Interview: ME AND THAT MAN - Nergal

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Ich versuche, positiv und entspannt zu bleiben und nicht in Panik auszubrechen. Vielleicht wird das Ganze auch etwas Gutes haben und der Menschheit die Chance bieten, Dinge in Zukunft besser zu machen.

Neues Team, neue Songs, selber Shit, Teil 1: Adam "Nergal" Darski geht mit seinem Dark Folk Projekt ME AND THAT MAN in die zweite Runde und stand uns für einen netten Schwatz zur Verfügung!

Veröffentlicht am 27.03.2020

Routine ist der Tod eines jeden Handwerks, oder: jeden Tag nur Corpse Paint und Teufelei wird selbst dem frommsten Satansbraten irgendwann zur Last. Damit das brüllende Ungeheuer des BEHEMOTH-Masterminds Adam "Nergal" Darski auch noch morgen kraftvoll zubeißen kann, versucht er sich nebenbei als Dark Folk-Interpret. Mit ME AND THAT MANs zweitem Opus "New Man, New Songs, Same Shit Vol. 1" beißt indes nicht nur der Meister selbst zu, sondern gleich eine versammelte Mannschaft namhafter Musiker aus den verschiedensten Winkeln des schwer- bis extremmetallischen Spektrums. Nach diesem überaus vielseitigen Spaß nahmen wir gerne die Gelegenheit zu einem freien Gedankenaustausch mit dem kreativen Kopf hinter beiden Kapellen wahr. Was der charismatische Frontmann zur Entstehung des "Same Shit", medialer Marktüberschwemmung und Corona-Krise zu sagen hat, erfahrt ihr hier in unserem Interview:

Hi Nergal! Wie geht es dir und seid ihr alle gesund?

Hi! Ja, alles gut! Ich bleibe einfach ruhig, geschäftig und lebe mein Leben. Diese ganze Situation hat meinen Alltag nicht besonders verändert. Mein soziales Leben ist natürlich eingeschränkt, aber sonst ist alles cool.

Super, dann legen wir doch gleich los! Glückwunsch zu "New Man, New Songs, Same Shit Vol. 1", die Platte ist der Hammer!

Großartig, danke!

Was mir am besten gefallen hat, ist, dass jeder Song seinen eigenen Charakter hat - stimmlich und musikalisch. War dies deine Vision?

Ja! Ich wollte, dass dieses Album vielseitiger als sein Vorgänger wird und sich unterscheidet. Ich wollte, dass die vielen Subgenres und Stile allgegenwärtig sind. Und "New Man, (...)" ist, was dabei herausgekommen ist. Ich bin sehr glücklich und zufrieden mit dem Album.

Was ließ dich den Weg von ME AND THAT MAN so bedeutend ändern?

Nun, die ganze Neuausrichtung nahm ihren Anfang, als John [Porter] nach der Tour die Band verließ. Ich musste alles neu bewerten und versuchte, mir etwas Neues und Aufregendes auszudenken. Dann fiel mir ein, dass es wirklich cool wäre, all die Jungs einzuladen, die ich auf der Platte hören wollte. So kam letztlich alles zustande.

Wie sahen deine ersten Ideen aus und was haben deine Gäste daraus gemacht?

Meistens ist es so, dass ich meine Ideen vorbringe und sehe, was die Leute davon halten. Ich wollte ein paar coole Typen zusammenbringen. Musiker, deren Fan ich selbst bin, mit denen ich befreundet bin, usw. Wir wollten eine tolle Zusammenarbeit haben und etwas Aufregendes schaffen. In der Regel bringe ich wie gesagt die Grundidee, schicke sie raus und sehe, was man daraus macht. Das läuft nicht immer gleich, manch einer verändert die Beats, andere haben ganz eigene Ideen. Es war ein sehr vielschichtiger Prozess.

Hattest du von Anfang an vor, nur einen Song selbst zu singen?

Im Prinzip schon. Ursprünglich sagte ich mir: "entweder ich singe einen Song oder keinen". Ich wollte sehen, wie sich "Męstwo" entwickelt und wenn ich nicht absolut zufrieden damit gewesen wäre, wäre die Nummer nicht aufs Album gekommen. Ich bin da sehr geradlinig herangegangen. Etwa zwei Wochen vor der Deadline fürs Mastering bin ich ins Studio gegangen, habe einen Versuch gewagt und war sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Auch die Reaktionen auf "Męstwo" waren bisher sehr positiv.

Du warst dir also bis kurz vor Schluss nicht sicher, ob dein eigener Song aufs Album kommt?

Es war eigentlich nicht "mein" Song, unser Drummer hat ihn geschrieben. Er schrieb die Musik und der Sänger seiner Band MULK den Text, mit mir als Sänger im Hinterkopf. Sie kamen damit auf mich zu und ich liebte die Nummer, war mir aber nicht sicher, ob ich es stimmlich durchziehen kann. Also sagten wir: "wenn ich es singen kann, bin ich zufrieden und wir nehmen es mit auf die Platte, ansonsten lassen wir es". Für mich war es eine coole Sache, diesen Song zu singen, dessen Musik und Text ich nicht selbst geschrieben hatte...das war etwas Besonderes für mich.

Welche Parts hast du selbst eingespielt?

Ich habe die Rhythmusgitarren und ein paar Leads gespielt. Außerdem habe ich über die Platte verteilt einige Hintergrundgesänge mit aufgenommen...und natürlich "Męstwo".

Der Albumname deutet an, dass "New Man, New Songs, Same Shit Vol. 2" folgen könnte - ist das eure Absicht?

Nun, es ist nicht nur die Absicht, es ergibt sich auch aus dem Prozess. [Lacht] "Vol. 1" ist noch nicht mal raus und ich arbeite schon an "Vol. 2". Wir haben viel mehr Material aufgenommen, als wir brauchten und ich wollte das Album nicht zu lange werden lassen. Ich wollte keine fünfzehn Songs auf der Platte haben, weil sie schon so vielseitig geworden ist. Wenn man zuviel Inhalt draufpackt, lenkt es den Hörer ab. Es ist besser, elf Songs aufzunehmen, weil die Stücke sonst untereinander konkurrieren. Also beließen wir es bei 40 Minuten und lassen "Vol. 2" folgen. Wir haben schon einiges an Material aufgenommen und machen noch etwas mehr. Wir haben schon Ideen und sind im Kontakt mit einigen sehr aufregenden Leuten - das wird ein Riesenspaß, versprochen!

Ich schätze, dass eure Tourpläne derzeit wie bei allen anderen auf Eis liegen?

Nun, wie alle anderen Bands warten wir ab, was passiert. Wir haben schon überlegt, was wir tun sollen, ob wir die Tour in den Herbst verschieben, usw. Aber wahrscheinlich kommt nachher jeder im Herbst zurück...ich weiß es nicht, wir werden sehen.

Ich schätze, man kann das im Moment nicht wirklich vorhersagen...

Ja, wir erleben gerade echt verrückte Zeiten. Ich schätze, es wird sehr schwierig, sich wieder zu erholen und seinen alten Stand wiederherzustellen. Sicherlich werden viele Betriebe bankrott gehen, Leute werden ihren Job verlieren, einige werden den Verstand verlieren und durchdrehen. Aber ich betrachte das Glas immer als halb voll. Ich versuche, positiv und entspannt zu bleiben und nicht in Panik auszubrechen. Vielleicht wird das Ganze auch etwas Gutes haben und der Menschheit die Chance bieten, Dinge in Zukunft besser zu machen.

Zumindest innerhalb der Metalszene beobachtet man in diesen Zeiten ein hohes Maß an Solidarität...

Das stimmt, wir haben auch schon dazu aufgerufen, Bands zu supporten. Aber auf der anderen Seite sind unsere Fans ganz normale Leute, die möglicherweise selbst ihren Job und damit ihr Einkommen verloren haben. Wer bin ich, diese Leute zu bitten, mir ihr Geld zu geben? Alles ist globalisiert und miteinander vernetzt, wir alle hängen voneinander ab. Deshalb sage ich lieber: wenn du genug oder mehr als genug hast und uns mit dem Kauf von Platten, Shirts, etc. unterstützen willst, dann tu' es. Aber wenn dem nicht so ist, wäre es unfair, dich darum zu bitten...so einfach ist das.

Ich finde es gut, wenn Fans in dem Maße helfen, wie sie können und wollen. Aber das wird sicherlich nicht den Ausfall ganzer Touren und allem, was dahintersteckt, auffangen.

Ja Mann, das wird brutal. Was die nächsten Monate angeht, bereiten wir uns besser auf eine Höllenfahrt vor!

Ich fürchte es auch. Aber kommen wir zurück zur Musik - wie werden die neuen Songs auf der Bühne funktionieren?

Nun, unser Plan war, die Songs untereinander aufzuteilen. Wir sind drei Sänger in der Band: unser zweiter Gitarrist Sasha, unser Basser Matteo und ich selbst. Wir können ausmachen, welcher Song besser in wessen Stimmspektrum passt und das durchziehen.

Siehst du ME AND THAT MAN als ein kreatives Ventil, damit BEHEMOTH BEHEMOTH bleiben?

Ja, ich musste diesen Schritt heraus aus der Komfortzone machen. Ich brauchte etwas, das mich von Zeit zu Zeit auf andere Gedanken und weg von BEHEMOTH bringt. Ich liebe diese Art von Musik und bin ein großer Fan von NICK CAVE, MARK LANEGAN, JACK WHITE, JOSH HOMME, usw. Sie zählen zu den Besten in diesem Bereich und alles, was sie machen, ist super inspirierend. Ich möchte sie nicht kopieren, aber in das Genre einsteigen und etwas Außergewöhnliches schaffen. Auf alle Fälle machen wir mit diesem und dem nächsten Album etwas, dass es so noch nie in der Musikgeschichte gegeben hat. Du hast einen Haufen Sänger aus dem Heavy Metal und Extreme Metal und alle wirken an diesem Americana-Blues-Country-Album mit. So etwas ist noch nie geschehen und das ist ein wichtiger Punkt für mich.

Dabei ist es heutzutage schwierig, noch etwas Neues zu schaffen.

Absolut, Mann! Es ist eine massive Herausforderung, etwas aufzuziehen, dass neuartig und umwerfend ist. Wir werden überflutet von neuem Zeug, es gibt zu viel von Allem. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber vor zehn Jahren war ich immer auf dem neuesten Stand, was die für mich interessanten Veröffentlichungen angeht. Heute bin ich dazu überhaupt nicht mehr in der Lage. Ich kann nicht all die Bücher lesen, die ich kaufe. Ich kann mir nicht alle TV-Serien anschauen, die ich gerne sehen würde, weil ich nicht genug Zeit und Energie dafür habe. Aber wo wir schon von der Krise gesprochen haben...wir haben es mit einer massiven Krise zu tun, aber ich sehe darin wie gesagt auch gute Seiten und Chancen. Die Corona-Pandemie wird der ultimative Test für viele Unternehmen, Bands, usw. Und wenn du ein echter Künstler bist und wirklich etwas zu bieten hast, dann werden die Leute zu dir stehen. Möglicherweise wird nur das beste Zeug überleben und Bestand haben. Ich weiß nicht, ob das Sinn ergibt, aber du weißt schon...

Wir werden sehen! Dürfen wir in der näheren Zukunft auch Neuigkeiten an der BEHEMOTH-Front erwarten?

Absolut! Die aktuellen Umstände geben uns zusätzliche Zeit und Gelegenheit, Musik zu schreiben. Wir arbeiten also gleichzeitig an ME AND THAT MAN und BEHEMOTH. Warte es einfach ab! Es wird noch in diesem und auch im nächsten Jahr neue Musik geben, aber ich nenne keine weiteren Details [lacht]!

Ich hatte vor einiger Zeit gelesen, dass Rob Halford sich ein Black Metal-Projekt mit dir und Ihsahn wünscht - könnte das tatsächlich passieren?

Nun, ich hatte Rob getroffen und er erzählte mir, dass es cool wäre, etwas in der Art zu machen. Dass er Ihsahn und mich in diesem Zusammenhang erwähnt hatte, bedeutet mir viel. Warten wir es ab. Ich habe auch mit Vegard (Ihsahn) darüber geredet...und wie ich sagte, ist das, was im Moment in der Szene passiert, eine gute Gelegenheit, an neuer Musik zu arbeiten. Ich würde mir wünschen, dass Rob [Halford] mit dabei wäre und seinen Gesang beisteuern würde. Wir wissen nicht, ob es wirklich passiert, aber vielleicht eines Tages...ich würde sterben dafür [scherzhaft]!

Aber tu' das bitte nicht wörtlich!

Ach...nein! Weißt du, ich bin Künstler und ich übertreibe immer [lacht]!

Ich weiß! Und damit wären wir auch leider schon am Ende. Noch einmal vielen Dank, es war mir eine Ehre, dich zu "treffen"! Das letzte Wort gebührt natürlich dir!

Leute, haltet zusammen und unterstützt euch gegenseitig! Wir werden das durchstehen und am Ende gestärkt hervorgehen. Das ist mein Plan und er wird aufgehen. Stay strong!


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