Interview: THE HELLFREAKS - Shakey Sue

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In deinen Zwanzigern bist du noch jung und machst dir keinen Kopf darüber, aber irgendwann wird dir bewusst, dass die Zeit nicht nur für dich selbst abläuft, sondern für deine Geliebten auch. Also…ist halt wieder so ein Happy-Song!

Shakey Sue über das neue Album "Pitch Black Sunset", den Erfolg und die Rolle des Zufalls auf dem Weg dorthin!

Veröffentlicht am 14.04.2023

Von einer kleinen, ungarischen Undergroundband, die für ihre Promo noch höchstpersönlich die digitalen Presseklinken putzte, zu einem namhaften Player unter der Flagge von Napalm Records – die Geschichte der HELLFREAKS aus Budapest ist eine Erfolgsstory. Doch Erfolg kommt nicht über Nacht und nicht von alleine – Sängerin Shakey Sue nahm sich die Zeit, mit uns über das neue Album "Pitch Black Sunset" und den langen Weg vom Psychobilly früher Tage zur musikalischen Wundertüte, die wir heute kennen, zu schwatzen. Wie sich die Welt für die Band geändert hat und welche Rolle König Zufall dabei gespielt hat, erfahrt ihr hier in unserem Interview!

Hi Sue! …müde?

[atmet durch] Ich hatte jetzt ein paar schwierige Interviews [lacht]

…und dann kommt der Endgegner am Schluss – bin ich der Letzte?

Ja, für heute, aber nicht für die Woche!

Glückwunsch zu eurem Deal mit Napalm Records! Ich erinnere mich noch daran, dass ihr eure Promo selbst gemacht habt – wie habt ihr diesen Fisch an Land gezogen?

[überlegt]…so halbwegs aus Zufall! Beim letzten Album waren wir bei Sunny Bastards, aber das war bei weitem nicht so groß wie Napalm Records und bis dahin haben wir, was die Promo angeht, immer alles selbst gemacht. Dann wurde uns bewusst, dass wir herausfinden müssen, was der nächste Schritt für die Band ist – entweder ein viel größeres Label oder eben ganz independent. Und wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass wir eigentlich sehr, sehr gerne zu einem größeren Label wechseln und sehen wollen, wie das ist. Ich wollte besonders gerne zu Napalm Records, weil da viele Bands sind, die ich selber sehr mag. Aber es funktioniert ja nicht so, dass man sich das einfach so ausdenkt und dann passiert das auch so – gerade in der Musikindustrie passiert eigentlich nie etwas, wie man es plant…

…auch in der Industrie ohne Musik…

Naja, ich habe auch einen ganz normalen Job und ich glaube, da passieren die Dinge doch ein wenig mehr so, wie man es plant.

[Notiz für den Interviewenden: vielleicht sollte ich die Branche wechseln #lordsofchaos]

Auf jeden Fall sind wir durch Zufall bei einem echt tollen Management gelandet, das auch mit JINJER zusammenarbeitet – die ja seit etlichen Jahren bei Napalm Records sind. Und was halt wirklich die Hürde bei so großen Labels ist, ist es, irgendwie gehört zu werden. Die werden ja jeden Tag mit Songs und Demos überschwemmt und es ist wirklich verdammt schwierig, diese paar Minuten zu bekommen und einfach mal gehört zu werden. Aber dank dieses neuen Managements war es für uns einfacher, unsere neuen Songs zu zeigen. Damals hatten wir "Old Tomorrows" schon geschrieben und aufgenommen – das konnten wir dem Label zeigen und sie haben gleich gesagt: "cool, wollen wir!" Darauf wir: "cool, wollen wir auch" – dann hat's gepasst.

Das ist großartig, manchmal braucht man halt einen Fürsprecher.

Ja, aber es war wirklich ein Zufall – auch die Geschichte, wie wir zu diesem Management gekommen sind. Tatsächlich kann man nie wissen, was dich deinem Ziel näher bringt.

Genau genommen kenne ich auch euch nur aus Zufall und es hatte wahrhaftig damit zu tun, dass ihr damals eure Promo selbst gemacht habt. Ich unterstütze solche Bands immer gerne und habe zunächst versucht, euch irgendwie im Team zu vermitteln. Und nachdem das nicht geklappt hat, hatte ich nach einem langen Urlaubstag mit Zockerei am Abend spontan entschlossen, mal selbst reinzuhören. Habe dann "God On The Run" aufgelegt und gedacht "Moment mal…" – Laptop gekrallt, Album dreimal durchgehört und das Review reingekloppt…ist wirklich so passiert…

[nach längerem Lachen] Ich sage es ja – es ist immer schwierig, das erste Mal gehört zu werden…und danach geht's ja.

Es ist wirklich so, auch bei uns mit den Promo-Einsendungen – da kommt einfach mehr, als man hören, geschweige denn besprechen kann.

Ja, aber ich glaube, selbst, wenn wir jetzt nicht unbedingt über die Musik-Industrie sprechen, sondern über die Musik-Hörer: Wenn du mal auf Spotify gehst, wirst du jeden Tag mit neuen Bands und Singles zugeschmissen. Es gibt echt so viel und auch so viel Gutes by the way, da geht einfach wahnsinnig viel unter, das kann ich verstehen. Das hat sich mit dem Streaming dermaßen geändert: Es ist nicht mehr so wie damals…dass man Geld gespart und sich ein Album gekauft hat, das man sich dann anhört – egal, ob es gut ist oder nicht [lacht]…weil du es dir halt gekauft hast.

Ja, da ist was dran, irgendwann ist man auch einfach "fed up" mit neuer Musik – ich schreibe auch heute keine 100 Kritiken mehr pro Jahr. Aber zu eurer neuen Platte: Auch wenn sie grundsätzlich vertraut klingt, waren doch wieder einige Überraschungen mit dabei. Daher zuerst mal die Frage: Was hast du bzw. was habt ihr eigentlich für einen Musikgeschmack?

Öh…puh…öh…[lacht] ich würde sagen, wir vier hören ziemlich unterschiedliche Musik, doch alles irgendwie aus dem Rock-Genre…[eine Katze entert den Schreibtisch] Entschuldigung, meine Katze will mich…

…das kommt vor…

…mal gucken, ob sie hier bleibt. Also ich persönlich höre viel Punk, Hardcore und Metal, in der letzten Zeit auch etwas mehr Modern Metal. Aber das ändert sich immer, ich höre auch gerne etwas poppigere Sachen wie YUNGBLUD und K.FLAY.

Bei den Jungs würdest du auch Dinge wie Jazz hören, gerade unser Gitarrist ist extrem open minded, was Musikgenres angeht – er kann tatsächlich in fast jedem Genre etwas Interessantes finden. Unser Bassist Gabi, der sozusagen unser "Head of Songwriting" ist, geht musikalisch und in Sachen Attitüde mehr in Richtung Punk…[überlegt kurz und resümiert schnell und trocken] also ja…wir hör'n jeden Scheiß!

…das merkt man!

Ja, aber jetzt komm, sag mir doch: Ist es nicht total normal, dass jeder, der nicht mehr achtzehn ist, immer mehr und verschiedene Musikgenres hört?! Ich glaube, das erweitert sich mit den Jahren…

Das stimmt schon – bei uns im Boxclub hat mal jemand gesagt "ich feier' deine Playlist! Das klingt, als hätten ein Hardcore-Metaller, ein alter, fetter Rocker und ein zwölfjähriges Mädchen sie zusammengestellt", worauf ich antwortete: "Steht alles in Personalunion vor dir!"

[lacht] Ich glaube, das haut bei uns auch irgendwie hin!

Ich selbst habe ja auch mit Punk Rock angefangen und bin dann über Hardcore und Heavy Metal schließlich bis in den extremen Metal-Bereich hineingewachsen.

Ja, bei mir war es auch so. Als ich Teenager war, ging es zuerst mit der Punk-Musik los und wenn du damit anfängst, dann hörst du zuerst nur Punk-Musik und alles andere ist scheiße. Danach ging bei mir dasselbe mit Hardcore los – dann war nur Hardcore cool, nur Oldschool-Hardcore und alles andere war scheiße. Dann dasselbe mit Psychobilly, Rockabilly, Metal und irgendwann denkt man sich: "eigentlich mag ich ja alles davon"

…und dann packt man wieder die alten Platten aus…

…und feiert das total, wenn man Bands findet, die auch damit aufgewachsen sind und die Stile vermischen.

Es ist heute auch schwierig, noch etwas Neues zu schaffen, deshalb finde ich diesen open-minded-Ansatz sehr interessant.

Ich glaube, das ist auch ein Muss. Beim Psychobilly bspw., einem kleinen Genre, war es damals so, dass es gar nicht ging, wenn man ein bisschen damit angefangen hat, den Stil mit etwas anderem zu mischen. Dafür waren die überhaupt nicht offen.

Dann kommen die Gatekeeper, wie im Black Metal…

Genau, in dem Genre war man damals sehr streng und das hat dazu geführt, dass wir das ändern wollten. Wir wollten ein wenig herumexperimentieren und die waren dafür überhaupt nicht offen – also haben wir aufgehört, Psychobilly zu machen. Es ist ja unsere Band und wir können damit tun, was wir wollen. So ging es dann bei uns auch los – was wir heute machen, war ja ein langer Weg. Und im Metal finde ich es super, dass es erstens unglaublich viele verschiedene Genres gibt und zweitens, dass die Leute viel offener sind, wenn man damit rumexperimentiert…weil es so viele Genres gibt – und das finde ich halt saugeil.

Das stimmt, abgesehen mal von den besagten Gatekeeper-Jungs. Aber Metal ist ein gutes Stichwort – mir sind insbesondere die Growls auf "Pitch Black Sunset" aufgefallen – performst du die alle selbst?

Ja klar! Im Sommer haben wir etliche Musikvideos gedreht und einen Dreh hatte ein Kumpel gemacht, der früher Gitarrist in der Band war. Wir hatten ihm einen neuen Song gezeigt und er hat dazu gesagt "hey cool, diese Growls! Die macht doch Jozzy, oder?" Ich war so angepisst – [faucht] "nein, das mach ich!" Und ich hab den Scheiß fast vier Jahre gelernt, bis ich das endlich hinbekommen hab [lacht]. Also ja, das bin ich! Ich gehe seit etwa sechs Jahren zu Vocal Coaches und halte immer Ausschau, was ich noch Neues lernen kann und gerade das Thema Screaming interessiert mich schon ziemlich lange [im Hintergrund screamt passenderweise gerade eine der Katzen]. Tatsächlich habe ich damit vor gut vier Jahren angefangen und es hat sehr lange gedauert, bis ich es so beherrschen konnte, das ich gesagt habe: "jetzt können wir es in einen Song einbauen". Aber es macht wahnsinnig viel Spaß, ich liebe es. Ich finde es wirklich schön und befreiend, dass man damit so ehrlich Gefühle zeigen kann. Ich hoffe, dass ich das in Zukunft öfter einbauen kann, aber ich denke nicht, dass es bei THE HELLFREAKS mal einen Song geben wird, in dem es nur Growls gibt…das wäre dann auch nicht so meine Linie.

Also kein HEAVEN SHALL BURN Cover?

Ne ne…

Lustig wäre es ja schon…"Chaos" erinnert mich stellenweise total an SLIPKNOT…

Echt [lacht]? "Chaos" war der letzte Song, den wir fürs Album geschrieben haben und da wir schon alles auf dem Album hatten, was wir Songwriting-mäßig machen wollten, wollten wir noch ein bisschen die Sau rauslassen…und dann wurde es dieses Hardcore-Ding.

Warum auch nicht? Vor allen Dingen ist es sehr kontrastreich, wenn man sich zum Vergleich "Weeping Willow" anhört.

Ich kann es kaum erwarten, dass dieser Song released wird [Anm. d. Interviewenden: Das Interview wurde vor dem Release der Single geführt]! Genau deswegen wollten wir es so machen, dass zuerst "Chaos" released wird und danach "Weeping Willow" – weil das die zwei verschiedensten Seiten der Band sind. Ich würde sagen, "Chaos" ist der Lieblingssong der Jungs – und für mich ist es "Weeping Willow" und wie gesagt kann ich es kaum erwarten! Das Video ist das komplexeste und der Dreh war beschissen…ein sehr schwieriger Dreh.

Solange das Ergebnis stimmt! Du hast vorhin Gefühle angesprochen – was mir bei meinem Spontanreview zu "God On The Run" total untergegangen ist, sind der Schwermut und die tiefe Trauer in deinen Texten. Wie entstehen diese Lyrics?

Ich glaube, das kommt daher, dass ich echt schlecht darin bin, übers Glücklichsein zu schreiben. Schon das ist ein Problem: Im Sommer, wenn es mir super geht, kann ich keine Texte schreiben. Wenn es Winter und dunkel und kalt ist, ich eingesperrt bin und alles scheiße ist, dann schreibe ich die besten Texte ever. Das war bei mir schon immer so und außerdem war es für mich schon immer das Größte, wenn jemand mir schreibt, dass er gerade eine schwere Zeit durchmacht und dass ihm diese Worte sehr geholfen haben.

Und ich nehme an, die Texte haben für dich einen persönlichen Hintergrund?

Ja, alle Texte haben einen persönlichen Hintergrund. Ich kann nicht über andere schreiben – das wäre nicht mehr ehrlich. Ich schreibe tatsächlich nur über Dinge, die mich beschäftigen und die in meinem Kopf herumschwirren, oder um meine Lasten…

Wie hieß es nochmal bei "How I Met Your Mother" – jeder trägt seinen Ballast?

[lacht]

Blöde Vergleiche…wie meine Reviews…

Nein, die sind toll! Und außerdem mag ich blöde Vergleiche [Anm. d. Interviewenden: puh, Schwein gehabt]…und ich mag "How I Met Your Mother"!

Eine gute Einstellung! "Old Tomorrows" und "Hit Me Where It Hurts" hast du ja schon an anderer Stelle erklärt und beide Songs haben einen positiven Twist – aber "Weeping Willow" klingt nahezu depressiv, wie das Gegenteil der genannten Songs am Anfang des Albums – wie kann man das verstehen?

Es ist, wie du gerade gesagt hast. Egal, wie dunkel die Texte sind – ich versuche immer, sie am Ende mit etwas Licht zu würzen. Bei "Weeping Willow" ist das eben nicht so und das war auch so gewollt. Der Song handelt von Depressionen und das ist ja genau so ein Gefühl, bei dem du tatsächlich glaubst, dass es keine Hoffnung, kein Licht und keinen Ausweg gibt. Deswegen wollte ich es auch dabei belassen – darum geht es ja, deswegen ist es so schwierig.

Depressionen sind also für dich ein Thema?

Es war in meinem Leben immer ein Thema – nicht unbedingt, weil ich selbst darunter gelitten habe, aber jemand aus meiner Familie und das hatte schon in meiner Kindheit eine starke Auswirkung auf mein Leben. Ich glaube, ich kann es dadurch selber besser bei mir behandeln und zum Glück spricht man heute schon sehr viel über Depressionen, aber es wird noch sehr wenig darüber geredet, wie sich Depressionen auf eine Familie auswirken – das ist nämlich extrem belastend und es geht nicht spurlos an einem vorbei.

Ich weiß, was du meinst – ich habe selbst nun keine Depressionen in der Familie, dafür aber andere Themen, dieselbe Scheiße in grün. Wenn man sieht, dass man jemandem nicht helfen kann, ist es schon ein hartes Brett, genau wie bei Depressionen. Aber man lernt dadurch, mit diesen Themen anders umzugehen.

Erst recht als Kind. Wenn sowas in der Familie ist, steht man als Kind immer an zweiter Stelle und wenn man mit sowas aufwächst, hinterlässt das Spuren. Aber wie du schon gesagt hast, kann man diese Dinge später viel bewusster angehen.

Das ist richtig. "Rootless Soul Riot" fand ich auch sehr interessant – ist das dein persönlicher Background in Bezug auf deine bisherigen Wohnorte?

[Erheitert] Du bist so klug, endlich strahlt's jemand! Ich glaube, die wichtigste Line des Texts ist für mich persönlich "too western for the east, too eastern for the west" – das beschreibt genau, wie ich aufgewachsen bin und wie ich mich fühle…oder generell, wie sich viele hier fühlen. Du weißt es ja: Ich bin in Wien aufgewachsen und als ich zehn Jahre alt wurde, sind wir zurück – d.h. für meine Eltern war es ein zurück und für mich ein hin – nach Ungarn gezogen. Ich liebe zwar Budapest und ich liebe meine Familie und Freunde, aber ich habe bis heute das Gefühl, dass ich, was die Mentalität angeht, nicht unbedingt hier her passe. Wahrscheinlich auch, weil ich eben nicht hier aufgewachsen bin. Es gibt sehr große Unterschiede bei einfachen Sachen wie Humor oder wie ich auf die Dinge blicke.

Aber dann gibt es die andere Seite: Ich wohnte auch für ein paar Jahre in Berlin und jedes einzelne Mal, wenn sich herausgestellt hat, dass ich aus Ungarn komme, habe ich sofort diesen Osteuropäer-Stempel gefühlt. Und wir sprechen von Berlin – Berlin, das ja so open minded ist wie gar nichts in Europa. Ich liebe Berlin, eine super tolle Stadt! Aber trotzdem habe ich immer diesen osteuropäischen Stempel gefühlt und dann hatte ich tatsächlich dieses Gefühl…für den Osten zu westlich und für den Westen zu östlich, passt irgendwie gar nicht.

Mir ist ehrlich gesagt scheißegal, wo jemand herkommt – warum kann man den Menschen nicht einfach für das beurteilen, was er ist?

Da stimme ich dir natürlich vollkommen zu, aber es ist nicht so, dass dieser osteuropäische Stempel bedeutet, dass man nicht willkommen ist. Es ist mehr so, dass man in der Sekunde fühlt, dass man über dich denkt, dass für dich weniger genug ist, weil du sowieso schon gewohnt bist, weniger zu haben. Das fühlt man und das ist sehr respektlos.

Muss man nicht verstehen…so, letzte Lyrics-Frage…du kannst mir ja über die Entfernung keine Ohrfeige geben, aber der Titelsong klingt für mich ein wenig nach Midlife-Crisis – ich dachte, die kriegen nur Männer?

[verwundert] "Pitch Black Sunset"?!

Ein bisschen…das Leben als Zugfahrt…die Station Half Time…

Es kommt darauf an, wie du es verstehst…

…offenbar falsch…

Beim "halb vorbei" geht es vielmehr darum…[denkt kurz nach, dann schnippisch] hättest du vielleicht mal die nächste Zeile gelesen! In dem Song geht es um meine Angst davor, dass meine Geliebten eines Tages sterben werden. Das ist ein Teil des Lebens, aber wir sind/unsere Kultur ist nicht darauf vorbereitet, dass wir die Menschen irgendwann verlieren. In deinen Zwanzigern bist du noch jung und machst dir keinen Kopf darüber, aber irgendwann wird dir bewusst, dass die Zeit nicht nur für dich selbst abläuft, sondern für deine Geliebten auch. Also…ist halt wieder so ein Happy-Song [lacht].

[ebenfalls lachend] Ich glaube, ich verstehe! Andere Frage: Was sagt mir euer Cover und habe ich eine Meise, wenn ich die ganze Zeit denke, jemand hätte dich beim Headbangen im Dunkeln abgelichtet?

[lacht laut] Also der Vergleich ist schon ziemlich geil, da wäre ich nicht drauf gekommen! Auf dem ganzen Album geht es um Gegensätze wie Vergangenheit und Zukunft, jüngere versus ältere Generation, Chaos und Ordnung, usw. Deshalb wollten wir ein Cover, was diese Gegensätze reflektiert und so kamen wir auf diese Sonnenblume im dunklen Raum. Das Cover selbst ist eigentlich durch einen absoluten Zufall entstanden, denn das Foto der Sonnenblume habe ich zufällig auf Instagram gefunden. Ich habe der Fotografin geschrieben und gedacht, dass sie mir wahrscheinlich nicht erlauben wird, das Foto zu benutzen, aber ich habe mir gedacht, wer nicht fragt…[kurze Pause]

…der nicht gewinnt.

Eben. Und dann hat sich herausgestellt, dass die eben [holt tief Luft] voll lieb war und sofort zugestimmt hat. Sie war selber begeistert, dass wir das Foto benutzen wollen. Es war perfekt so, wie es war. Wir haben es nur sehr wenig geändert und eigentlich nur den Background ein wenig dunkler gemacht, um diese Gegensätze besser zu reflektieren. Es war tatsächlich ein Zufall – normalerweise stressen wir uns monatelang, bis wir  irgendwie ein halbwegs normales Cover haben, das einigermaßen das Album reflektiert. Selbst bei "God On The Run" war die erste Idee, die wir bekommen haben, sowas von extremst nicht das, was wir uns vorgestellt hatten…so, dass wir uns gedacht haben, wir müssen ein Album rausbringen, das gar kein Cover hat. Und im letzten Moment hat uns der Grafiker einen Entwurf geschickt mit den Worten "Ja, das hab ich halt mal früher gemacht, vielleicht gefällt's euch" und wir darauf "Waaas?! Ja genau, das wollen wir!"

…die berühmten Zufälle – da gibt man sich monatelang Mühe und am Ende hat die Schlange doch zwei Schwänze! Aber nochmal zurück zu Napalm Records: welchen Support erfahrt ihr? Das ist doch jetzt sicherlich eine Umstellung – mehr Anfragen, mehr Interviews, …?

Es ist in vielerlei Hinsicht anders, ja. Zum einen ist es genauso, wie du gesagt hast: dass wir früher selber die Promo gemacht haben und das jetzt viel einfacher für uns ist, weil Napalm Records das für uns tut. Zum anderen habe ich jetzt einen Haufen Interviews, bei weitem mehr als früher. Einerseits bin ich mega happy, diese Möglichkeit zu haben, aber andererseits ist es wirklich nicht einfach, sich nach der Arbeit nochmal für drei Stunden an den Laptop zu setzen und Interviews zu beantworten. Aber ich habe schon so viel für die Band geopfert, dass jetzt die paar Nächte echt nicht zählen. Es ist auch dadurch anders, dass wir ein bisschen die Kontrolle dafür aus der Hand geben müssen, dass Napalm Records sein Ding machen kann. Und manchmal ist das recht schwierig – das Album "Pitch Black Sunset" ist bspw. schon seit Juni oder Juli fertig, aber es erscheint jetzt im April und das ist eine wahnsinnig lange Zeit für eine Band…zu warten, bis sie endlich die neuen Songs zeigen kann. Bis dahin sind es für uns ja schon fast die alten Songs und in der Hinsicht ist es schon ein wenig zermürbend. Was aber unglaublich cool ist, ist, dass unsere Musik schon alleine durch Napalm Records' YouTube-Channel zu viel mehr Leuten gelangt – und das ist es ja, was wir unbedingt wollten. Wir haben ja – erst recht, wenn man bedenkt, dass wir aus Ungarn kommen – wirklich viel mit unserer Band erreicht. Trotzdem hatten wir das Gefühl, dass wir aus eigener Energie nicht mehr erreichen können und dass es nicht weitergeht, wenn wir nicht den passenden Partner finden.

In dem Sinne sicherlich eine neue Erfahrung, aber bestimmt auch ein Türöffner, bspw. für Touren und Festivalgigs?

Ja, das stimmt, aber ich muss schon zugeben, dass es seit Covid viel schwieriger geworden ist. Ich versteh' das ja auch vollkommen, wenn die kleinen Clubs lieber Bands nehmen, die ganz sicher sold out machen, weil sie die letzten beiden Jahre wieder irgendwie ausgleichen müssen. Dazu kommt noch diese absolut wahnsinnige Inflation hier in Ungarn – unser Geld wird gegenüber dem Euro immer wertloser, d.h. für uns sind die Reisekosten im Moment unglaublich hoch, so hoch wie noch nie und das macht es generell sehr schwer, auf Tour zu gehen.

Heißt das, ihr habt im Moment überhaupt keine großen Tourpläne oder nur in Ungarn?

Natürlich machen wir eine Album-Release-Party hier in Budapest, aber eine Tour lohnt sich hier überhaupt nicht, weil Ungarn da sehr spezifisch ist. Wir haben halt mit Budapest eine wirklich große Stadt, aber in den anderen, kleinen Städten, ziehen die jungen Leute weg und kommen nach Budapest – Ungarn ist extremst zentralisiert. Wir arbeiten an einer Tour [außerhalb], aber ich kann dazu im Moment noch nicht viel sagen.

Ich werde die Augen aufhalten. Wo wir gerade über Finanzen reden – hat die Band für euch auch einen ökonomischen Wert, d.h. neben euren normalen Jobs?

Also es ist bei weitem nicht so, dass wir gleich unseren Job kündigen können und die Band hat eben auch hohe Kosten. Für uns ist es bspw. sehr wichtig, Videos zu veröffentlichen – ich denke, dass wenn momentan ein Album released wird, sich das wahnsinnig viele Leute gar nicht anhören. Die denken so sehr in Singles und auch die Streaming-Services sind eher für Singles ausgelegt. Ich glaube deshalb, dass man Musikvideos drehen muss, um gehört und gesehen zu werden – ob wir wollen oder nicht. Und leider kosten diese Musikvideos scheiß viel Geld – es ist einfach teurer geworden, eine aktive Band zu sein als früher. Dazu kommt, dass wir mit unseren Videos und unserem Sound immer besser werden wollen und das hat eben alles höllische Kosten. Mein größter Traum wäre es natürlich, wenn ich mich zu 100% mit meiner Musik beschäftigen könnte, das wäre wie ein Lottogewinn. Durch Napalm Records ist das Ganze noch seriöser geworden, was mich wirklich sehr stolz macht, aber ich kann trotzdem noch nicht am Montag meinen Job kündigen.

Ihr bleibt also weiterhin ambitioniert und wollt noch höher hinaus?

Ja, definitiv. Mit den Ambitionen gibt es sicher kein Problem – ich bin extremst dankbar dafür, dass ich die Band nach so vielen Jahren noch habe und dass ich in ihr von Menschen umgeben bin, die so open minded sind wie ich. Ich bin mir ganz sicher, dass ich schon längst raus wäre, wenn ich immer dasselbe machen müsste – so wie ich schon einmal längst raus war, als wir nur Psychobilly gemacht haben. Aber die anderen sind so professionelle und talentierte Musiker, dass es einfach nicht langweilig wird. Und wenn es im Leben manchmal – wegen Job oder was weiß ich – schwierig und grau wird, gibt einem die Band so ein Plus, das viele Menschen nicht haben. Auch wenn es sehr anstrengend ist und ich dadurch überhaupt keine Freizeit habe, ist es etwas, wofür ich extrem dankbar bin.

Es ist ja eine bewusste Entscheidung und wenn es dir was zurückgibt, hast du ja alles richtig gemacht! Dann habe ich dich für heute genug gelöchert – vielen Dank für deine Zeit, hast du noch ein paar berühmte letzte Worte?

Berühmte letzte Worte? Ich glaube, damit werde ich jetzt nicht berühmt, aber wer auch immer das liest, soll uns doch bitte auf Social Media folgen, weil gerade jetzt viel um die Band passiert. Es kommen jetzt noch zwei, nein drei Musikvideos – nach dem Album-Release haben wir tatsächlich dann noch einen – das wird cool, wirklich cool!

Dann bin ich mal gespannt und wünsche dir noch ein schönes Wochenende, pass gut auf die Katzen auf!

Mach ich, ciao!

Ciao!


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