Interview: KRIMH - Kerim Lechner

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Irgendwie würde ich gerne mal einen Song mit SLIPKNOT zocken!

Kerim „Krimh“ Lechner zählt zu den absoluten Ausnahme-Drummern, und das nicht nur hierzulande. Als wir hörten, kein geringerer als DEVIN TOWNSEND möchte den guten Mann engagieren, haben wir natürlich nachgefragt – unwissend, dass ein deppertes Virus alles weitere über den Haufen werfen wird...

Veröffentlicht am 27.04.2020

Dieses Interview fand statt, als die Corona-Krise gerade an ihrem Anfang stand und noch niemand das Ausmaß der Katastrophe komplett abschätzen konnte. Vor allem die Ausmaße für die Künstler, Musiker und die gesamte Musikbranche und natürlich die Underground-Szene. Wundert euch also nicht, wenn manche Fragen und Antworten nicht ganz up to date sind. Wir sind jedoch immer noch der Meinung: Alles wird gut!

Kerim, als wir das Interview ausgemacht haben, wusste keiner, dass die Corona-Sache so groß und gefährlich werden würde. Wie gehst du mit dieser Situation um?

Für jeden ist diese Situation sehr überraschend gekommen und wirft viele Fragen auf. Wie wird es weitergehen? Wie lange dauert diese Krise an? Gibt es bald wieder Verunstaltungen? Es hat den Anschein als würde sich die Welt eine Pause von uns Menschen gönnen. Wahrscheinlich auch mehr als dringend nötig für Mutter Natur, aber für uns und für jeden Einzelnen wird die nächste Zeit sehr herausfordernd werden. Keine Shows, keine Veranstaltungen, keine größeren Menschenansammlungen, ja nicht mal Bandproben sind im Moment eine Option. Damit hat echt keiner gerechnet, bis auf ein paar kluge Wissenschaftler, die solche Szenarien nicht nur einmal prophezeit haben. Wird vielleicht mal an der Zeit, auf solche Leute zu hören und nicht immer nur die Wirtschaft in den Vordergrund stellen. Ich bin seit Jänner zu Hause und arbeite am neuen SEPTICFLESH-Album, zusätzlich bereite ich mich für die hoffentlich bevorstehenden Sommer-Festivals mit DEVIN TOWNSEND vor. Im Moment kann ich aber nicht sagen, ob die überhaupt stattfinden. Das wäre natürlich schade, weil es schon verdammt viel Arbeit, Zeit und Energie verschlungen hat. Diese Ungewissheit macht einem schon zu schaffen, aber man muss trotzdem in der ganzen Ungewissheit positiv bleiben. Es wird ja hoffentlich irgendwie weitergehen!
 
Also hat der ganze Schmarrn schon Auswirkungen auf deine Gigs …

Ja, leider hat es auch schon mich getroffen. Ich bin zwar nicht auf Tour, aber ich hätte diese Woche eine Aufnahme in Warschau gehabt. Das fällt natürlich ins Wasser, nachdem alle Länder ihre Grenzen dicht machen. Im Moment heißt es mal warten und schauen wie sich die Situation entwickelt. Man lebt jetzt praktisch von einem Tag zum anderen. Im Moment konzentriere ich mich auf das neue SEPTICFLESH-Album, das hat Priorität. Nebenbei werde ich mit Online Unterricht beginnen, um finanziell über die Runden zu kommen.

Erzähl doch mal wie du zum Schlagzeug gekommen bist…

Es gibt da eine nette Geschichte von meinen Eltern. Da war ich noch ein Baby, und mein Vater ist seit jeher ein großer LED ZEPPELIN-Fan. Daher kam es natürlich öfters vor, dass es LED ZEPPELIN zu hören gab. Eines Tages fiel ihnen auf, wie sehr mich das Drum-Intro von „Rock'n Roll“ begeisterte. Ich würde behaupten, das war meine erste Begeisterung für das Schlagzeug, obwohl ich mich nicht mehr daran erinnern kann. Auch später hat mich dieses Instrument sehr begeistert, nur war es schwierig in einer Wohnung ein Schlagzeug aufzustellen. Erst 2004 ergab sich die Möglichkeit, mein erstes Drumkit zu kaufen und einen Proberaum in meiner ehemaligen Schule zu finden. Das war auch der Startschuss für meine Leidenschaft. Selbst in den Sommerferien verbrachte ich daher mehr Zeit in der Schule als andere Jugendliche. Natürlich um zu üben und besser zu werden. Als Lehrer dienten mir meine Vorbilder und Bands, die ich damals hörte. Ich habe mir das Schlagzeugspielen sozusagen mit deren Hilfe selbst beigebracht.

Wie du schon erwähnt hast, ist deine „Hauptband“ SEPTICFLESH, aber wichtig ist natürlich auch dein eigenes Projekt KRIMH. Was passiert da momentan?

Mir ist mein eigenes Projekt wichtig, um mich zu 100 Prozent kreativ entfalten zu können. Im Moment habe ich leider keine Energie und Zeit, um mehr für mein Solo-Projekt zu komponieren. SEPTICFLESH wird einfach immer größer und zeitaufwändiger. Ich möchte mich aber darüber nicht beklagen. Das Wichtigste bei meinem Solo-Projekt ist, dass ich mich damit nicht stressen möchte. Es gibt kein Label oder andere Personen, die mir sagen, was ich zu tun habe und was nicht. Es dient hauptsächlich der Befriedigung meiner Kreativität und um andere Instrumente zu spielen. Ich finde es ist wichtig, um mich als Musiker weiterzubilden.

Für alle, die mein Solo Projekt noch nicht kennen: Ihr findet meine drei Alben „Explore“, „Krimhera“ und „Gedankenkarussell“ auf allen Streaming Plattformen, und wer ganz old-school auf CDs steht, kann diese bei mir auf Bigcartel bestellen. Im normalen Handel gibt es sie nicht, nur so als kleine Info.

Bei KRIMH spielst du alle Instrumente selbst ein, singst du da auch selbst?  Würdest du dich als Multi-Instrumentalist bezeichnen? Woher kommt die Begabung?

Also der Gesang stammt nicht von mir. Das ist das Einzige, das ich (noch) nicht kann und daher lasse ich lieber professionelle Sänger ans Mikro. Der Rest der Instrumente wurde aber von mir eingespielt und auch komponiert. Ich mache praktisch alles bis auf den Gesang. Daher würde ich mich schon als Multi-Instrumentalisten bezeichnen, obwohl das Schlagzeug natürlich mein Hauptinstrument ist.

Ich weiß nicht, ob es wirklich eine Begabung ist oder an meiner Herangehensweise liegt. Ich bin davon überzeugt, wenn man genug Zeit mit einem Instrument verbringt wird auch etwas Brauchbares dabei herauskommen [ok, immer … nur nicht mit mir und einer Gitarre! Anm.d.Verf.]. Mein theoretisches Wissen über Musik existiert praktisch nicht und ich orientiere mich nur an meinem Gehör. Daher fällt es mir oft schwer, Fans Auskunft zu geben um welche Akkorde es ich handelt. Es kommt dann immer die gleiche Antwort: „Keine Ahnung, aber es ist nicht so schwer, weil ich es gespielt habe“. Musikinstrumente sind pure Inspiration und man sollte immer genug um sich herum haben.

Übst du viel, und vor allem: WIE übst du?

Ich habe keinen bestimmten Übungsrhythmus. Je nachdem was gerade ansteht intensiviert sich mein Übungsplan. Im Moment ist es natürlich sehr extrem, weil es ein neues Album für SEPTICFLESH zu schreiben gilt und ich zusätzlich noch 90 Minuten DEVIN TOWNSEND-Material lernen muss. Seit Jänner mach ich nichts anderes als stundenlang hinter dem Drumkit zu sitzen. Das ist natürlich auf lange Sicht sehr anstrengend für meinen Körper. Schlagzeugspielen verlangt viel Konzentration und Kraft. Diese beiden Faktoren sind nur begrenzt vorhanden und ich muss gestehen, ich pushe mich oft über meine Grenzen hinaus. Es ist schwierig, in solchen intensiven Phasen richtig zu regenerieren, weil es so viel Arbeit gibt. Wenn mein Körper dann wieder streikt muss ich für ein paar Tage eine Zwangspause einlegen. Spaß macht das dann nicht mehr, ehrlich gesagt. Aber so ist das halt in intensiven Phasen.

Ansonsten versuche ich etwa vier- bis fünfmal die Woche für ein oder zwei Stunden zu spielen. Dabei übe ich aber kaum Technik, sondern bereite mich auf die nächsten Session-Jobs oder Shows vor. Das bedeutet: Songs lernen und bestehende Set-Listen wiederholen. Nebenbei versuche ich mich mit Sport und gesunder Ernährung fit zu halten. Ich betrachte das ganze wie ein Leistungssportler, aber eben hinter dem Schlagzeug und nicht auf der Laufbahn.

Man sagt du bist einer der schnellsten Doublebass-Spieler im Trommelzirkus, wobei du ja überhaupt gerne im Highspeed-Bereich rumtrommelst. Hast du da irgendwelche speziellen Techniken entwickelt?

Ich bin bei weitem nicht der Speed-King unter den Metal-Drummern - das wollte ich aber auch nie sein! Speed gehört dazu, keine Frage, aber mir war Vielseitigkeit viel wichtiger. Außerdem ist langsam spielen schwieriger als man denkt. Für schnelleres Doublebass-Gewitter verwende ich die sogenannte „Swivel Technique“. Dabei handelt es sich um eine zusätzliche Seitwärtsbewegung pro gespieltem Bassdrum-Kick.  Diese Technik wird von einigen Metal-Drummern verwendet, da sie mehr Konstanz und Power bei höheren Geschwindigkeiten bringt. Der Nachteil dafür ist, dass es für dein Hirn mehr Arbeit bedeutet, weil du zusätzlich noch ein Bewegungsmuster einbauen musst. Diese Technik hat sich bei mir von selbst entwickelt und es dauerte einige Jahre, um sie zu perfektionieren.

SEPTICFLESH ist ja im Grunde eine griechische Band, andererseits aber auch einfach eine „europäische“. Wie oft trefft ihr euch außerhalb von Touren leibhaftig zum Proben – wahrscheinlich nicht oft denke ich?

Richtig, wir treffen uns nicht sehr oft. Geprobt wird meist erst wenn wir ein neues Set einüben müssen und das passiert in der Regel erst, nachdem ein neues Album erscheint.  Dann überlegen wir uns eine neue Setlist und ich fliege für ein paar Tage nach Athen, um mit ihnen die Show zu proben. Danach üben wir aber alle selbständig zu Hause. Da wir alles mit Klick Track und Samples spielen verändert sich hier nichts und man kann leicht selbst üben. Außerdem würde das permanente Fliegen zu teuer werden und es funktioniert ja so auch.

Wir haben es schon angeschnitten: Du bist für diesen Sommer – zusammen mit anderen Drummern – für die Shows von DEVIN TOWNSEND engagiert worden… (so sie denn stattfinden). Da kann man schon mal damit prahlen, oder?

Also, von anderen Drummern weiß ich bis jetzt nichts. Ausgemacht war, dass ich alle Sommer-Shows mit ihm spielen soll. Im Moment kann ich aber leider nicht sagen, ob diese Festivals überhaupt stattfinden werden. Nachdem selbst die EM und die Olympischen Spiele verschoben wurden bezweifle ich es sehr. Wäre schade, weil ich nicht weiß, ob ich nochmal die Zeit dafür finden kann. SEPTICFLESH ist meine Hauptband und wir werden nach dieser Zwangspause auch vermehrt spielen wollen. Stolz kann man schon drauf sein, ich möchte aber zuerst mal Shows mit ihm gespielt haben, um wirklich behaupten zu können „Mr. Krimh has played with Mr. Devin!“  

Hehe, verständlich. Hat er einfach angerufen und gesagt „Hey, Kerim, möchtest du für mich trommeln?“ – oder wie kam diese Kooperation zustande?

Die Anfrage kam mit einer E-Mail letzten Oktober. Es war 5 Uhr früh und ich war gerade am Weg zum Flughafen, um nach Russland zu fliegen. Ich wurde ihm von keinem Geringeren als Dirk Verbeuren (ex-SOILWORK, MEGADETH) empfohlen. Da muss ich zugeben ist mir das Herz schon etwas in die Hose gerutscht. Beides sind außergewöhnliche Musiker und da fühlt man sich schon sehr geehrt. Nachdem ich bei SEPTICFLESH nicht so einfach frei bekomme, musste ich diese logistische Herausforderung erst mal mit ihnen besprechen. Dieser Sommer erwies sich aber als ideal für diesen Session-Job, da wir kaum Shows spielen. Für uns hat das neue Album Priorität.

Es gibt Unmengen an talentierten Drummern, auch Nachwuchs, da draußen. Was kannst du jenen auf ihren Weg „mitgeben“, die es noch nicht so weit geschafft haben wie du?

Man sollte sich drauf einstellen, dass es bei Weitem nicht so glamourös ist wie oft dargestellt, eigentlich ganz im Gegenteil! Vergleicht man Strapazen und Arbeitsaufwand mit dem was dabei herausschaut, dann würde das kein Normalsterblicher auf sich nehmen. Es ist nicht leicht, aber auch nicht unmöglich. Oft dauert es Jahre, bis sich eine Möglichkeit ergibt ins Business einzusteigen, und dann heißt es, sich erst mal eine gute Reputation zu erspielen. Viel üben und gut vorbereitet sein sind natürlich grundlegende Faktoren, aber es müssen sich auch erst bestimmte Situationen ergeben, um den Sprung zu schaffen.

Zum Beispiel hat mir damals mein YouTube-Kanal eine gute Basis geschaffen, um eine breite Masse zu erreichen, und das hat mich wiederum zu DECAPITATED gebracht. Dort konnte ich meine ersten professionellen Erfahrungen sammeln und habe neue Kontakte geknüpft, die mir dann neue Jobs ermöglichten, und so weiter…

Was war / ist für dich die fruchtbarste Kooperation bislang gewesen, nachdem du ja bereits für BEHEMOTH, DECAPITATED, HARAKIRI FOR THE SKY oder NARGAROTH getrommelt hast…

Jede Band und jeder Session-Job erweitert deinen musikalischen Horizont. Ich möchte mich nicht auf eine Band festlegen, da ich bei jeder etwas Wichtiges dazugelernt habe. DECAPITATED hat mein Drumming auf ein ganz anderes Level gebracht. Ich konnte erste Welttourneen mit ihnen spielen, mein erstes professionelles Album aufnehmen und aufwändige Musikvideos drehen. Bei BEHEMOTH war das dann eine andere Liga, mit größeren Shows und der theatralischen Bühnenshow, inklusive Feuer und Corpsepaint.

Jetzt mit SEPTICFLESH hatte ich dafür die Möglichkeit, mit einem echten Orchester vor 3000 Zuschauern in Mexico City zu spielen. Wie du siehst, bringt jede Band etwas Neues auf den Tisch und das gilt auch bei Studio-Jobs wie eben für HARAKIRI FOR THE SKY.

DEVIN TOWNSERND mal beiseite, was wäre dein absoluter Traum, wo du mal an der Schießbude sitzen möchtest?

Schwierig zu sagen, aber irgendwie würde ich trotzdem gerne mal einen Song mit SLIPKNOT zocken. Einfach aus nostalgischen Gründen…

Kerim’s Drum Set-Up:
Drums: TAMA Starclassic
2x 22“x18“ Kick Drums
1x 10“ TomTom
1x 12“ TomTom
1x 14“ Floor Tom
1x 16“ Floor Tom
1x 14“x 6,5“ Steel Snare

Hardware: Tama
Pedals: Czarcie Kopyto Direct Drive Pedals
Cymbals: MEINL
8“ Splash, 10“ Splash, 14“ Hi-hat, 14“ X-hat, 17“ Crash, 19“ Crash, 18“ China (2x), 20“ Ride
Sticks: PROMARK 419
Skins: REMO
Triggers: FOOTBLASTER
In Ears: 64 AUDIO

Photos by Marie Idlin & Stella Mouzi.

 

 

 


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