Interview: TERRORGRUPPE - Archi und Jacho

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Jeder Urnengang, jede politische Entscheidung, deren Konsequenz man nicht mehr selbst erleben kann, muss mit Rücksicht auf die kommenden Generationen unbedingt vermieden werden - sonst gibt's was auf die Backen, von mir.

Das letzte lila TERRORGRUPPE-Album "Jenseits von Gut und Böse" steht seit wenigen Tagen nicht (!) in den Regalen! Die Berliner Punkrock-Institution nimmt ein letztes Mal die Dinge selbst in die Hand und steht uns zwischendurch Rede und Antwort!

Veröffentlicht am 14.07.2020

Alles hat ein Ende, nur der Punk hat zwei! Nach einer mehrjährigen Sendepause kehrte die Berliner TERRORGRUPPE 2013 zurück ins Rampenlicht der Hallen und Clubs - und natürlich der schmierigen Hinterhöfe, denn echte Punker betreten keine sauberen Hallen! Neben zahlreichen Konzerten zählen auch das den berühmten Selfie-Affen portraitierende Comeback-Album "Tiergarten" (2016) und das aktuelle und letzte lila Album "Jenseits von Gut und Böse" zu den erfreulichen Ausgeburten ihrer zweiten Schaffensphase. Doch wie ein ausgeschlagenes Kugellager am Skateboard des Lebens strebt auch das Dasein als Erfinder des Aggropops seinem unvermeidlichen Ende zu. Der Tag des Abschieds kommt für jeden Mann, jede Frau und für jede Punkband. Und während so manch altehrwürdiger Musiker den Zeitpunkt des würdigen Abgangs schon vor Jahrzehnten verschlafen hat, beschließen Archi MC Motherfucker und seine Mitstreiter, das Kapitel TERRORGRUPPE ohne Gehhilfen und Hologramme abzuschließen. Bittere Pillen für Aggropop-Ultras, TERROR-Jünglinge und Freunde gepflegter Punk-Satire - doch für Pipi in den Augen ist es (noch) nicht an der Zeit! Die Platte ist noch frisch, die letzte Tour noch nicht gespielt und der freundlische Plausch zum gegebenen Anlass nicht nur eine Frage der Berufsehre. Archi MC Motherfucker (MC) und Jacho alias Johnny Bottrop (JB) nahmen sich die Zeit für ein Interview und reden mit uns über Vergreisung, Punk mit 65 und den Charme der Jugendrente.

Hi ihr beiden! Wie läuft's so in den Aggropop-Headquarters?

MC: Hallo, es läuft gut, das Album ist endlich raus und den Hörern scheint es weitgehend zu gefallen. Der MC Superpiefke ist krass glücklich. Danke der Nachfrage.

JB: Natürlich ist längst nicht alles zum Besten hier im Headquarter. Unsere Reinigungskraft hat im Juni gekündigt, sieht aus wie Schweinestall.

Jetzt ist es soweit - euer letztes (lila) Album ist da! Wie fühlt sich es sich an, einen solch historischen Schritt getan zu haben?

MC: Ich mag konsequente und ehrliche Schritte, ich fühle mich dabei einfach besser als ständig im Ungewissen abzuwarten und meine Entscheidungen aufzuschieben. Nun haben wir das letzte Album gemacht, dann kommt noch die letzte Tour und dann ist dieses Band-Projekt spätestens ab Sommer 2021 für immer Geschichte.

JB: Hoffentlich muss die letzte Tournee nicht wegen Club-Lockdown zweimal verschoben werden. Wir sind heiß auf spielen und Bühnenlärm.

War euch damals zum Release von „Fundamental“ bewusst, dass es euer vorerst letztes Album sein würde?

MC: Unterbewusst ja, aber nicht richtig. Die Entscheidung, die Band zu verlassen, hat sich bei mir damals erst während der "Fundamental"-Tour deutlicher geformt.

JB: Es gab ja zu der Zeit auch noch zwei „halbe Alben“ in der Schublade - die Singles Compilation „Schöne Scheisse“ und das englische Album „Rust In Pieces“.

[Anm. d. Interviewenden: die man natürlich kennt und idealerweise im Regal stehen hat...]

Seit eurer Reunion sind inzwischen sieben Jahre vergangen und ich muss zu meiner Schande eingestehen, dass mein erstes TERRORGRUPPE-Konzert seitdem auf der kommenden Tour sein wird. Wie würdet ihr die Zeit eurer zweiten Schaffensphase zusammenfassen?

MC: Ambivalent.

JB: Die Touren waren ein ziemlicher Kracher. Ich bin nicht immer mit allem aus unserem kreativen Ausfluss glücklich, aber mit ca. 97,5%.

MC: Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob dieses Comeback überhaupt eine gute Idee war. Auf der anderen Seite hat es auch viel Spaß gemacht, wieder mit TERRORGRUPPE Musik zu machen.

JB: Manchmal waren wir ein bisschen „out-of-time“ und „out-of-place". Viele Leute in der Punkszene sind ja heutzutage so ernst und sachlich. Ein harter Nährboden für kreative Irre wie uns.

Gab es irgendwelche besonderen Highlights (oder Lowlights), von denen man seinen Enkeln einst erzählen würde?

MC: Ich werde nie Enkel haben, denen ich was erzählen kann, da ich bewusst kinderlos geblieben bin, aber so richtig verrückten Scheiß haben wir eigentlich nicht erlebt. Tut mir leid, euch da enttäuschen zu müssen.

JB: Vielleicht nicht verrückt, aber denkwürdig. Ich fand alle unsere Videodrehs immer sehr wild, besonders die "Hit and Run"-Situationen ohne Drehgenehmigungen, in denen einige der Videos entstanden sind, zum Beispiel „Immer Besser".

Sprechen wir über das neue Album: Woher stammt sein Titel „Jenseits von Gut und Böse“ und warum ist es lila?

JB: Haben wir den Titel eigentlich von Bushido geklaut oder von Nietzsche oder …?

MC: "Jenseits von Gut und Böse“ passt sehr gut zum inhaltlichen Querschnitt der Songs. Wir vermeiden es bewusst, uns auf diesem Album auf der vermeintlich „guten“ Seite zu positionieren und viele der Texte befassen sich mit der Faszination des „Bösen“. Es ist wohl unser philosophischstes Album.

JB: Was ist denn eigentlich „Gut“? Und was ist „Böse“? Gibt es sowas überhaupt?

MC: Die Verpackung wurde lila, da wir uns auf das Konzept verständigt haben „außen nackte, minimalistische Verpackung, innen Kunst“. Ein kunstvolles Cover-Artwork ist beim heutigen Online-Marketing eigentlich nur noch kontraproduktiv und verschenkte Liebesmüh. Cover werden weitgehend im Netz als kleine Piktogramme dargestellt. Unsere Antwort darauf: dann fickt euch eben alle, wir packen die Kunst dahin, wo sich Leute auch damit beschäftigen und als Verpackung reicht uns eine Farbe.

JB: Und das LP-Booklet ist sicherlich das schönste, das die TERRORGRUPPE jemals hatte. Die Bilder von Klaus Theuerkauf passen perfekt in den großen Gesamtplan aus Texten und Musik.

Wie entstehen eigentlich Songs wie „ADHS“ oder „Sinnlose Beleidigungsstrategie gegen Fabelwesen“? Doch bestimmt nicht „nach Plan“ oder „am Reißbrett“?

MC: Bei einer Rezension zu unserem letzten Livealbum „Superblechdose“ hat ein Rezensent bei mir - wahrscheinlich wegen meiner pöbeligen Ansagen - in einer fundierten Ferndiagnose ADHS diagnostiziert. Das hat Johnny Bottrop wohl auf die Idee gebracht, dieses Lied für und über mich zu schreiben.

JB: Es ist das Klischee eines Klischees einer ADHS-Diagnose. Jeder Mediziner wird schreiend davon laufen. Und das wiederum ist sehr lustig.

MC: "Sinnlose Beleidigungsstrategie gegen Fabelwesen" ist etwas komplizierter. In meinen langjährigen Studien über Bösartigkeiten ist mir aufgefallen, dass Menschen oftmals einfach nur darauf warten, beleidigt zu werden, um dann höchst aggressiv darauf reagieren zu können. Dabei sind die Beleidigungen meist gar nicht real beleidigend, sondern eher substanzloser Unfug. Besonders tief in sich ruhende, religiöse, spirituelle Menschen reagieren auf kritische, ironische Anmerkungen zu ihren verehrten Fabelwesen oft außergewöhnlich dünnheutig…

JB: ...geradezu cholerisch.

MC: Wenn du Leuten den Spiegel vorhalten möchtest, dann musst du sie erstmal aus der Reserve locken, dazu dient dieses Lied. Der Song ist ein Köder, eine Provokation, die eigentlich keine ist, eine Fatamorgana.

Ist „Alt+Delete“ nur Kritik an den überwiegend betagten Volksvertretern oder auch ein Stück Selbstreflexion?

MC: Beides. Wir schließen uns da nicht aus. Die naive Sprache des Textes dient natürlich der Überspitzung des Themas. Der Generationenvertrag muss dringend neu verhandelt werden und alternde Menschen sollten sich auch mal mit den negativen Seiten ihres Alterns für die Restgesellschaft auseinandersetzen, die da wären: Selbstgefälligkeit, Schlaumeierei, Geiz, Überheblichkeit, Eigennützigkeit und das krampfhafte Festhalten an Gewohnheiten.

JB: Es ist nun mal eine Tatsache, dass die meisten maßgeblichen Entscheidungsträger auf der Welt älter als 60 Jahre sind. Auch das Wahlvolk ist gealtert. Für den „Brexit“ durften beispielsweise auch diejenigen Engländer mitstimmen, welche die Folgen ihrer Wahl mit ziemlicher Sicherheit gar nicht mehr miterleben werden.

MC: Jeder Urnengang, jede politische Entscheidung, deren Konsequenz man nicht mehr selbst erleben kann, muss mit Rücksicht auf die kommenden Generationen unbedingt vermieden werden - sonst gibt's was auf die Backen, von mir.

„Tiergarten“ war ja nun keine Identitätsleugnung, aber gewissermaßen etwas „erwachsener“ in den Texten und „legerer“ in der Musik. Woher kam die Rückbesinnung auf den flottfüßigen Rumpelpunk und die teils derben Texte?

MC: „Tiergarten" ging mir großteils zu schnell auf die Nerven. Ich will ja in diesem Sinn mit meiner Musik gar nicht erwachsen werden und ich habe bei „Tiergarten" einfach nicht genug aufgepasst.

JB: Aber eigentlich sind die Texte weder besonders „erwachsen“ oder zu sachlich, hör mal „Wie es der Staat mag“ oder „Winnetou“, vielleicht hätte die Musik etwas härter und zorniger ausfallen können.

MC: Das Album ist in einem einlullenden Konsens entstanden. Sicher nicht schlecht, wir sind stilsichere Musiker und können's eigentlich gar nicht komplett verbocken, aber die Spannung, die Reibung, das gnadenlose Sieben von Musik und Textideen und dieses respektlose Draufhauen und Provozieren passt einfach besser zu dieser Band und macht mir auch mehr Spaß.

JB: Ich finde die Platte textlich nachwievor klasse, es fehlt nur ein Quäntchen Tempo und Härtegrad.

Ihr sagt, Punk muss wieder wehtun – warum?

MC: Weil Punk das in weiten Teilen lang nicht mehr kann und tut und darum allmählich seine ursprüngliche Daseinsberechtigung verliert. Ich hoffe, dass es in Zukunft junge Bands geben wird, die sich wieder provokanter geben und rücksichtsloser auf die Kacke haun als das in den letzten 20 Jahren der Fall war.

JB: Andererseits ist natürlich die Abgrenzung „Punk gegen den Rest der Welt“ heutzutage viel schwerer geworden, als es noch damals war. Heutzutage ist irgendwie alles „Punk“ - oder auch nichts. Ein Genre für Nerds und Plattensammler, der Mitgröhl-Soundtrack für Ultras und Fußballvereine, „Business-Punk“ oder ein Objekt von Kunstausstellung und Kulturförderung...und das alles geschieht mit viel Köcheln im eigenen Saft.

Ihr textet wie immer am Puls der Zeit, nur die USA geht dieses Mal (zumindest auf expliziter Ebene) leer aus. USA-Songs habt ihr einerseits genug am Start, aber andererseits würde heutzutage guter Textstoff auf dem Silbertablett serviert. Hatte das in diesem Zyklus keinen Reiz?

MC: Ich bin der Meinung, wir haben zum Mutterland des Rock’n’Roll alles gesagt, aber wir reißen in dem ein oder anderen Lied wie zum Beispiel „Ein Führer wird kommen“, "Fettes betrunkenes dummes Schwein“, „Suizidoption“, „Männers“, „Zusammenstehen“ oder „Alt+Delete“ ja auch US-relevante gesellschaftliche Problematiken an.

JB: Und vor allem bei „Lastwagenfahrer“. Und beschreibt der Text von „Krieg ist super“ nicht unter anderem auch die amerikanische Außenpolitik von 1990 bis heute?

Was rechte Tendenzen in der Gesellschaft angeht, könnte man auch Songs von vor zehn, zwanzig oder gar dreißig Jahren auskramen und würde keine Veränderung (zum Guten) vorfinden. Wird man da mit der Zeit als „Medium Punkband“ müde?

MC: Ich werd' nur müde, wenn ich den 2500sten miesen Antinazi-Song hören muss. Ich weiß, dass Nazis scheiße sind und warum. Ich weiß, dass das Nazithema den Sänger einer Punkband aufregt und er es rausschreien will. Aber warum fünf Mal auf einem Album in maximal leicht abgewandelter Form? Warum nehmen die Leute nicht diese ganze Energie und versuchen, vernünftige Lieder zu schreiben, die auch die Nazis direkt angreifen und zerstören. Es läuft bei diesen Klischee-Anti-Nazi-Songs doch immer nur darauf raus, dass der Mist auf der x-ten Anti-Nazi-Demo gespielt wird, als Abwechslung zu stumpfem "Nazis Raus“-Geblöke, wo doch keiner weiß, wohin man die Nazis eigentlich „raus" schicken soll. Ich hasse diesen Film „300“ für seinen faschistoiden, militaristischen Heldenpathos. Aber 90% dieser ganzen Anti-Nazi-Nummern sind genau so stumpf wie dieses bekloppte "mit Schwertern auf die Schilder hauen“-Ritual in „300", um sich vor der Schlacht Mut zu machen und sich dann im nächsten Augenblick von einer Übermacht heldenhaft massakrieren zu lassen. Ich vermisse kluge, hinterlistige und vor allem wirkungsvolle Strategien im Kampf gegen Rechts und im Soundtrack dazu, wie zum Beispiel die Ibiza-Affäre von Strache. Das war genial, klug, effektiv und vor allem lustig.

JB: Ich find Anti-Nazi-Lieder meistens gut. Egal auf welchem Niveau von Lyrik und Harmoniegerüst. Aber kluge, antifaschististische Aktion und Aktionismus sind wichtiger.

Wird einem bei der steigenden Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft mulmig, wenn man wie ihr deutlich Stellung bezieht?

MC: Nö! Ich find auch gar nicht, dass die Gesellschaft so markant gewalttätiger geworden ist. Ich glaube, dass der Level der Gewalt sich seit den 50ern die Waage hält und glaube, dass so auch mal in einer Studie gelesen zu haben.

JB: Ich muss ganz klar sagen: Jung sein und Heranwachsen Ende der 70er / Anfang der 80er war wesentlich gewalttätiger. All dieses Geschwätz von "wachsender Jugendgewalt", "wachsender Gewalt gegen Polizeibeamte“, „wachsender Kriminalität" ist kompletter Bullshit. Viele Bereiche des Lebens sind heutzutage wesentlich entspannter geworden.

MC: Heute liest man via Internet und soziale Medien nur schneller und mehr davon und es bilden sich Echokammern um diese Gewaltmeldungen. Wo gehobelt wird, fallen eben Späne, Punk war noch nie ungefährlich.
Ich habe in meiner Punkjugend in den 80ern fast wöchentlich auf die Fresse bekommen oder musste rennen und das in einer sauberen, sicheren, deutschen "Law & Order"-Stadt in Bayern. Heute wohne ich im sogenannten "NO-GO“ Bezirk Berlin-Neukölln und habe das friedlichste Leben, das man sich vorstellen kann. Trotz arabischer Großfamilien, Straßengangs und Welt-Party-Jugend, oder wahrscheinlich deshalb?

Wird eurer Prognose nach wahrhaftig „ein Führer kommen“? Wer oder welches Kaliber könnte das sein und wie kann man das verhindern?

JB: Haha!! Österreich hat ja schon Erfahrungen mit „Baby-Hitler“. Aber jetzt, wo die FPÖ rausgeflogen ist, darf man das ja dann nicht mehr sagen [zwinker].

MC: Es läuft gerade eine empfehlenswerte Sci-Fi-Dramaserie namens „The Handmaid's Tale“. Dort geht es um einen ökoreligiösen, faschistisch-totalitären Staat, der nach einem sehr realistischen Umsturzszenario in den ehemaligen USA installiert wurde. Zuerst fand alles im breiten Einverständnis der Gesellschaft statt, man wollte ja die Gottesschöpfung und das Klima retten. Dann wurde daraus in kurzer Zeit ein patriarchalischer, autoritärer Überwachungsstaat. Sehr frustrierender und realistischer Plot.
Der Führer wird sicher wieder kommen, wenn man nicht bald konsequent die Nationalstaaten abschafft. Wenn man weiter wie im Kindergarten mit dieser größten aller Gefahren, dem Gewaltmonopol des Staates, spielt und wenn man diesen alles zerstörenden Kapitalismus nicht einfängt und unter Kontrolle bekommt. Und natürlich bleibt eine komplette Entmachtung der Religionen nicht aus. Dann kommt der Führer nicht, versprochen.

Jetzt mal im Ernst: Ist eure neue Scheibe „das letzte Album“ oder vielleicht doch „das letzte lila Album mit der Option auf einen altersgerechten Nachfolger in panthergrau“?

MC: Definitiv letztes Album gefolgt von der letzten Tour. In Wien werden wir folglich das allerletzte Mal auf unserer kommenden Tour spielen, ich schwöre bei Erna Motherfucker, meiner Mutter.

Euer erster Versuch der Verrentung ging ja – ganz zum Wohlwollen eurer Fans – in die Hose. Wie schätzt ihr die Chance für den nächsten Versuch ein?

MC: Da wär ich dann 65. Das kann ich niemandem antun und das will auch keiner sehn.

JB: Vielleicht ja als Hologramme?

Die deutsche Rentenpolitik strebt nach immer höheren Eintrittsaltern – gehört es da für euch als Punker zur Berufsehre, dem zu widerhandeln?

MC: Jep, genau. Wir waren eh immer für die Jugendrente. Das hat nur ein bisschen funktioniert, jetzt gehen wir eben in Frührente.

JB: Einfach mal die Seele baumeln lassen und chillen. Mit der Musik von NAPALM DEATH und MERZBOW.

Ehrlich gesagt fällt es mir schwer zu glauben, dass man in eurem Alter komplett und ohne Rückfahrschein abtreten kann. Kann man für den erhobenen Zeigefinger und Satire überhaupt zu alt werden?

MC: Hör mal mit dem Zeigefinger auf, so will ich gar nicht rüberkommen, ich finde Gangzeichen viel spannender. Aber nein, bei einer Band wie TERRORGRUPPE dreht sich ganz viel um Energie und Spitzigkeit.

JB: Zu Punkrock und Skatecore gehört halt auch eine gewisse Jugendlichkeit. Kann man natürlich auch jetzt noch rüberbringen, kostet aber viel Sport und Vorbereitung.

MC: Ich hab keinen Bock wie Mick Jagger täglich trainieren zu müssen, dass ich noch eine halbwegs vernünftigen Auftritt hinbekomme, ohne mir die Knochen zu brechen. Und die Organisation einer Band geht mir schon zweimal auf den Zeiger. Vielleicht fangen wir ja an für andere Ghost zu writen? Keine Ahnung, man wird sehn.

JB: Aber nicht für „Ghost“ ghostwriten!

Aber gesetzt den Fall, ihr macht ernst: was macht ihr dann den lieben langen Tag?

MC: Ich produziere und mische ja seit über 20 Jahren Musik für andere Bands und hab auch noch einen kleinen Nebenjob als Tourneeleiter.

JB: Ich bin und bleibe ja der Label-Mensch bei Destiny mit Verantwortung für knapp 100 Releases und einem Dutzend Künstler. Und ich spiele weiterhin live in einer etwas ruhigeren Schublade von Punk und alternativer Musik, im Genre „Nylonsaitenpunk“ mit den ACHT EIMER HÜHNERHERZEN.

Wer wird dann „Enemy No. 1“?

MC: Weiß ich noch nicht, so richtig habe ich noch keinen Nachfolger ausgemacht.

JB: Ich auch noch nicht. Aber es wird eine Mischung aus den SLITS, HANS-A-PLAST und den SLEAFORD MODS sein.

Und wer passt auf die Käfer auf?

MC: Ihr alle, hoffentlich.

Jetzt hoffen wir mal, dass eure Tour stattfinden kann wie geplant! Was darf man erwarten? Zum Abgang muss man schließlich nochmal kräftig auf die Kacke hauen!

MC: Ähhhhm ja auf die Kacke hauen, da kann dir Bottrop was zu erzählen, hahaha!

JB: Hmm. Was meint er denn jetzt? Ich weiß von nix.

MC: Na ich hab noch keine Erfahrungen mit auf die Bühne kacken und dann den Haufen bzw. die Dünnpfiff-Pfütze ins Publikum treten, du auch nicht?

JB: Das war mein jüngerer Bruder Jimmy Bottrop bei der Band SICK, SUCK & FUCK FEAT. MUTTI MASTURBATION. Ich hab damit nix zu tun.

Wer ist noch mit von der Partie?

MC: In Wien? THE TOTEN CRACKHUREN IM KOFFERRAUM! Das wird ein super Abend!

Und sonst so? Wann werden wir Corona überwunden haben, wird das Briefporto weiter steigen und hat der „Weltuntergang“ eigentlich schon begonnen?

MC: Bin ich Gott? Pudert einfach, was das Zeug hält - dann bekommt ihr von dem Mist nichts mit.

Alles klar, dann würde ich mal sagen: Haltet die Ohren steif, wir sehen uns auf eurer Tour und passt gut auf, wenn ein Lastwagenfahrer mit offenem Fenster fährt! Den letzten Salut überlasse ich euch!

JB: Lauscht Georg Kreisler und macht immer genau das, was MC Motherfucker euch sagt!

MC: Alles Leinwand und habe die Ehre, euer Lieblings-Marmeladinger MC Motherfucker.


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