zu lassen.

Wie ist denn die Idee entstanden, mit dem London Session Orchestra, welches ja auch beispielsweise auf dem Soundtrack zu "Lord Of The Rings" zu hören ist, zusammen zu arbeiten?

Nachdem wir alle miteinander riesige "Lord Of The Rings"-Fans sind, war das schon großartig mit diesen Leuten zusammenzuarbeiten. Tuomas hatte schon lange diese Idee und hat mit Mikko Karmila, der ja auch das Album abgemischt hat, darüber gesprochen, auf "Once" mit einem Orchester zu arbeiten. Mikko hatte dann die Idee, Pip Williams (Produzent von URIAH HEEP, STATUS QUO u.ä., Anm.) zu kontaktieren und Toumas schickte ihm unser Material und ein paar Demoaufnahmen. Herrn Williams gefiel das alles so gut, daß er sogar ein richtiger NIGHTWISH-Fan wurde! Von ihm stammte dann schließlich auch die Idee, dieses Orchester und dieses Studio zu wählen.

Wie war denn die Zusammenarbeit mit diesen Leuten?

Nun, ich war nicht direkt vor Ort. Tuomas war bei den Aufnahmen dabei und er erzählte anschließend, daß sie richtig enthusiastisch waren. Und das, obwohl vermutlich keiner von denen zuvor etwas von NIGHTWISH gehört hatte.

"Lord Of The Rings" und NIGHTWISH liegt ja nicht allzuweit auseinander, wenn man euren Texten zuhört und die mystischen Covers ansieht...

Ja, ich weiß was Du meinst. Wenn Du eine gewisse Art von Musik magst und auf der anderen Seite Filme oder sonstige Dinge hast, die Du gerne magst, dann trifft das irgendwann in irgendeiner Form aufeinander. Alle Mitglieder von NIGHTWISH sind große Fantasy-Fans, ich ganz besonders. Ganz klar, daß die Dinge, Filme oder Bücher, mit denen Du Dein Hirn speist, ganz automatisch in die Musik miteinfließen. Und durch diese Musik wird das dann wiederum auf die Leute übertragen, die diese Musik hören. So verbinden sich diese Dinge schließlich. Eine ähnliche Erfahrung habe ich als Kind gemacht. Als ich ungefähr neun war, hat mein Bruder den ganzen Tag BLACK SABBATH gehört. Ich habe zu dieser Zeit irgendwelche Fantasy-Märchen gelesen und nebenbei also SABBATH´s "The Master Of Reality" gehört, oder etwas später RAINBOW und DIO. Als ich älter wurde und die englische Sprache begriff, merkte ich plötzlich, daß die Musik und meine Fantasygeschichten sich irgendwie um die selben Themen drehten. Das war schon eine interessante Erfahrung.

Interessant war bestimmt auch die Zusammenarbeit mit John Two-Hawkes, einem echten Indianer vom Stamme der Lakota, auf "Creek Mary´s Blood"...

Ja, auf jeden Fall. Das war eine weitere langgehegte Idee von Tuomas, etwas über Indianer, die Kämpfe und diese ganzen Tragödien, die sich da abgespielt haben, zu schreiben. Er wollte auch immer schon mit jemandem zusammenarbeiten, der dieses indianische Erbe in sich trägt. Er setzte sich also an seinen Computer und suchte bei Google unter "Native American Musician". John Two-Hawkes war eines der ersten Suchergebnisse. Tuomas nahm also Kontakt mit ihm auf und fragte ihn, ob er für dieses Projekt nach Finnland kommen würde. John war sofort dafür, kam für ein paar Tage hierher und nahm die Flöte und seine Vocals auf. Leider hab ich aber keine Ahnung, was er da genau erzählt (lacht).

Klingt jedenfalls, als hätte die Arbeit mit ihm wirklich Spaß gemacht?

Um ehrlich zu sein, ich habe ihn nur einmal ganz kurz getroffen. Das war als ich mit meiner zweiten Band TAROT einen Auftritt in Helsinki hatte und die Jungs mich nach ihrer Studiosession kurz Backstage besuchten. Sehr schade eigentlich, John Two-Hawkes ist ein sehr interessanter Mann, ich hätte gerne mehr Zeit mit ihm verbracht.

Ihr habt ja nach "Lappi" (zu finden auf dem Debütalbum "Angels Fall First", Anm.) diesmal mit "Kuolema Tekee Taiteilijan" wieder einen Song komplett in finnischer Sprache aufgenommen...

Tuomas hat diesen Song geschrieben und ich denke, er hat finnische Lyrics verwendet, weil er ganz einfach stolz auf diese Sprache ist. Für Finnen ist diese Nummer etwas Besonderes, weil sie eben in der eigenen Sprache ist und für den Rest der Welt ist "Kuolema Tekee Taiteilijan" einfach eine exotische Angelegenheit. Der Song ist für mich eine wunderschöne Ballade mit tollem Orchester und einem sehr schönen Chello-Solo. Sicher eine Bereicherung für "Once".

Im Vorfeld zu Eurem neuen Album gibt es ja schon heiße Diskussionen über die "neuen" NIGHTWISH. Wie siehst Du das?

Das ist ein altes Problem. Wenn Du in der Öffentlichkeit stehst, kommt es immer wieder vor, daß es eine Menge Leute gibt, die ihr Maul weit aufreißen, und Deine Arbeit kommentieren, bevor sie überhaupt noch wissen, worum es geht. Sie haben Angst vor jeder kleinen Veränderung. Leute haben gewisse Vorstellungen davon, wie Dinge sein sollten und fürchten sich davor, daß es am Ende anders sein könnte. So wie wenn Du Schokolade ist, die plötzlich nach Orangen schmeckt oder so. Aber ich glaube nicht, daß wir mit "Once" zu weit gegangen sind. Klar gibt es Veränderungen auf diesem Album, wenn man es mit den früheren CD´s vergleicht. Aber man erkennt in jedem Song ganz klar, daß es ein NIGHTWISH-Song ist. Wenn sich die Leute vor neuen Dingen fürchten - laß sie! Wir wären Idioten, wenn wir das gleiche Zeug immer wieder und wieder tun würden, nur um andere zufriedenzustellen. Wir sind sehr stolz auf "Once". Leute sollten sich diese CD einfach mal unvoreingenommen anhören und dann entscheiden, ob sie es mögen oder nicht. Das ist NIGHTWISH, wir sind wie wir sind.

Ihr habt für Eure Single "Nemo" auch ein Video produziert. War das stressig?

Das war eigentlich gar nicht so schlimm. Für uns als Band hat es dank des professionellen Teams, das uns zur Seite stand nur einen Tag in Anspruch genommen. Die Kollegen dort hatten eine Menge Arbeit mit dem Aufbau der Kulissen, der Scheinwerfer und der Schinen für die Kameras. Normalerweise sind immer mehrere Takes nötig, bis alles im Kasten ist, doch das Team hatte ein derart hohes Level an Professonalität, daß wir eine Einstellung machten, dann gab es Umbaupause fürs Team und Kaffee und Kekse für uns, dann wieder eine Einstellung und so weiter. War eigentlich sogar sehr entspannend.

Nun sind wir natürlich alle sehr gespannt, wie das neue Album live präsentiert wird. Auf Eurer Tour werdet Ihr am 25.10.2004 auch wieder nach Österreich kommen. Du warst ja mit NIGHTWISH schon zwei mal in Österreich. Hast Du daran noch Erinnerungen?

Ja, das letzte Mal waren wir 2002 bei diesem Festival...

Das Metalfest 2002 in Wien...

Ja, richtig! Es war leider nur ein kurzer Aufenthalt und wir mußten gleich anschließend an die tausend Kilometer mit dem Bus zurücklegen. Leider haben wir darum nicht viel von der Stadt gesehen. Aber ich erinnere mich, daß Vollmond war und das Publikum ziemlich gut drauf war. War ein bißchen wie "Magic In The Air". Das war eine gute Show damals. 2000 waren wir auch mal in Wien. Das war recht nett, da hatten wir nämlich einen ganzen Tag Zeit für uns. Ihr habt ein paar nette Bierlokale da, sehr gastfreundlich (lacht).

Österreichische Metalbands haben es ziemlich schwer, bekannt zu werden. In Finnland dagegen gibt es ja eine recht beeindruckende Szene mit einer Menge international bekannter Bands. Was glaubst Du, ist der Grund dafür, daß es in Finnland so toll läuft?

Da spielt sicher Glück eine große Rolle. Aber hauptsächlich liegt es an der grundsätzlichen Einstellung. Die Szene ist gewachsen und war hartnäckig. Ich erinnere mich, als ich in den Achzigern begonnen habe in Metalbands zu spielen, gab es keine Metalszene in Finnland. Es gab ein paar Bands in Garagen und das war´s. Und die wenigen die es gab, wußten nicht mal richtig, was Metal überhaupt ist, obwohl sie natürlich Bands wie JUDAS PRIEST rauf und runter hörten. Wir Jungen haben uns dann zusammengetan, um das zu ändern. Und binnen kurzer Zeit sind daraus ein paar sehr gute Bands entstanden. Und die haben es dann wieder den Jüngeren gezeigt und so weiter. Wenn man bedenkt, daß Finnland so um die fünf Millionen Einwohner hat, ist es fast schon ein Wunder, daß sich die Szene so toll entwickelt hat. Speziell in den letzten fünf Jahren sind viele tolle Bands entstanden. OK, es gibt auch beschissene Bands, aber dadurch werden die richtig guten Bands noch besser (lacht). Also grundsätzlich liegt es an der sprichwörtlichen finnischen Hartnäckigkeit, und wir sind stolz auf das, was wir hier erreicht haben.

Mit Recht, finde ich! Ich danke Dir vielmals für das Gespräch und viel Erfolg weiterhin!

Wir sehen uns in Wien, bis dann!


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