Interview: Die Apokalyptischen Reiter - Volk-Man

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Wir hatten ursprünglich nicht geplant, daß 'Samurai' so ein hartes Album wird...

Der Bassist der APOKALYPTISCHEN REITER erzählt über rebellische Gefühle, große Haie und warum "Samurai" das beste REITER-Album bisher ist.

Text: metfrog
Veröffentlicht am 09.01.2005

Herbst 2004. Mit ihrem neuesten Album "Samurai" sind die APOKALYPTISCHEN REITER gerade in aller Munde. Nach einigen terminlichen Kollisionen schafften wir es schlußendlich doch noch, die vielbeschäftigeten APOKALYPTISCHEN REITER ans Telefon zu bekommen...

Hallo Volk-Man! Schön, daß es doch noch geklappt hat...

Ja tatsächlich! Es ist ein bißchen hektisch hier momentan...

Kein Problem. Fangen wir am besten am Anfang an: mich würde interessieren, wie Ihr damals auf Euren Bandnamen gekommen seid?

Fuchs hatte sich das damals einfallen lassen. Die Idee dahinter war einfach, etwas zu finden, was unserem Lebensgefühl entsprochen hat. Damals hatten wir das Gefühl der Rebellion. Einfach auszubrechen und die Welt, wie sie ist, nicht so einfach hinzunehmen. Da war der Gedanke des Zerstörerischen, der Untergang der Welt einfach, und daß wir alle irgendwie darauf zusteuerten. Wenn man Teenager ist, hat man da so ganz bestimmte Gefühle, die man irgendwie auf diese Art dann auch zu analysieren versucht.

Die "Vier Reiter der Apokalypse" sind ja gewissermaßen ein sehr biblischer Begriff. Wie tiefschürfend seht Ihr das?

Wir haben das natürlich in der Bibel alles nachgelesen, und das Wissen um die Apokalypse ist in unserem Religionskreis sehr präsent. Aber natürlich sehen wir den Bandnamen weniger religiös an, weil ja auch die Texte nicht wirklich religiös sind...

Ihr seid ja jetzt schon gut 10 Jahre im Geschäft. Wenn Du eine kurze Retrospetive ziehst, was denkst Du, waren die Highlights und Tiefpunkte bisher?

Also ich kann nur sagen, so gut wie´s momentan läuft, lief es eigentlich noch nie. Darum ist eigentlich jeder Tag so ein bißchen wie eine Steigerung für uns. Diese konstante Steigerung, daß laufend so viele Leute zu unseren Shows kommen, ist erst seit etwa einenhalb Jahren der Fall. Trotzdem: schlecht lief es eigentlich nie wirklich, weil wir den Spaß innerhalb der Band von Anfang an hatten. Das haben wir uns auch erhalten. Wir genießen diese Freiheiten aber auch total, weil zu früheren DDR Zeiten wäre so etwas für uns auch gar nicht möglich gewesen. Wir waren auch keine Profimusiker, sondern wir haben uns gefunden und haben uns gemeinsam zu dem entwickelt, was wir heute sind.

Gibt es Momente, die Du im Nachhinein betrachtet lieber anders gemacht hättest?

Ich glaube nicht. Ich denke, man muß eingeschlagene Wege einfach konsequent gehen. Klar, rückblickend gesehen hätte man vielleicht Verträge besser prüfen können oder so. Aber darauf kommt es gar nicht an, denn es hat uns eigentlich nichts zu sehr geschadet. Und am Ende ist es auch ein gutes Training, denn je länger man im Geschäft ist, desto größer sind dann auch die Haie, die um einen rum sind. Man kann da einfach nicht genug wissen, was man tun oder lassen sollte, weil die Fallstricke sind sehr vielfältig. So versuchen wir auch, die Kontrolle möglichst selbst zu behalten. Wir brauchen auch kein Management, das machen wir alles selbst. Wir organisieren auch unsere Touren alle selbst. Das Problem ist ja: auf der einen Seite steht der Künstler und auf der anderen Seite der Kunde, also der Fan, der die Musik genießen möchte. Und dazwischen ist eine unendlich lange Kette an Personen, die versuchen, diese Musik noch irgendwie zu verwerten und auszuschlachten. Unheimlich viele Leute also, die da noch mitverdienen. Viele Band scheitern einfach daran, daß in der Mitte dann irgendwo kein Geld mehr hängen bleibt. Gerade heutzutage ist das besonders schwierig.

Zu Eurem neuen Album "Samurai": wenn man die CD so durchhört, kann man keinen direkten Bezug zum Wort "Samurai" erkennen. Wie ist denn der Titel entstanden?

Es war ein sehr schwieriger Prozess, einen Titel zu finden und wir haben das auch sehr lange vor uns her geschoben. Wir haben eine alte Tradition, mit der wir nicht brechen wollten: wir mögen es nicht, einen "Titelsong" zu haben. Das hat ganz einfach den Grund, daß es - ganz Reiter-typisch - keinen Song gibt, der hunderprozentig für die ganze Platte steht. Würden wir das machen, wär die Platte 40 Minuten lang und hätte nur einen einzigen Song (lacht). Das Wort "Samurai" hat für uns einfach eine ganz eigene Faszination und der Name hat auch einen schönen Klang, finde ich. Klar hätte man auch irgendeinen kryptischen, langen Titel nehmen können, der irgendetwas beschreibt, aber es sollte ja auch gut ins Ohr gehen und hängenbleiben. Wir sehen in "Samurai" eine gewisse Parallele zu unserem Leben. Einerseits ein Kämpfer, der durchs Leben zieht und der die Lasten, die ihm aufgebürdet werden, mit Würde trägt. Zum Anderen ist ein Samurai auch einer, der sich dem leichten Leben hingibt, der Kunst und Theater mag, der einfach die schönen Seiten des Lebens liebt und aber trotzdem die Einheit dieser beiden Persönlichkeiten auslebt. Der Name "Samurai" stand irgendwie im Raum und wir sagten "Klar, warum nicht?"

Erzähl´ doch bitte ein bißchen was über die Songs von "Samurai"...

Da haben wir zum Beispiel "Die Sonne scheint", ein Song, den ich mit Fuchs gemeinsam geschrieben habe. Da ging´s uns ziemlich gut! Ich war letzten Sommer mal auf ´ner Feier mit ein paar Freunden. Mir ging´s total gut und ich nahm eine Gitarre in die Hand und da war der Song! Fuchs hatte parallel dazu ein Erlebnis in Portugal, wo er wohl auch so ´nen "Sunny Day" hatte. Im Proberaum floß das dann irgendwie so zusammen. Oder bei den "Reitermaniacs" hab ich das Riff geschrieben. Das war irgendwie so ein Statement von unserer Seite: wir haben gerade von der Presse viel gutes Feedback erhalten, aber trotzdem haben wir manchmal das Gefühl, daß uns die Leute trotzdem nicht so richtig verstehen oder uns nicht zuhören wollen, weil sie uns als irgend etwas Fremdartiges sehen, was sie nicht so richtig einordnen können. Doch unsere Fans haben uns von Anfang an immer super unterstützt und für tolle Stimmung auf den Festivals gesorgt. Dadurch haben unsere Fans dafür gesorgt, daß die Presse mal auf uns schaut. Hätten wir von den Leuten kein Feedback bekommen, hätte man uns einfach übersehen. Wir machen einfach etwas ganz anderes als alle anderen Bands, das muß man vielleicht auch gar nicht einsortieren. Wir haben Black Metal Songs auf der Platte und wir haben Reggae Songs auf der Platte, das kann man normalerweise gar nicht kombinieren. Das wollten wir mit dem Song mal wirklich ehren. Die "Reitermaniacs" sind ja unser Fanclub, mit denen wir auch immer wieder Fanclubtreffen im Wald veranstalten, wo wir dann so richtig Party machen. Es ist total wichtig, daß wir zwischen Band und Fans nicht so viel Distanz haben. Das strikte Trennen von "Ich bin da oben und ihr seid da unten", das mochte ich noch nie. Gerade der Text von "Reitermaniacs" ist natürlich sehr pathetisch, und das ist aber unser kleines Dankeschön an die Fans.

Hast Du auf "Samurai" eigentlich einen speziellen Lieblingssong?

Ein Fave Track ist für mich auf jeden Fall "Silence Of Sorrow", für mich einfach so ein wildes Stück, das unheimlich emotional abgeht. Dann finde ich "Barmherzigkeit" unheimlich kräftig, weil der Text ist für mich der Text der Platte. Dadurch, daß Fuchs die Texte schreibt, bin ich natürlich immer sowas wie ein kritischer Beobachter, was mein Frontmann da so textet. Und das ist halt irgendwie der Text, der auch mein Lebensgefühl sehr stark ausdrückt. Den finden übrigens alle in der Band so stark, daß wir den sicher ins neue Liveprogramm aufnehmen werden. Einen ganz besonderen Bezug hab ich auch zum letzten Track, zu "Northern Lights". Der war ursprünglich gar nicht geplant und ist vollkommen im Studio entstanden. Ich bin erst eine Woche nach den anderen ins Studio gekommen, weil ich an der Uni noch Prüfungen hatte und da hatten die plötzlich noch ´nen ruhigen Song gemacht. Und ich dachte am Anfang noch, naja, der ist aber schon sehr ruhig. Aber am Ende ist das ein ganz guter Kontrast zum restlichen Material, das schon eine sehr fette, kräftige Metalproduktion geworden ist. Wir haben uns ja ursprünglich nicht in den Proberaum gestellt und haben gesagt, "Laßt uns das härteste Album aller Zeiten machen", das hatten wir ja überhaupt nicht vor. Unser Gefühl geht momentan eher in die Richtung vielschichtig sein, neue Sachen ausprobieren, Spaß haben. Dinge machen, die wir früher auch einfach als Undergroundband nicht bezahlen konnten.

Wie liefen denn Eure Aufnahmen in Dänemark so? Ihr habt Euch ja dort sichtlich wohlgefühlt?

Ja, es war wirklich ein Traum. Wir hatten das ja gar nicht in der Form erwartet. Das Studio lag mitten in einem Naturschutzgebiet mit zwei Seen und zehn Kilometer bis zum Ostseestrand. War wirklich ein sehr entspanntes Arbeiten. Auch Tue Madsen, unser Produzent, arbeitete sehr konzentriert von zehn Uhr morgens bis um sechs am Abend. Danach haben wir noch Zeit gehabt, viel spazieren zu gehen, zu baden und Kulturausflüge zu machen. Das hatten wir noch nie, sonst haben wir immer nur gearbeitet bis spät, weil es draußen nur geschneit hat. Da kannst Du dann Deine eigenen Songs oft gar nicht mehr hören...

Und konntet Ihr dort auch gleich neue Kontakte knüpfen?

Ja, Tue hat am letzten Abend ins seinem Haus eine riesige nachträgliche Hochzeitparty gefeiert. Das war eine Mottoparty, man mußte entweder als Hure, als Zuhälter oder als Hippie kommen. Es war sehr grotesk, wir waren alle als Hippies verkleidet. War sehr spaßig. Und da waren dann auch sehr viele dänische Bands und Promoter da gewesen. War eine riesen Party mit open End bis am nächsten Tag. Irgendwann sind dann alle in den riesigen Swimmingpool gefallen (lacht). Ja, und da haben wir dann halt die ganze Nacht mit ILLDISPOSED gesoffen, das hat eigentlich bis am nächsten Tag gedauert. Das Ergebnis ist, daß wir demnächst mal mit denen einen Auftritt haben werden, darauf freuen wir uns schon! Das wird ein Spaß!

A propos Spaß: letztens habt Ihr Euer allererstes Video überhaupt gedreht, für "Eruption". Hat´s Spaß gemacht?

Wir hatten teils Spaß, teils auch gar keinen Spaß. Wir dachten halt "Gut wir sind Musiker, stellen uns dahin und das war´s dann", und dann haben wir stundenlang immer wieder die gleichen Sachen wiederholt. Klar, wir wollten kein 08/15 Video machen, sondern eine kleine Story einbauen und die Umsetzung entpuppte sich als etwas schwierig, denn wir mußten auch schauspielen und alle Einstellungen aus verschiedenen Perspektiven tausendmal wiederholen. Es war sehr heiß und stressig, aber an sich war´s schon eine spaßige Veranstaltung.

Zurück zum Musikalischen: ihr vermischt auf Euren Alben ja sämtliche erdenkliche Stile und Themen. Gibt es Deiner Ansicht nach trotzdem sowas wie einen roten Faden, der sich durch Eure Musik zieht?

Ufff.... tja, zum einen natürlich persönliche Enttäuschungen, zum Glück in letzter Zeit nicht mehr ganz so schlimm, wie am Anfang. Ich würde sagen, musikalisch gesehen gibt es eine gewisse Affinität zu epischen Momenten, auch wenn sie nicht ganz so vertrackt arrangiert sind. Wir versuchen halt immer wieder Gefühle zu erzeugen, weil wir selbst schon Fans von bombastischer Musik sind. Nach Möglichkeit sollten unsere Songs halt immer wieder so einprägsame und ein bisschen heroische Refrains haben.

Ihr spielt ja glaube ich auch gerne mit verschiedenen Sprachen?

Ja schon, wobei wir diesemal sehr bescheiden waren, und nur auf deutsch und englisch gesungen haben. Einen Songtitel ("Per Aspera Ad Astra", Anm.) haben wir in Latein. Auf der letzten Platte hatten wir noch Spanisch dabei und auf der Platte davor hatten wir noch finnisch und russisch in einem Refrain dabei. Viele Leute fragen immer "Warum singt ihr dieses Lied auf englisch und jenes Lied auf deutsch?", ich glaube das ist einfach ein inneres Gefühl, das man hat. Manche Dinge kann man irgendwie nur auf deutsch ausdrücken, weil man sie nie und nimmer auf englisch hinbekommt und bei manchen Sachen ist es andersrum.

Betreffend Spanisch: kann irgendjemand spanisch von Euch?

Mittlerweile kann ich es! Damals war es so, daß wir bei der Generalprobe zu dem Song die Posaunen- und Trompetenspieler und den Musiker, der die Flamenco Gitrarre spielte, eingeladen hatten. Wir spielten den Song und Fuchs sang auf englisch, bis dieser Gitarrist meinte: "Sing das doch auf spanisch, das ist viel authentischer!" Da meinte dann unser neuer Gitarrist, daß seine Frau eine Freundin hätte, die mal in Spanien gewesen ist. Wir fragten sie und sie sprach uns diesen Text zwei Tage vor den Aufnahmen in Spanisch in den Computer und schickte uns das. Das war gut, denn wir hatten sonst gar keine Ahnung, wie das richtig geklungen hätte. Der Fuchs hat sich dann zwei Tage ununterbrochen diesen Song angehört, bis wir alle lauthals mitsingen konnten (lacht).

Ein weiterer besonderer Aspekt Eurer Lieder sind die teilweise recht exotischen Instrumente. Wer ist den von Euch so experimentierfreudig und beherrscht diese Instrumente?

Naja, die meisten Instrumente sind leider nicht ganz so echt. Es sind meist synthetische Sounds. Es ist halt so, daß unser Keyboarder ein ausgebildeter Pianist ist, der auch sehr schwierige Sachen spielen kann, was die Sache umso authentischer macht. Die Technik ist heutzutage schon so weit fortgeschritten, daß man hochwertige Sounds generieren kann, die sich vom Original kaum mehr unterscheiden. Trotzdem haben wir alle so ein Faible, gewisse Sounds auszuprobieren, die die Stimmung von so einem Song unheimlich prägen können. Die ganzen elektronischen Sounds, die man auf "Samurai" hört, sind komplett von unserem Schlagzeuger, der so ein richtiger Soundtüftler ist. Sowas haben wir zum ersten Mal überhaupt auf einer Platte eingesetzt, das war eine ganz neue Erfahrung.

Schlußfrage: mit welchen Album bist Du persönlich im Nachhinein betrachtet am meisten zufrieden?

Es ist natürlich so, daß einem die Fehler immer erst hinterher auffallen. Aber es ist natürlich schon so, daß ich mit dem letzten Album "Samurai" am allermeisten zufrieden bin. Auch von mir selber, vom Bassound bin ich zum ersten Mal hundertprozentig zufrieden. Da hab ich früher schon immer den Eindruck gehabt, daß ich es eigentlich lieber anders, besser gehabt hätte.

Dann danke ich Dir für das nette Gespräch und freu mich schon, Euch im März in Österreich live zu sehen! Bis dann!


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